Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

DOI Artikel:
O. L.: Die Lebensfrage der Kunst
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0398

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Lebensfrage der Kirnst

immer ist das Neue, wenn es in der Zeit wahr-
haft verankert war, mit diesen Gründen und
allen Widerlegungen fertig geworden.

Und ist das nicht ein Glück? Gibt es etwas
Herrlicheres für den wirklich lebendigen Men-
schen, als wenn in den großen geschichtlichen
Wendungen sein Voraussehen oder gar seine
Verstandesansprüche nicht erfüllt werden?
Wenn eine andere Kraft, das Leben selbst,
ihm entgegentritt und aus einer fremden, unge-
heuren Phantasie das gänzlich Unerwartete zu-
tage bringt ?

Das Widersinnige ist der eigentlich wertvolle,
der kostbarste Bestandteil der Geschichte. Denn
in diesem Bestandteil wirft sich unsrer Vernunft
jenes Fremde entgegen, das die Welt erst wirk-

lich zur Welt macht. Gerade das Kunstge-
schehen zeigt uns diesen fremden Bestandteil
sehr oft. Und keine kleine Eitelkeit sollte uns
hindern, das geheime Entzücken einzugestehen,
das wir empfinden, wenn es nicht nach un-
serem Kopf gegangen ist, wenn das Leben aus
eigener Macht eine neue Wendung genommen
hat, die uns selber neuen Boden, neue Kraft
und Geistesfreude schenkt.

Lebensfrage der Kunst ist es, aus den echten
Notwendigkeiten des Augenblicks die dunkle,
rettende Tat zu tun. Aber für den Einzel-
menschen ist es eine Lebensfrage, sich stets
soviel Schwung und Vertrauen zu bewahren,
daß er den Wendungen des Kunstgeschehens
mit Frische folgen kann............ o. l.

388
 
Annotationen