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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,3): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1879

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Janitschek, Hubert: Paolo Caliari, gen. Veronese: geb. in Verona 1528, gest. ebenda 1588
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https://doi.org/10.11588/diglit.36093#0375

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DIE GASTMAHLER.

5i

demie an vollendeter Compohtion Sowohl, wie an Schönheit — oder mindeftens
guter Erhaltung des Colorits — felbft dem grolsen Gaftmahl im Louvre voraus-
gehe. Die Raumdilpohtion ift edler und einfacher, die Figurenzahl beschränk-
ter, die Bildung der Gruppen deshalb gefälliger, das Ganze überhchtlicher und
von ftrengerem Zulammenhalt.
Eine Langtafel läuft unter einer offenen Säulenhalle hin, zu der zwei Frei-
treppen hinanführen; nach rückwärts gewähren die Hallen den Ausblick auf eine
reiche, Schöne Palaftarchitektur. Die Bildung der Gruppen wird durch die Säulen
der Halle zum Theile vermittelt, zum Theile ausdrucksvoller gemacht; doch
herrfcht keine Zersplitterung; die Bewegungslinie mindeflens führt von Chriftus
ab und zu Chriftus hin. Die Theilnehmer am Gaftmahl erscheinen zumeift in der
Tracht der Zeit, die zeitgenöfhlchen Accefforien mangeln gleichfalls nicht; es
geht überhaupt nichts über die Stimmung heiteren, behaglichen Exiftenzgenuffes
hinaus, in die ein Feftmahl edle, geiftig gefunde Menlchen verletzt; in Chriftus
aber ift die Würde der Persönlichkeit gewahrt. An geiftigem Adel Scheint mir
dieler Chriftuskopf noch höher zu Stehen als jener vielgerühmte in Bellinfs Gaft-
mahl zu Emaus.
Unmittelbar nach Vollendung dieles Werkes muls Paolo nach Vicenza ge-
gangen fein, wenn anders die Jahreszahl 1572, welche das Gaftmahl im Refec-
torium des Klofters der Madonna von Monte Berico trägt, keine Fällchung oder
falfch gelefene Auffrifchung der umfaffenden Reftauration ift, welche dies Werk
nach den Verletzungen von 1848 erfahren hat. Doch Spricht für die Richtig-
keit der Bezeichnung nicht blos dies, dals die Compohtion des Gaftmahls der
Akademie in einer nur etwas concileren Form wiederkehrt, Sondern dafs auch
Gruppen und Typen jener Compohtion hier in der Genauigkeit der Copie wieder
erfcheinen. Das ift üm lo bedeutsamer, als hier ein ganz anderer Stoff als dort
behandelt wird, nämlich das Gaftmahl, das Gregor der Grolse den Armen giebt,
wobei Chriftus als Gaft ericheint. Die Armen Suchen wir allerdings vergebens,
es find zumeift Männer in Prunkgewandung, welche der Mahlzeit beiwohnen.
Einzelne zu Stark genrehafte Motive möchte man gerne miffen; lo z. B. wenn
einer der Gälte mit einem grofsen Augenglas die Geftalt Chrifti muftert. Von
der urlprünglichen Farbe darf wohl kaum mehr gelprochen werden.
Vielleicht machte die Stark genrehafte Haltung des Gaftmahl des h. Gregor
von lieh Sprechen; kurz die Dominikaner von S. Giovanni e Paolo fanden es
plötzlich heraus, dals das Gaftmahl, das Paolo in ihrem Refectorium gemalt, allzu
weltlich lei, und der Künftler hatte lieh dielerhalb am 18. Juli 1573 vor dem
Tribunal der InquiStion zu verantworten.
Das Tribunal hielt ihm vor Allem vor, dals der Gläubige an den ))Narren,
betrunkenen Deutlichen, Zwergen und andern Albernheiten^ gegründetes Aergernifs
nehmen müffe, desgleichen daran, dals die Magdalena fehle. Paolo meint Schüch-
tern, Maler hätten doch gleich Dichtern und Narren die Freiheit, den vom eigent-
lichen Hergang nicht occupirten Raum mit Gestalten eigener Erfindung aus-
zufüllen. Daraufhin bedeutet man ihm, dafs er durch Solches Thun in den
Verdacht kommen müffe, die Gebräuche der katholilchen Kirche verlpotten und
herabfetzen zu wollen, wie dies jetzt in Deutlchland und in anderen, von der
Ketzerei heimgefuchten Ländern der Fall fei. Paolo wehrt lieh gegen lolche Zu-
muthung und beruft lieh auf Michel Angelo, der lieh im jtingften Gerichte in der
 
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