AUFENTHALT IN AUGSBURG.
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Akademie zu Venedig eine Feierlichkeit und Würde, die den Asceten ins Helden-
hafte umwandelt. An diefe der Zeit nach 1550 angehörigen Einzelfiguren fchlielsen
hch nun als letzte Compohtionen religiöfen Inhalts nochmals eine Anzahl von
Werken hohen Stiles an: zunächft das »Martyrium des hl. Laurentius«,, welches
um 1558 für die Kirche del Gelu in Venedig gemalt wurde. Mit einer Grofs-
artigkeit des Figurenbaues und der Anordnung, welche hch wie eine Huldigung
an die Genien Michelangelo^ und RaffaeFs ausnimmt, verbindet Tizian hier die
packende Wirkung des Nachthückes. Ebenbürtig heht dielem ergreifenden Drama,
welches dem Virtuolen der Auto-da-feN, König Philipp dem II., der es hch
wiederholen liels, ein warnendes Schreckbild hätte werden müffen, die heroifche
Elegie der »Dornenkrönung« zur Seite, welche das Louvre und in etwas anderer
Faffung die Münchener Pinakothek behtzt. Die tiefe Ergebung des Greifes endlich
fpricht aus dem gleich erhaben wie rührend aufgefafsten Bilde der »Grablegung
Chrihi«, das ganz abweichend von dem weiland mantuanilchen Prachthück der
Pariler Galerie in mehreren unter einander verfchiedenen Ausführungen und Copien
vorhanden ift.
Im 85. Lebensjahre noch meldet Tizian feinem Gönner Philipp von Spanien,
dafs er unermüdet an den Aufträgen arbeite, die er von ihm empfangen und für die
er so fchlechte Belohnung erhielt, dafs er immer und immer wieder in zunehmend
demüthigeremTone den König an leine Zulagen mahnen mulste. Im Jahre 1564
lieferte er das koloffale Bild des »Letzten Abendmahles« ab, welches noch heute
im Escurial hängt. Lälst das erhaunliche Werk auch erkennen, dafs dem Meifter
theilweis die Cena Lionardo's vorgefchwebt hat, fo ift es doch durchaus mit feinem
eigenen Geifte erfüllt und von einer Schönheit des Colorits, in welcher er nur hch
felber nachahmen konnte.
Nicht minder bewährte hch die unverhechbare Kraft feiner Hand und feiner
Phantahe an profanen Darhellungen. Denn wenn auch die Sicherheit der
Zeichnung in dielen Ipätehen Arbeiten nachlälst, fb wulste ihnen der Meifter
einen Vortrag zu geben, welcher die Schwäche verhüllt. Diele Bemerkung drängt
hch angehchts der offenbar als Seitenftücke componirten beiden Bilder »Diana und
Aktäon« und »Diana mit Kalifto« auf, welche urlprünglich für Spanien gemalt,
jetzt der Sammlung Ellesmere in London angehören, hgurenreiche Gruppen von
klaihlcher Schönheit der Anordnung. Er übertraf aber diele Leihungen noch in
dem grofsen Bilde des Louvre, welches irriger Weife als »Venus von Pardo«
bezeichnet, vielmehr das Abenteuer Jupiters mit Antiope zum Gegenstände hat.
Wir haben es hier mit einem im grofsen Stil behandelten Pahoralhück zu thun,
deffen Haupthguren, vor allen die fchöne fchlummernde Nymphe, den Wunder-
gebilden der Epoche getroh an die Seite gehellt werden können, in welcher die
edelhen Venusgehalten TizianN entstanden waren. »Prächtig in ihren Con-
trahen, hnd die Töne des Bildes an hch lebhaft und lonor, Fleifch und Stoff,
weiblicher Reiz und männlicher Nerv individuell und mannigfaltig behandelt, Licht
und Dämmer fchlechthin meiherlich über die Figuren und die zauberilch an-
muthige Landfchaft ergoffen.«
Einige Jahre zuvor hatte Tizian noch einmal für leine Heimathhadt eines
jener monumentalen Ceremonienbilder zu malen, welches jeder Doge von Venedig
zum Gedächtnifs seines Regiments dem Staate zu hinterlaffen und der jeweilige
Inhaber der »Sanseria« zu liefern verpflichtet war. Aber nicht der Verherrlichung
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Akademie zu Venedig eine Feierlichkeit und Würde, die den Asceten ins Helden-
hafte umwandelt. An diefe der Zeit nach 1550 angehörigen Einzelfiguren fchlielsen
hch nun als letzte Compohtionen religiöfen Inhalts nochmals eine Anzahl von
Werken hohen Stiles an: zunächft das »Martyrium des hl. Laurentius«,, welches
um 1558 für die Kirche del Gelu in Venedig gemalt wurde. Mit einer Grofs-
artigkeit des Figurenbaues und der Anordnung, welche hch wie eine Huldigung
an die Genien Michelangelo^ und RaffaeFs ausnimmt, verbindet Tizian hier die
packende Wirkung des Nachthückes. Ebenbürtig heht dielem ergreifenden Drama,
welches dem Virtuolen der Auto-da-feN, König Philipp dem II., der es hch
wiederholen liels, ein warnendes Schreckbild hätte werden müffen, die heroifche
Elegie der »Dornenkrönung« zur Seite, welche das Louvre und in etwas anderer
Faffung die Münchener Pinakothek behtzt. Die tiefe Ergebung des Greifes endlich
fpricht aus dem gleich erhaben wie rührend aufgefafsten Bilde der »Grablegung
Chrihi«, das ganz abweichend von dem weiland mantuanilchen Prachthück der
Pariler Galerie in mehreren unter einander verfchiedenen Ausführungen und Copien
vorhanden ift.
Im 85. Lebensjahre noch meldet Tizian feinem Gönner Philipp von Spanien,
dafs er unermüdet an den Aufträgen arbeite, die er von ihm empfangen und für die
er so fchlechte Belohnung erhielt, dafs er immer und immer wieder in zunehmend
demüthigeremTone den König an leine Zulagen mahnen mulste. Im Jahre 1564
lieferte er das koloffale Bild des »Letzten Abendmahles« ab, welches noch heute
im Escurial hängt. Lälst das erhaunliche Werk auch erkennen, dafs dem Meifter
theilweis die Cena Lionardo's vorgefchwebt hat, fo ift es doch durchaus mit feinem
eigenen Geifte erfüllt und von einer Schönheit des Colorits, in welcher er nur hch
felber nachahmen konnte.
Nicht minder bewährte hch die unverhechbare Kraft feiner Hand und feiner
Phantahe an profanen Darhellungen. Denn wenn auch die Sicherheit der
Zeichnung in dielen Ipätehen Arbeiten nachlälst, fb wulste ihnen der Meifter
einen Vortrag zu geben, welcher die Schwäche verhüllt. Diele Bemerkung drängt
hch angehchts der offenbar als Seitenftücke componirten beiden Bilder »Diana und
Aktäon« und »Diana mit Kalifto« auf, welche urlprünglich für Spanien gemalt,
jetzt der Sammlung Ellesmere in London angehören, hgurenreiche Gruppen von
klaihlcher Schönheit der Anordnung. Er übertraf aber diele Leihungen noch in
dem grofsen Bilde des Louvre, welches irriger Weife als »Venus von Pardo«
bezeichnet, vielmehr das Abenteuer Jupiters mit Antiope zum Gegenstände hat.
Wir haben es hier mit einem im grofsen Stil behandelten Pahoralhück zu thun,
deffen Haupthguren, vor allen die fchöne fchlummernde Nymphe, den Wunder-
gebilden der Epoche getroh an die Seite gehellt werden können, in welcher die
edelhen Venusgehalten TizianN entstanden waren. »Prächtig in ihren Con-
trahen, hnd die Töne des Bildes an hch lebhaft und lonor, Fleifch und Stoff,
weiblicher Reiz und männlicher Nerv individuell und mannigfaltig behandelt, Licht
und Dämmer fchlechthin meiherlich über die Figuren und die zauberilch an-
muthige Landfchaft ergoffen.«
Einige Jahre zuvor hatte Tizian noch einmal für leine Heimathhadt eines
jener monumentalen Ceremonienbilder zu malen, welches jeder Doge von Venedig
zum Gedächtnifs seines Regiments dem Staate zu hinterlaffen und der jeweilige
Inhaber der »Sanseria« zu liefern verpflichtet war. Aber nicht der Verherrlichung
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