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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Duccio: geb. vor 1270, gest. nach 1320
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0134
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DUCCIO.

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inniger Sorgfalt vom Kreuze herabgelangt wird. Kaum minder fchmerzbewegt
erfcheint Maria Magdalena, die mit gewandbedeckten Händen — ein cere-
moniöfes Motiv, das hch bei Duccio in Anlehnung an die ältere byzantinifche
Kunft immer wieder findet — den Arm des verdorbenen Freundes an ihr gram-
erfülltes Antlitz drückt. Auch die übrigen Gefährtinnen der Maria fcheinen ganz
durchdrungen von dem tragifchen Gehalt des Moments. Diefes Bild gehört wohl
zu den gemüthvollften der ganzen Reihe. Man fleht fogleich, dafs es hier ein
Gefühl ift, in dem hch alle Trauernden vereinigen, dafs he durch die ihnen allen
gemeinfame Liebe zu dem Verfchiedenen auch zu einander in einem herzlichen
Verhältniffe flehen. Die Poehe des Schmerzes ift hier in ihrer ganzen Tiefe
erfafst.
Daffelbe gilt von der ))Grablegung«, bei welcher der Schmerz der Frauen
aber einen leidenschaftlicheren Charakter zeigt, wenn derlelbe auch nicht bis zu
jenem Grade der Verzweiflung gefteigert erfcheint, welchen wir an GiottoL ))Pietä«
in der Arena-Capelle wahrnahmen. Immerhin aber erinnert uns Duccio's Grab-
legung mehr als die meiften feiner anderen Bilder daran, dafs er und Giotto
einer Zeit angehörten. Ich habe hier befbnders die Figur der Maria Magdalena
im Sinne, welche die Arme hoch erhoben hat und mit dem Ausdruck bitterften
Wehes auf den Leichnam herabblickt, der von den Freunden liebevoll gebettet
wird. Aber auch der heftige Seelenfchmerz, mit welchem die Mutter Maria ihr
Antlitz an das Haupt des Sohnes drückt, erinnert an GiottoL Darftellungsweife,
ohne dafs damit gefagt fein fbll, dafs Duccio hier bei dem grofsen Florentiner
Meifter eine Anleihe gemacht.
Während bei der ^Höllenfahrt Chrifti« die Sehnfucht der feiner Harrenden
zwar auch als lebendig durchgeführtes ktinftlerifches Motiv uns feffelt, noch mehr
aber das Strenge Feflhalten der Tradition in der Gefammtanordnung — alfb ein
ikonographifches Moment — unfer Intereffe in Anfpruch nimmt, gewährt die Be-
trachtung der Tafel, welche uns die Raunenden Frauen am leeren Grabe vorführt,
einen hohen unmittelbar äfthetifchen Genuis. Wie edel find die drei Frauen
gedacht! Es ift etwas von antiker Würde in ihnen, wie he — die Salbgefäfse in
den gewandbedeckten Händen — fo plötzlich ihren Schritt hemmen beim An-
blick des Engels, der mit anmuthiger Geberde auf das leere Grab weift. Auch
hier ift die Art, wie der Engel auf dem Deckel des Grabes fitzt, byzantinifchen
Muttern nachgeahmt; die in ihrer Schlichtheit überaus fchöne Anordnung des
Bildes aber, fbwie vor Allem der milde poetifche Geift, der das Ganze durch-
dringt, ift auf Rechnung des Künftlers zu fchreiben.
Gegen Schlufs der Bilderreihe hat die Perfbnenzahl allmählich abgenommen.
Waren in den Pafhonsbildern — bis zur Kreuzigung, diefe miteingerechnet -
meift grofse Volksmaffen in Bewegung gefetzt, fo zählt die Kreuzabnahme nur
noch zehn, die Grablegung neun, die xFrauen am Grabe« vier, das darauf folgende
))Noli me tangere« nur zwei und das letzte Bild „Chriftus und die Jünger vor
Emmaus« drei Perfbnen.
Diefe freilich grofsentheils fchon durch die darzuftellenden Gegenftände be-
dingte Vereinfachung der Compofitionen, verbunden mit den milderen Affecten
der drei letzten Bilder, übt eine angenehme Wirkung auf den Befchauer. Es ift
wie ein allmähliches Ausklingen der mächtigen erfchütternden Töne, die früher an
unfer Ohr drangen. Der Sturm hat fleh gelegt, es ift wieder ftill geworden.
 
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