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Bayer, August von [Ill.]; Fickler, Carl Borromäus Alois [Ill.]
Denkmale der Kunst & Geschichte des Heimathlandes: Die Kirchen auf Reichenau: Pläne, Aufrisse, Ansicht und Karte — [Karlsruhe], 1856-1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.12550#0005
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worden. Mit Hinzurechnung aller dieser Kapellen hatte das Münster zu Ohem's
Zeit siebenzehn Altäre.

Einer besonderen Kapelle müssen wir noch erwähnen, die auf dem Kloster-
friedhofe durch Eberhard von Nellenburg — den Seligen — um 1040 zu Ehren
Märiens und des h. Laurentius erbaut und zur Grablege seines Vaters Eberhard
und der Brüder Burchard und Manegold erwählt und auch von Graf Bcrhtold —
wohl Bcrhtold dem Bärtigen, Herzog von Zähringen ■— für die Seelenruhe seines
Grossvaters, welcher Eberhards Vatersbruder war, bewidmet wurde23). Dieselbe
bestand als Pfründe noch 14C8 und wahrscheinlich wurde zur Unterscheidung von
dieser Kapelle die Klosterkirche als grössere Marienkirche bezeichnet.

Die dritte der Kirchen endlich ist die von Oberzell, zu Ehren des heil.
Georg geweiht und auch Hato's Zell genannt.

Sie ist nach der Ueberlieferung die jüngste der drei Kirchen und wurde
nach Angabo Hermann des Lahmen (888) gegründet; nach Gall Ohcm vergabte
König Arnulf zur Begabung dieser Kirche die Güter Eschingen, Sunthausen,
Auff'cn, Wolterdingen und Bachheim. Allein in den Urkunden über diese Ver-
gällung, gleichviel welche Einwendungen gegen die Accbtheit ihrer Form die
diplomatische Kritik erhoben hat-5), ist von dieser Kirche allüberall keine Kede.

Auch an diesem Baue scheinen gewisse Theile, namentlich die 4 Säulen
der Gruftkirche älter zu sein, als das Zeitalter Hato HL, welcher auch nicht
wohl in dem Jahre seiner Ernennung (888) die ganze Kirche erbauen konnte.

Es wird auch von Gall Obem das ausdrückliche Zeugniss erwähnt, dass
unter Abt Ruadhelm (838—842) der Priester und Scholastcr Buntwit auf Geheiss
der Väter nach Hato's Zelle zu Oberzell verordnet worden sei und daselbst
für den Gebrauch der dortigen Kirche eine Bibel geschrieben habe-0).

Nach dieser Angabe müssto der Name Hato'szell sich auf Ilato I. als ihren
Gründer beziehen.

Vielleicht lassen sich beide Angaben dahin vereinigen, dass eine Zelle zum
h. Georg von Hato I. (806—824) erbaut, deren ursprüngliche Anlage aber —
vielleicht schon unter Hato IL — erweitert, unter Hato III. vollendet und zu
einem Chorherrenstift umgestaltet wurde, dessen Einweihung im Jahre der Er-
nennung Hato's HL geschah.

Wir geben nach diesem Versuche die älteste Geschichte des Klosters und
der kirchlichen Bauten desselben durch geschichtliche Zeugnisse aufzuhellen
noch den Inhalt der bildlichen Darstellungen dieses Heftes.

Taf. I. enthält den Situationsplan der Insel mit ihren Gebäuden (roth),
Ackcrfclden (gelb), Weingärten (braun) und Wiesengründen (grün).

Taf. II eine gedrängte Ansicht der Insel und ihrer Umgebung auf dem
schwäbischen und Schweizer Ufer in der Vogelperspective, nach einem Bilde
vom XVH. Jahrhundert.

Taf. HI. Acussere Ansicht des Eingangs zur Münsterkirche; Grundriss
und Durchschnitt desselben, Durchschnitt des vordem Querbaucs.

Taf. IV. Durchschnitt und Grundriss der beiden Kirchen zu Niederzell
(S. Peter und Paul) und Oberzell (S. Georg).

Anmerkungen.

') Fickler. Die Donauquellen etc. Carlsruhe 1840. Nicolay Beiträge zur Ge-
schichte der Insel Reichenau etc. Constanz 1843.

2) Generalbericht der Dircction des badischen Alterthumsvereins 1858, S. 51,
und gleichzeitige Aufsäze in der Carlsruher und Badischen Landeszeitung.

3) A. Morlol Allg. Bemerkung über die Alterthumskunde. Bern 1859.

*) An eine Erbauung durch oder zu Ehren des Constantius Cldorus lässt sieh
nicht denken, da die Gegend zu dem Theilungsobjecte des Maximian und Maxentius
gehörte. Julian kam auf seinem Marsche von Gallien nach Italien und Pannonicn,
361, in diese Gegend; aber schwerlich nannte er ein Castell, wenn er damals eines
erbaute, nach dem Namen des Kaisers, gegen den er sich empörte. Valentinian I.
aber, suchte den Rhein von seinen Quellen bis zu seinen Mündungen durch Castelle
auf beiden Ufern zu schüzen und wohl konnte eines derselben von dem 375 zu Robur

— Basel — weilenden Kaiser zu Ehren seiner eben vor den Qtiadcn geretteten
Schwiegertochter Constantia, der Tochter des Constantius, mit Schicklichkeit genannt
werden. Vg. Pauli Real Enc. s. v. Valentiniani.

■">) Schönhut, Reichenau S. XXV—XXVII. Späth. Constanzer Chronik.
Schönhulh S. 219.

,;) Es wird wohl kaum mehr möglich sein, in das Dunkel, welches über dieser
Gründung schwebt, das Licht geschichtlicher Klarheit zu bringen. Zwei bis drei,
von der Zeit der Gründung um etwa dritthalb- bis fünfthalbhundert Jahre entfernt
lebende Zeugen behandeln dieselbe. Der eine ist der Verfasser der altem Lebens-
beschreibung des hl. Pirmin (nach Moni, Quellens. I. 29, ein Mönch zu Reichenau
in der Mitte des IX. Jahrhunderts). Nach diesem ist Sintlas, ein vornehmer Ale-
manne, welcher bei dem Besuche fränkischer Klosterstiftungcn Pirmin beredet, im
Constanzer Bisthum zu predigen und als dieser die Unzuständigkeit eines solchen
Eingriffes in die Rechte eines fremden Sprengeis hervorhebt, ihn beredet, durch ge-
meinschaftliche Bitten von Papst und König die nöthige Erlaubniss zu erhalten, der
hemach von seinem Gute die von ihm benannte Au abtritt. — Nach der Vita S.
Meginradi, deren Abfassung dem Reichenauischen Abte Bcrno (um 1030) zugeschrie-
ben wird, hatte die Insel ihren Namen von einem Priester, Namens Sindloch, welchem
auch die erste mönchische Niederlassung zuzuschreiben wäre, freilich werden als
dessen Lebzeiten die Regierungsjahre König Pipins bezeichnet (v. Slälin W. G. I
181 Anm. 1). Hermann der Lahme endlich (zu Ende des IX. Jahrh.) weiss von
Sindlah's Schenkung Nichts, sondern die schwäbischen Herzoge Berhtold und Nebi
bitten für Pirmin bei Karl Martel und dieser räumt dem Pirmin und seinen Mönchen

— nach den freilich erst im XII. oder XIII. Jahrh. aber oft wohl nach ächter Tradi-
tion zusammen getragenen literae fundationis — die Insel ein und vergabt dem
Kloster von seinem Allod (?Königsgut) die Orte auf dem schwäbischen und schwei-
zerischen Ufer, der Insel gegenüber. Wohl zu bemerken ist allerdings der von
Eeichtlen hervorgehobene Umstand, dass weder Hermann der Lahme, noch das im
IX. Jahrh. begonnene Seclbuch des Klosters eines Sintlas gedenke.

7) Vg. Mone a. a. 0. Freilich dürfen bei der Erwägung dieses Sachverhält-
nisses die Verhältnisse der Gegend überhaupt nicht vergessen werden, die bis zum
Jahr 536 feststehende Abhängigkeit von den Ostgothen, nach deren Auflösung erst
die Verpflanzung des Bischofssizes nach Constanz eine kirchliche Begründung der poli-
tischen Eroberung bezeichnete,— ferner die wahrscheinlichen Versuche der Longobarden
ihr Reich auf die ursprünglichen Grenzen des Ostgothischcn auszudehnen, der
kirchliche Kampf zwischen arianischen und katholischen Anschauungen, der auch aus
der Anrede des Papstes an Pirmin (vita S. Pirminii c. 5) zu errathen ist und bis
in das VIII. Jahrhundert von Oberitalien und Burgund her sich fortspann. Vg.
meine Quellen und Forschungen S. XVII ff.

8) Wohl ein Bruder Thiotbalts und von Karl Martel dem leztern wegen der
Unbotmässigkeit desselben substituirt.

B) Gall Ohem bei Schönhulh S. 11. Walafried Strabo dagegen lobt den Abt.
I0) Schönhulh S. 14—15 nach Gall Ohem und den altern Quellen.
") Pater Bucelin um 1650.

,2) Zu diesen gehörte wahrscheinlich Karls des Dicken Günstling Liutward,
der Bischof von Vercelli, sicher sein Bruder, welcher dankend anerkennt, dass er
von seiner frühesten Jugend an zu Reichenau seine Erziehung genossen habe. Vg.
meine Quellen und Forschungen S. 7.

13) Dümge Reg. Bad. S. 76. Meine Quellen u. Forschungen Urk. III. S. 9. insbes. Anm.

") Hermann Contr. a. a. 799 bei Schönhulh S. 23.

,5) Hermann Contr. a. a. 816 bei Schönhulh S. 33.

1S) Schönhulh S. XIX.

") Reichenau S. XXIV. Die Pelagienkirche ist es vielleicht, die in der Nähe
des Marktplazes bei den Reichenauer Kirchenfesten, wo das Wirthshaus zum Lamm
war, gestanden hat.

,8) Ebendaselbst S. XXI.

10) Ebendaselbst S. 110.

2Ü) Ebendaselbst S. 93.

21) Schönhulh S. 252. Auf die neue Weihe der durch den hohen Chor erwei-
terten Kirche bezieht sich wohl die Nachrieht, dass Johann Pfuser die grössere
Marienkirche, die er renovirte, habe einweihen lassen, 1477. Schönhulh S. 271.

22) Ebendaselbst S. 239. 240.

23) S. Fickler, Quellen und Forschungen S. 17.

24) Vg. Schönhulh S. 266 und die Anm. 1.

25) Dümge, Regg. Badens. S. 80. Das in der Urkunde erwähnte Eschingen
ist Donaueschingen, Uffheim ist Auffen, Simtheim = Sunthausen, alle 4 langjähriger
Reichenauer Besiz, also wohl von einer verloren gegangenen ächten Urkunde in eine
nachgemachte übertragen.

2S) Schönhulh S. 48.

Druck von Christian Theodor Groos in Karlsruhe.
 
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