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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

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Wessely, Joseph Eduard: Hans Holbein: geb. in Augsburg 1497, gest. in London 1543
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https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0329
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SEINE TODESBIEDER.

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In die Zeit vor Holbein's Kunslthätigkeit fallen — soweit allein unsere heutige
Kenntniss reicht — bereits zehn, theilweise damals in weiten Kreisen bekannte
Wandmalereien dieser Gattung. Auch der Holzschnitt kannte schon ähnliche
Werke. Den älteslen (bekannten) in Klein-Basel ausgeführten Todtentanz wird
Holbein kaum haben sehen können, da er in einem NonnenkloRer gemalt war,
dafür war ihm der Grossbaseler, ein Wahrzeichen der Stadt, sehr wohl bekannt,
wie er auch den von Nie. Manuel (Deutseh) in Bern um 1313 gemalten gekannt
haben konnte. Holbein sand also die Idee vor; als echter Meister aber componirt
er zu dem alten Thema Variationen, die sein Werk zu einem originellen und zu
seinem eigenslen Eigenthume Rempeln. Er hält zwar noch an der Vorgefundenen
Scheidung der Stände fest, aber innerhalb dieser Umrahmung geht er reforma-
torisch vor, indem er die einzelnen Momente dramatisch behandelt und zu diesem
Zwecke neben den beiden Hauptpersonen auch Nebenfiguren anbringt. Jede
Composition ist ein abgeschlossenes Ganzes, in Idee und Form selbsländig ab-
gerundet, aber alle die einzelnen Momente wie die einzelnen Scenen eines Drama
auch wieder zu einem grossen Ganzen verbunden, eingeleitet durch die Sünde
im Paradiese und den beginnenden Triumphzug aus dem Beinhause und beschlossen
mit dem Wappen des Todes, des gewaltigen Zwingherrn der Sterblichen. Der
KünsHer weicht auch vom Baseler Todtentanze darin ab, dass er dem Tode nicht
die tanzende Bewegung gibt, sondern diesen angemessen seiner augenblicklichen
Mishon hch bewegen lässt, wesshalb man nur uneigentlich von Holbein's Todten-
tanz reden kann, wie ja auch die erste Ausgabe dieses Werkes den Titel
"Imagines mortis«, Bilder des Todes, führt. In diesen Bildern des Todes lässt
aber der Künsller, so traurig und niederschmetternd auch der Grundgedanke isl,
trotzdem Humor und Satire spielen. Der Geist der Reformation beeinslusst
denselben, und gleich das ersle Blatt, das den Papsf auf dem Schauplatz einführt,
zeigt deutliche Spuren davon; eine Sirenengestalt hält den päpstlichen Thron,
hinter welchem ein Teufel auf die Seele des Hohenpriesfers lauert. Ueberhaupt
verleiht der Künsller den hohen Persönlichkeiten seines Drama's Züge hislorisch
bekannter Männer; in dem Kaiser, der sein Haus wohl bestellt hatte, isl unsehwer
Maximilian zu erkennen, wie der König unverkennbar als Franz I. von Frankreich
dargestellt ist. Dem Letzteren giesst der Tod als Mundschenk den Becher zum
Abschiedstrunk voll. Der Cardinal übergibt dem Boten eine Bulle zur Beslellung,
der Tod reisst ihm aber in derselben Stunde den Hut herunter. Die Kaiserin
überrascht er als altes Weib in ihrem slolzen Einherwandeln im Kreise der Hof-
damen; vor denFüssen derErschrockenen gähnt das offene Grab, das sie gegen
die prachtvolle Psalz im Hintergründe vertauschen muss. Die Königin reisst er
in Narrentracht mit Gewalt mit sleh fort, der Hofmann wehrt vergebens seiner
Macht, das Geschrei der Hofdame macht keinen Eindruck auf ihn. Willig da-
gegen lässt sleh der Bischof von der Heerde hinwegführen, oder sollte die gebückte
Geslalt desselben aus einigem ohnmächtigen Widerstand resültiren? Den unge-
rechten Herzog ladet er in dem Augenblick vor das Gottesgericht, in dem er
die Klagen der armen Wittwe missmuthig von sich weisl. Der feilte Abt sucht
vergebens den fürchterlichen Tod mit der Bibel, mit welcher er so manchen
Teufel im Exorcismus vertrieben^ zu haben glaubte, zu bedrohen; Mitra und
 
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