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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Bildniskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0414
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eduard
arnthal.
»italienerin«
(iAL. FLECHTHEIM

BILDNISKUNST. Es gibt ein großes Epos
der Menschheit, das ihre Schicksale mit
allen Wechselfällen besingt. Es ist nicht in
Worten, sondern in Linien und Farben gedich-
tet, aber aus diesen Linien und Farben kann
man, seltsam gefesselt und erschüttert, alles
ablesen, was sich mit der Menschheit geistig
begeben hat. Dieses Epos ist die Porträtmalerei.
Es schildert nicht die Kämpfe der Helden, den
Aufstieg und Untergang der Staaten; aber es
schildert die innere Geschichte unseres Ge-
schlechts. Es zeigt, wie der Mensch bald groß
und heroisch, bald leidend und genießerisch

in der Welt steht; wie er seine Gedanken zu
Gott erhebt oder sich eng an seine Erde hält;
wie er hohe, alles umgreifende Form entwickelt
oder unkenntlich ins Strömen des Naturlebens
untertaucht; wie Weltfreude und Weltschmerz,
Angst und Glaube, düstere Nächte und helle,
heitere Sonnen über ihn dahingegangen sind.

Sieht man die Porträtkunst so an, dann gewinnt
alles Sprache, was sie aussagt. Die gespann-
tere oder die weichere Linie, die engere oder
losere Bindung der Menschengestalt an die Um-
gebung, die Formenausdeutung — all dies teilt
etwas mit, was uns angeht und bereichert, o. l.
 
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