Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0122
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Bertelsson, Alexander: Kunstgefühl und Kunstverständnis
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Zu neuen Arbeiten Max Pechsteins
3
gemeinen Bewußtsein in den Hintergrund zu-
…
Er stand in der Zeit vor dem Kriege, in den
…
den Hintergrund zu drängen versuchen, weil
4
Grunde zeit seines Lebens nur den Weg ge-
…
noch aus der vollkommenen Einheit, ohne den
…
sich auch bereits langsam den Fünfzigern nähert,
Vererbt sich künstlerische Begabung
13
haupten nacheinander in ihrer Zeit den höchsten
…
Werk fortgesetzt: durch den zarten Gentile und
…
muß stutzig machen. Es mag sich den bekannten
Neue Arbeiten Victor Hammers
Wiener graphische Bildnisse
29
den allzureichlich abgespiegelten Lichtnuancie-
…
digen Strich, den der Zeichner und Graphiker
…
Anschauung undErkenntnis von den besonderen
…
Eindruck ist maßgebend, um aus den hervor-
Kunst und Leben
Ernesto de Fiori
36
geschaffen mit über den Kopf nach hinten in den
…
bespräche, so mag man den Finger erheben und
…
sagen: „maigre". Auch den Karyatiden von
…
für das reine Gerüst selbst ist, für den funktio-
…
im vorliegenden Hefte abbilden, entstammt den
…
fläche, um ja nicht den Eindruck der absoluten
…
Für den Künstler sind sie eine Augenweide
…
Künstler in den letzten Jahren geschaffen hat.
…
der Oberfläche schwebt und den Bildnissen den
Angewandte Architektur
Ein Landhaus am Starnbergersee
Das Ideal des Kahlen
Das neue Heim
59
Mitte; am dunklen Wandstreifen zwischen den
…
Möblierung richtet sich viel mehr nach den
…
volles, aber sie macht den Raum starr, feierlich.
Der Maler Utrillo
Primo Conti, Florenz
Lasar Segall
Hermann Haller
Das plastische Werk von Edgar Degas
Überwindung der Psychologie
Fritz Gross, Wien: Eine Landhaus-Einrichtung, [1]
Thomas Theodor Heine
Kunstgefühl und Kunstverständnis
Vom Festraum
Naturalismus und Realismus
Originalität
Neue Gemälde von Karl Hofer
James Ensor: Erste deutsche Gesamtausstellung in der Kestner-Gesellschaft-Hannover
154
damals den Zorn der Kritiker und des Pub-
…
Tischtuchs mit den Flaschen und dem Blumen-
…
KlassifizierungEnsor's unter die Impressionisten
…
keit unverpflichtete, Farbtöne zeigen den — so-
…
schon von den 80er Jahren ab immer stärker als
…
den Hinweisen auf die „Vorbilder" Breughel,
…
gar deutlich durch den Widerwillen gegen diese
…
würdige Parallelen mit den alten Meistern vor
157
den Ekel an der Welt, die Verachtung der
…
freiende, d. h. natürlich in erster Linie den
…
Zweifellos hat sich der Malstil, mit den Früh-
…
raschen, wenn man, aus den Phantasmagorien
…
links erscheinen zeichnerisch, den Gesamtbild-
…
den Geist. Es ist sehr möglich, daß das, was
…
es den Reiz des Neuen verliert und damit un-
…
hin Unerträglichen und führt mit Sicherheit den
Ludolf Verworner: Ein Nachruf
161
Abschluß eines Künstlerdaseins machte den
…
selbst sein Werk unter dem Zwang innerer Be-
…
Leon Pohle in den achtziger Jahren des vorigen
…
den letzten Jahren zeigte sein Antlitz deutlich
Ein Stuttgarter Maler
167
Gegenteil, man hat den Eindruck, daß in der
…
cher Landschaft, unter welchen bestimmenden
…
meinen mehr der Musik, der Literatur, also den
…
Backnang geboren wurde, und den die drei Ab-
Fritz Gross, Wien: Eine Landhaus-Einrichtung, [2]
Gehen wir einem Zeitalter der Entseelung entgegen?
Das Schöpferische im Kind
Arbeiten der Fachklassen der Kunstgewerbeschule Hannover
191
tät sein, aber sehr bestimmt auf den Aufweis
…
gibt sich bereits aus den Neueinrichtungen von
…
kräfte und die gezeitigten Ergebnisse bei den
…
lung aller ornamentalen Zutaten aus den vor-
…
soll eigentlich den wahren „Schmuck" erzielen.
Gläser
Das Ergebnis des Wettbewerbs: zur Erlangung von Entwürfen zu einem Völkerbundpalast in Genf
201
Entscheidung im Wettbewerb um den Ent-
…
geführt und nicht immer ist es gelungen, den
…
bung und den erschwerenden Bedingungen,
…
hörte. Bei den umfangreichen Prüfungsarbeiten
…
an. Diesen entschlossenen und bewußten Künst-
202
Von den Ausgezeichneten ist an der Spitze Le
…
Von den Nordländern wurden vier durchge-
…
Von den Holländern sind Luthmann und
…
Bei den meisten Projekten wurden Beton
…
an den klassizistischen Stil angelehnt, aber doch
…
Wettstreit den Anteil der einzelnen Nationen.
…
richtvertreten waren. Selbst Belgien, das den
…
tere wieder an den Völkerbundrat oder die
…
einer kleinen Kommission durch den Rat, welche
…
eines neuen Wettbewerbes unter den Preis-
Berliner Frühjahrs-Akademie
205
zwar an den Vorbereitungen der diesmaligen
…
er hatte sich den rechten Arm verbrüht, fesselte
…
völlig den Stempel trägt, den der gebieterische
…
Mann der alten Sezession aus den Tagen, da
Zeitlicher und zeitloser Wert in der Kunst
Pariser Maler: Koyanagui, Valentine Prax, Auffray
Der Bildhauer Fritz Maskos
Künstler im Kunsthandwerk und in der Industrie: Die Ausstellung im Wiener Kunstgewerbemuseum
237
stimmten gedruckten „Merkblatt" über den
…
nungen und Modelle von Künstlern, die im
…
häufig die besten Entwürfe in den Mappen der
238
man in den künstlerischen Werdeprozeß des
…
in die bestimmte Technik und den Werkstoff
…
werbetreibenden mit den Künstlern fördern."
240
hatte und so den eintretenden Besucher gleich
…
Lichtblau, die sich in den äußeren rechten
…
Geltung erlangt hätten, den Reisenden bis zu
…
sich unter den Wiener Künstlern lebhaftes In-
Das deutsche Kunstgewerbe in Monza
Die Kunst und die Machthaber
Gestaltung und Sehen
Eröffnungsfeier der Münchner Glaspalast-Ausstellung
269
der Tradition sollen vielmehr die Jungen sein,
…
Wir weisen diese Literatur für den Künstler zu-
…
Natur und vor den großen Meistern. Was soll
…
den großen Künstler; es bilden sich Gruppen,
…
pflichtet, alles, was uns von den Aposteln als
270
braucht. Dann werden wir es auch den weniger
…
terbleiben muß. So komme ich zu den Auftrag-
…
Wir sind Lud wig I. und den Wittelsbachern dank-
…
ler, wenn gerade eine neue Richtung von den
…
unabhängigen Künstlern (beamtete Künstler sind
…
kürzlich an den Opfersinn der Bürger appelliert.
…
ging von Münchner Künstlern aus. So kam es
271
seinen Zeiten den Namen gibt, der früher neben
…
Katalogen dienen, sondern den Lebendigen.
…
sind; wir zeigen in München, daß es den Willen
…
von den gegenseitigen Verpflichtungen und ein
…
Für den bayerischen Kultusminister erachte
…
Möglichen — um, getreu den Überlieferungen
…
hauptstadt in den letzten Jahren energische Auf-
Théophile Robert
275
„Die jungen Maler, zu denen ich gehörte und
…
zu verzichten. Unter den Meistern, deren Werk
…
sorgfältig zu wählen. Er belebte in uns den
…
Jungen mehr verwirrte als weiter brachte. Der
276
uns den Weg zeigte, durch rein malerische Mittel
…
ihm den Erneuerer einer zweitausendjährigen
…
den Werken seiner letzten Jahre dazu gelangt,
…
Tag, an dem wir den Zöllner Rousseau ent-
…
Instinkt für das Malerische, den er sich wunder-
…
Erörterungen unter uns, und oft über die wider-
Leopold Levy
Neue Werke von Anton Hanak
Ist religiöse Kunst heute noch möglich?
Ausstellung "Neue Kunst" Darmstadt 1927
319
städte unter erheblich veränderten Bedingungen.
…
werden. Vor dem Kriege brauchte man den
…
unter schlagkräftige Ausstellungsgedanken
Das Leben der Farben im Kunstwerk
Schoepferische Grundimpulse
Europäisches Kunstgewerbe 1927: Betrachtungen zur Leipziger Ausstellung
339
Haß gegen den Historizismus und die Prokla-
…
rend man sich anderswo um den ethischen Kern
…
Eigensinn in den Prozeß der Formgestaltung
…
die mit Selbstverständlichkeit auf den rein in-
340
bezeichnenderweise den übernationalen Maß-
…
Exponenten den historischen Kanon bot — die
…
kultur kam gegen den brandenden Ansturm der
…
den typisch deutschen „versachlichten" Form-
Münchener Kunstausstellung: Glaspalast 1927
360
der Weise, die Technik des Fresko mit den Wir-
…
den Sockel übergreifen. Der mit Gebälk ge-
…
(„Das Bild mit den sieben Tieren"), Diese bei-
376
zu begegnen. Längst zählt er zu den Veteranen.
…
tische Schwärmerei, Kalckreuth den Zauber
…
bewußt, wie es so oft bei den Vertretern deut-
…
lers den Stoff nicht ganz zu durchdringen ver-
378
der den Gesetzen des Werdens, des Alterns
…
Zu den fünf dekorativ ausgestalteten Räumen
…
in den Nischen gezeigt, für die sie bestimmt
…
„Den heutigen Rationalismus direkt zu be-
…
störung auf. Unter ihr leidet die Kunst weit
…
möchten, könnte den Menschen wieder den ver-
…
der den Gesetzen des Werdens, des Alterns
…
Zu den fünf dekorativ ausgestalteten Räumen
…
in den Nischen gezeigt, für die sie bestimmt
…
„Den heutigen Rationalismus direkt zu be-
…
störung auf. Unter ihr leidet die Kunst weit
…
möchten, könnte den Menschen wieder den ver-
Die Lebensfrage der Kunst
"Die Landschaft ist ein Seelenzustand"
Vom Wert der Anschauung
Modernes Sammlertum
Zur Neuaufstellung des Völkerkunde-Museums in München
Bauten von der deutschen Theaterausstellung
Die ersten deutschen Möbel in Fliessarbeit
Inhalts-Verzeichnis
Maßstab/Farbkeil
KUNSTGEFÜHL UND KUNSTVERSTÄNDNIS
Man beurteilt Kunstwerke in der Regel be-
fangen. Darum hat auch ein Kunsturteil
niemals objektiven Wert. Es gibt vielerlei Be-
fangenheiten: moralische, ästhetische, philoso-
phische, historische, religiöse usw. Einem Kunst-
werk, das dem jeweiligen Standpunkt des Be-
urteilers nicht entspricht, das den Forderungen,
den Ansprüchen, die man an ein Bildwerk von
vornherein stellt, nicht nachkommt, begegnet
man ablehnend, d. h. verständnislos. So ist das
Kunstwerk nicht allein dem veränderlichen Zeit-
geschmack preisgegeben, sondern auch dem
Einzelgeschmack und Einzelstandpunkt des Be-
urteilers oder Betrachters. Es ist selbstver-
ständlich, daß auf der Grundlage solcher Be-
fangenheit, solcher Ansprüche und Forderungen
von einem Kunstverständnis nicht die Rede sein
kann. Nicht Bildung, nicht Feinfühligkeit ge-
nügen daher allein, um in ein rechtes Verhältnis
zu Kunstwerken zu treten; nicht einmal ausge-
sprochenes Kunstgefühl.
Es ist unbestreitbar, daß nur gewisse Fähig-
keiten einzelne begnadete Individuen in Stand
setzen, auch auf feinste Nuancen im Bereiche
der unerschöpflich großen Kunstproduktion zu
reagieren. Auf dem Wege ernsthaftester Be-
schäftigung mit Problemen hervorragender
schaffender Künstler gelangen diese besonders
veranlagten Menschen zu jenen hohen Ein-
sichten, von denen man sagen kann, daß sie
einem Kunstverständnis entspringen. Man sagt
vom musikalisch veranlagten Menschen, daß er
Gehör habe und meint natürlich nicht seine
vielleicht gar nicht einmal besonders gut ent-
wickelten Gehörsorgane (Beethoven kompo-
nierte bekanntlich als Tauber seine besten
Werke), sondern man meint ein ganz beson-
deres, undefinierbares, fein differenziertes inne-
res Gehör, ein Gefühl für Musik. Sicherlich
sind auch beim Maler nicht die Augen jene Or-
gane, die bedeutsame künstlerische Kombi-
nationen hervorbringen, sondern es ist auch
jenes undefinierbare innere Gesicht, jenes
Kunstgefühl, welches sich stets in Bereitschaft
hält, die Sinneseindrücke zu Kunsteindrücken
zu verbinden. Der Sinneseindruck ist der Er-
reger, der das Kunstgefühl in Bewegung setzt.
Den Sinnesorganen blieben die Geheimnisse
der Kunst in Ewigkeit verhüllt, wenn nicht das
Kunstgefühl in die Bresche treten würde.
Jedoch, gleichwie das Kunstgefühl allein den
Künstler noch nicht befähigen würde, Kunst-
werke hervorzubringen, sondern erst durch
zielbewußte Erweiterung, Entwicklung und
ständige Steigerung dieses Kunstgefühls das
künstlerische Bewußtsein gewonnen wer-
den kann, aus dem Kunstwerke hervorgezaubert
werden, so führt das Kunstgefühl allein den
Menschen noch nicht zu den höchsten Einsich-
ten, zum Kunstverständnis. Nur aus der Ent-
wicklung, Steigerung, Vervollkommnung und
Veredelung des Kunstgefühls, nach vielfachem
Kämpfen und Ringen um künstlerische Erkennt-
nisse, vor allem durch ein inniges Versenken
in das Wesen, den Ursprung und die Bedeutung
des künstlerischen Schaffensprozesses kann all-
mählich das künstlerische Bewußtsein und mit
ihm das Kunstverständnis gewonnen werden.
Nicht daß der Einzelne danach streben müßte,
alles zu umfassen, um in der Mannigfaltigkeit
sich zu orientieren, nicht auch um wissenschaft-
liche methodische Arbeit kann es sich hierbei
handeln; jedoch auch ebensowenig um die Be-
schäftigung mit einer Liebhaberei. So wie ge-
lehrte Fachwissenschaft allein niemals zur Kunst-
kennerschaft führt, wird die Kunstliebhaberei,
die sich ab und an mit Kunstinteressen abgibt,
nicht Anspruch erheben dürfen auf Kunst-
kennerschaft. Nur wer sich die Aufgabe stellt,
ganz und gar der Kunst sich hinzugeben, nicht
allein als Genießender, sondern als Dienender;
wer in die Tiefen des Schaffensprozesses der
Künstler zu dringen vermag; wer aus befange-
nem Verharren sich erheben kann; wer der Welt
mit dem Interesse des nach Erkenntnissen und
höchsten Einsichten ringenden Menschen gegen-
übersteht — der kann dahin gelangen, sein
Kunstgefühl tauglich zu machen für eine ver-
ständnisvolle Kunstbetrachtung. Wer jedoch auf
der Position irgendwelcher Standpunkte, Ein-
stellung, Ansprüche und Forderungen verharrt,
der wird niemals in eine wirklich wesentliche
Beziehung zur Kunst gelangen. Man muß das
eigene befangene Weltbewußtsein täglich auf-
geben können, will man in das Weltbewußtsein
des Künstlermenschen, in das künstlerische
Bewußtsein eindringen. Wer sich künstlerisch
erleuchten läßt, der wird auch künstlerisch
schauen. Und nur der Schauende hat ein be-
sonderes Verhältnis zur Kunst, von dem man
sagen kann, es entspringe einem Verständnis
für Kunst. Das Kunstgefühl ist die Substanz,
aus der sich das künstlerische Bewußtsein ent-
wickelt. Dem Kunstgefühl entspringt das künst-
lerische Bewußtsein und diesem das Kunstver-
ständnis. Dem Durchschnittsmenschen ist des-
halb die Kunst auch so verborgen, wie die
Dinge in der Finsternis... Alexander bertelsson.
Man beurteilt Kunstwerke in der Regel be-
fangen. Darum hat auch ein Kunsturteil
niemals objektiven Wert. Es gibt vielerlei Be-
fangenheiten: moralische, ästhetische, philoso-
phische, historische, religiöse usw. Einem Kunst-
werk, das dem jeweiligen Standpunkt des Be-
urteilers nicht entspricht, das den Forderungen,
den Ansprüchen, die man an ein Bildwerk von
vornherein stellt, nicht nachkommt, begegnet
man ablehnend, d. h. verständnislos. So ist das
Kunstwerk nicht allein dem veränderlichen Zeit-
geschmack preisgegeben, sondern auch dem
Einzelgeschmack und Einzelstandpunkt des Be-
urteilers oder Betrachters. Es ist selbstver-
ständlich, daß auf der Grundlage solcher Be-
fangenheit, solcher Ansprüche und Forderungen
von einem Kunstverständnis nicht die Rede sein
kann. Nicht Bildung, nicht Feinfühligkeit ge-
nügen daher allein, um in ein rechtes Verhältnis
zu Kunstwerken zu treten; nicht einmal ausge-
sprochenes Kunstgefühl.
Es ist unbestreitbar, daß nur gewisse Fähig-
keiten einzelne begnadete Individuen in Stand
setzen, auch auf feinste Nuancen im Bereiche
der unerschöpflich großen Kunstproduktion zu
reagieren. Auf dem Wege ernsthaftester Be-
schäftigung mit Problemen hervorragender
schaffender Künstler gelangen diese besonders
veranlagten Menschen zu jenen hohen Ein-
sichten, von denen man sagen kann, daß sie
einem Kunstverständnis entspringen. Man sagt
vom musikalisch veranlagten Menschen, daß er
Gehör habe und meint natürlich nicht seine
vielleicht gar nicht einmal besonders gut ent-
wickelten Gehörsorgane (Beethoven kompo-
nierte bekanntlich als Tauber seine besten
Werke), sondern man meint ein ganz beson-
deres, undefinierbares, fein differenziertes inne-
res Gehör, ein Gefühl für Musik. Sicherlich
sind auch beim Maler nicht die Augen jene Or-
gane, die bedeutsame künstlerische Kombi-
nationen hervorbringen, sondern es ist auch
jenes undefinierbare innere Gesicht, jenes
Kunstgefühl, welches sich stets in Bereitschaft
hält, die Sinneseindrücke zu Kunsteindrücken
zu verbinden. Der Sinneseindruck ist der Er-
reger, der das Kunstgefühl in Bewegung setzt.
Den Sinnesorganen blieben die Geheimnisse
der Kunst in Ewigkeit verhüllt, wenn nicht das
Kunstgefühl in die Bresche treten würde.
Jedoch, gleichwie das Kunstgefühl allein den
Künstler noch nicht befähigen würde, Kunst-
werke hervorzubringen, sondern erst durch
zielbewußte Erweiterung, Entwicklung und
ständige Steigerung dieses Kunstgefühls das
künstlerische Bewußtsein gewonnen wer-
den kann, aus dem Kunstwerke hervorgezaubert
werden, so führt das Kunstgefühl allein den
Menschen noch nicht zu den höchsten Einsich-
ten, zum Kunstverständnis. Nur aus der Ent-
wicklung, Steigerung, Vervollkommnung und
Veredelung des Kunstgefühls, nach vielfachem
Kämpfen und Ringen um künstlerische Erkennt-
nisse, vor allem durch ein inniges Versenken
in das Wesen, den Ursprung und die Bedeutung
des künstlerischen Schaffensprozesses kann all-
mählich das künstlerische Bewußtsein und mit
ihm das Kunstverständnis gewonnen werden.
Nicht daß der Einzelne danach streben müßte,
alles zu umfassen, um in der Mannigfaltigkeit
sich zu orientieren, nicht auch um wissenschaft-
liche methodische Arbeit kann es sich hierbei
handeln; jedoch auch ebensowenig um die Be-
schäftigung mit einer Liebhaberei. So wie ge-
lehrte Fachwissenschaft allein niemals zur Kunst-
kennerschaft führt, wird die Kunstliebhaberei,
die sich ab und an mit Kunstinteressen abgibt,
nicht Anspruch erheben dürfen auf Kunst-
kennerschaft. Nur wer sich die Aufgabe stellt,
ganz und gar der Kunst sich hinzugeben, nicht
allein als Genießender, sondern als Dienender;
wer in die Tiefen des Schaffensprozesses der
Künstler zu dringen vermag; wer aus befange-
nem Verharren sich erheben kann; wer der Welt
mit dem Interesse des nach Erkenntnissen und
höchsten Einsichten ringenden Menschen gegen-
übersteht — der kann dahin gelangen, sein
Kunstgefühl tauglich zu machen für eine ver-
ständnisvolle Kunstbetrachtung. Wer jedoch auf
der Position irgendwelcher Standpunkte, Ein-
stellung, Ansprüche und Forderungen verharrt,
der wird niemals in eine wirklich wesentliche
Beziehung zur Kunst gelangen. Man muß das
eigene befangene Weltbewußtsein täglich auf-
geben können, will man in das Weltbewußtsein
des Künstlermenschen, in das künstlerische
Bewußtsein eindringen. Wer sich künstlerisch
erleuchten läßt, der wird auch künstlerisch
schauen. Und nur der Schauende hat ein be-
sonderes Verhältnis zur Kunst, von dem man
sagen kann, es entspringe einem Verständnis
für Kunst. Das Kunstgefühl ist die Substanz,
aus der sich das künstlerische Bewußtsein ent-
wickelt. Dem Kunstgefühl entspringt das künst-
lerische Bewußtsein und diesem das Kunstver-
ständnis. Dem Durchschnittsmenschen ist des-
halb die Kunst auch so verborgen, wie die
Dinge in der Finsternis... Alexander bertelsson.