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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Niebelschütz, Ernst von: Chinesische Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0368
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CHINESISCHE BAUKUNST.

VON ERNST V. NIEBELSCHÜTZ.

Wenn irgend eine Architektur nur zusam-
men mit der landschaftlichen Um-
welt richtig gewürdigt werden kann, so ist es
die chinesische. Sie ist gewachsen, nicht ge-
macht; und alles Bizarre, Spielerische und Ün-
tektonische, was der eingefleischte Europäer
der chinesischen Baukunst so leicht vorzuwerfen
pflegt, löst sich zwanglos in Harmonie auf, so-
bald man sich dazu entschließt, das einzelne
Bauwerk als die Frucht der beseelten Natur,
aus deren Mutterschoß es geboren ist, zu be-
trachten. Menschenhand scheint hier nur wenig
getan zu haben — so vollkommen schmiegt
sich die Tempelanlage mit ihren Mauern, Pa-
villons und Pagoden den Linien von Berg und
Tal an; ja das für uns Willkürlichste, die ge-
schweiften und verschnörkelten Dächer lassen
uqs fühlen, daß die gelöste Kurve den inner-
sten Geist gerade dieser Landschaft weit reiner
offenbart als die gerade Linie allein es ver-
möchte. Dabei ist auch diese der chinesischen

Baukunst durchaus nicht fremd. Das breit
Lagernde, der Erde und ihren Kräften Verhaftete
scheint sogar eine nationale Eigentümlichkeit
wenigstens der älteren Bauwerke dieses Volkes
zu sein. In ihnen drückt sich ein praktisch-
verstandesmäßiger, um nicht zu sagen nüch-
terner Charakterzug aus, daneben dann freilich
auch die große Anhänglichkeit des Chinesen an
Heimat und Scholle, die sich im Gräber- und
Ahnenkultus noch heute in so rührender Weise
kundtut. Vielleicht ist dieses feste Am-Boden-
Haften sogar das Angeborene der chinesi-
schen Seele: der Geist konfuzianischer Ver-
nünftigkeit. Deutliche Fingerzeige gibt hier die
gleichzeitige bildende Kunst. Sie kommt der
Erkenntnis der chinesischen Architektur aufs
Wirksamste zu Hilfe. Das ältere Porträt der
nationalen Wohltäter, die topographisch genaue
Landschaft, das Historienbild, das die großen
Leistungen der Vergangenheit in episch-erziehe-
rischer Breite der Gegenwart übermittelt, ferner

PROFESSOR BRUNO PAUL. BUKETT AUS KKBKNSTKHKX DKM SI'EISF.Z!MM T.l-
 
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