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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Schmidt, Paul F.: Neuerwerbungen des Kölner Wallraff-Richartz-Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0337
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NEUERWERBUNGEN DES KÖLNER WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUMS

VON PAUL F. SCHMIDT

Als Alfred Hagelstange 1914 gestorben war,
schien sein kühn und großartig begonnenes
Werk, die Reorganisation des Kölner Museums,
verwaist und verlassen, die glücklichen Ansätze
zu einer wahrhaft modernen Galerie blieben ein
Torso, einen Nachfolger schien er nicht erhalten
zu sollen. Acht Jahre lang, den Krieg hindurch
und noch bis 1922 blieb die Stelle unbesetzt.
Dann wurde sie in einer nicht eben sehr glück-
lichen Weise aufgeteilt, Schäfer erhielt die Alt-
deutschen und das Kunstgewerbe miteinander,
Hans Secker die neuzeitliche Gemäldegalerie
vom 17. Jahrhundert an nebst dem Graphischen
Kabinett. Das eine Gute hatte diese Zerreißung
eines natürlichen Organismus, daß sich Secker
nun dem von Hagelstange begonnenen Ausbau
der modernen Abteilung mit voller Kraft widmen
konnte. Er war zwar wissenschaftlich wie in
seiner Danziger Museumstätigkeit ebenso an die
Altdeutschen und das Kunstgewerbe attachiert
gewesen, und vielleicht hatte ihn gerade jene
umsichtige und geschmackvolle Fürsorge emp-
fohlen, die an der Weichselmündung ein muster-
gültiges und schönes Provinzmuseum vielseitiger
Art geschaffen hatte; jetzt aber ergriff er mit
ganzer Tatkraft die Gelegenheit zum Ausbau
des Erbes von Hagelstange. Und nach fünf-
jähriger Tätigkeit konnte er einenRechenschafts-
bericht vorlegen, der an Umfang und Gewicht
fast einzigartig dasteht. Es ist ein Quartband
von 160 Seiten Text mit 242 Abbildungen, die
sich auf die alten Bestände bis 1914 und auf
seine Neuerwerbungen seit 1923 (100 Tafeln)
verteilen; unter dem Titel „Die Galerie der
Neuzeit im Museum Wallraf-Richartz" bei
Klinkhardt & Biermann in schöner Aufmachung
erschienen, als Veröffentlichung der Wallraf-
Richartz-Gesellschaft in Köln.

In dem Buch steht sehr viel Wissenswertes,
es ist ein wissenschaftlich populärer Führer
durch das Museum geworden, wie ihn kaum
eine andere Sammlung besitit, ein Schlüssel zur
Erschließung der kostbaren Schätze für die
Kölner und für jedermann; und es steht auch
vieles nicht darin oder nurinleisen Andeutungen,
was man doch wissen müßte, um die Pionier-
arbeit eines Museumsleiters auf besonders stei-
nigem Boden zu würdigen. In der Erwähnung
der Wallraf-Richartz-Gesellschaft als Heraus-
geberin dieses Werkes verbirgt sich ein guter
Teil von Seckers Organisationsarbeit mit den
Kunstfreunden gegen die Kölner selber; nur

mit Hilfe dieser Gesellschaft, die er gegründet
hat, um Interesse und Unterstützung für sein
Museum zu wecken, war es möglich, etwas zu
erreichen. Die von ihm und Walter Cohen vor-
trefflich geleiteten „Jahrbücherder W. R. Ges.",
in vier Bänden vorliegend, geben Rechenschaft
von der Kulturarbeit, die in Köln geleistet wird.
Dem Eingeweihten enthüllt sie unerfreuliche
Kämpfe, die von dem Museumsdirektor und
den Kunstfreunden gegen das beharrende und
entgegenstrebende Element der heilig-unheiligen
Stadt und ihrer Verwaltung auszufechten waren
und leider immer noch sind, um nur das Selbst-
verständliche durchzusetzen. Dies muß man
wissen, um Seckers Verdienst voll zu würdigen,
der immer mit Widerständen und Gehässigkeiten
zu kämpfen hat, wie sie kaum anderswo üblich
sind. Überblickt man die Reihe seiner Erwer-
bungen in den ersten 5 Jahren seiner Kölner
Tätigkeit, so begreift man nicht, warum diese
Feindseligkeiten eigentlich inszeniert werden.
Das Maß des Revolutionären (in der Kunstform I)
ist nirgends höher als es schon vor 15 Jahren
in Hagelstanges Erwerbungen war; man braucht
sich über Juan Gris, Schmidt-Rottluff und Otto
Dix anno 1927 keineswegs so aufzuregen wie
man es 1912 über Kokoschka und Derain sich
erlauben durfte. Aber die Wege der bürger-
lich-orthodoxen Entrüstung sind unerforschlich,
um so mehr, als Secker im Grunde mehr Nach-
druck auf die Ergänzung der früheren Epochen
legt als die der unmittelbaren Gegenwart, als
sein Verdienst um Malerei der Romantik und
des Biedermeier und um die Skulptur, bisher
völlig vernachlässigte Gebiete, unbestritten und
offensichtlich ist für jeden, der Augen hat zu
sehen. Man muß das alles so stark hervorheben,
obwohl es an sich selbstverständlich ist, weil
in Köln der gute Wille zur Anerkennung des
Selbstverständlichen fehlt und der weit ver-
breitete böse Wille sich an Einzelnes klammert,
das uns im Reich ebenso notwendig und gut
erscheint, in Köln aber so ungefähr als Sünde
wider den heiligen Geist betrachtet zu werden
pflegt.

So erklärt sich auch die Tatsache, daß die
meisten und wertvollen Erwerbungen Seckers
nicht etwa aus dem laufenden Etat bestritten
werden konnten (der vielmehr noch 1927 für
Gemälde, man höre, viertausend Mark be-
trägt), sondern von privaten Gönnern. In zwei
Fällen, bei dem Erwerb des frühen Marees

XXXI. Februar 1928. 1
 
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