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PAOLO VERONESE.
tcurs. Die drei Mittelftücke Wellen dar: eine thronende Venezia, bei ihr die
Gerechtigkeit und der Friede; Fides, Mars und Neptun, als Repräfentanten der
Macht der Republik. Die acht umlaufenden Bilder repräfentiren in acht fchönen
Frauengeftalten: die Treue, das Glück, die Milde, die Wachfamkeit, die Mäßi-
gung, die Vergeltung, die Philofophie, die Einfalt. Hier wie anderswo in Alle-
gorien kam es Paolo keineswegs darauf an, mit viel Klügelei den abftracten Be-
griff zu erfchöpfender Deutung zu bringen; die Schönheit der Form und der
malerifche Reiz bleiben ihm erfter und letzter Zweck. 'Edel fchöne Frauen malt
er, und wenn er der einen ein Lamm an die Seite giebt, io muß dies genügen,
he als Sanftmuth zu charakterihren; eine andere mit einem Spinnengewebe hat
uns die Dialektik resp. die Philofophie, eine dritte, die in ihrem Schooß Mitren,
Kronen u. dgl. birgt, die Vergeltung zu bedeuten u. ll w. Am Klarften kommt der
abftracte Begriff in der Fides zur Erfcheinung, doch auch hier ganz in concretes
Leben umgefetzt. Ein ftarker Zug nach oben hebt gleichßm die ganze Geftalt empor;
himmlifcher Enthuhasmus verklärt das Antlitz: das ift der Glaube, der aus der
Irrnils der Erde empor zur Höhe leitet. Und ift jene thronende Venezia, bei
der gleichfam jede Linie melodifches Leben athmet, etwas anderes als eine thro-
nende Fürftin dieier Erde? — Der Schönheitshnn Paoloß feiert hier überall die
reinften Triumphe; wie in jedem großen Kunftwerke ift die Brücke von der
Wirklichkeit zum Ideal geichlagen; das Himmlifche hat irdilche Form ange-
nommen, das Irdilche wandelt unter uns, aber in himmlifcher Verklärung-.
UnterdelTen hatte man auch mit der malerilchen Ausfchmückung der Sala del
Maggior Conhglio begonnen. Jacopo Soranzo, Francesco Bernardi, Jacopo Marcello
und Jacopo Contarini bildeten die Aufhchts-Behörde der Arbeiten im Dogenpalaft.
Der Kamaldulenlermönch und Hiftoriograph Girolamo Bardi war beauftragt, die
Stoffe zu beftimmen, welche in den einzelnen Gemälden behandelt werden tollten.
Von Paolo find in dielem Saale drei Deckenbilder und ein Wandbild. Die
Deckenbilder Wellen dar: Smyrnaß Eroberung (1471), Skutariß Verteidigung
1474) und die Apotheofe der Venezia, das Wandbild: des Dogen Andrea Con-
tarini Rückkehr vom Siege bei Chioggia (1380).
In den beiden Gemälden »Skutariß Verteidigung«: und ^Smyrnaß Eroberung«
giebt Paolo keineswegs Schlachtenbilder; mit feinem künftlerifchen Takt wählt er
eine Epilode, die Weh künftlerilch bequem bewältigen läßt, als eigentlichen Gegen-
wand der Dartlellung, und drängt das allgemeine Ereigniis in den Hintergrund,
demlelben nur eine Stellung als Commentar des künftlerifchen Haupthergangs
beiaffend. So bildet den eigentlichen Gegenftand der Darftellung in ^Skutariß
Verteidigung« eine Gruppe Gefangener und Schutzflehender, darunter als Haupt-
perfon ein herrlich fchönes Weib in orientalilcher Gewandung — und in ))Smyrnaß
Eroberung« nur ein kleiner Trupp von Kriegern, der die Waffen gegen die im
Hintergrund gelegene Stadt richtet.
Bei tolcher Auffaffung und GeWaltung des Stoffes konnte dann Paolo allen
Adel der CompoWtion und der Formengebung, der ihm eigen, und alle ausge-
glichene Harmonie, allen Schmelz und allen Glanz der Farbe ungehindert ent-
falten.
In der ^Apotheofe der Venezia« fchafft er die letzte und höchfte monu-
mentale Verherrlichung des Venezianifchen Staates; der Stolz des venezianilchen
Bürgers eifert den Künftler zur höchften Kraftentfaltung an. Man könnte lagen,
PAOLO VERONESE.
tcurs. Die drei Mittelftücke Wellen dar: eine thronende Venezia, bei ihr die
Gerechtigkeit und der Friede; Fides, Mars und Neptun, als Repräfentanten der
Macht der Republik. Die acht umlaufenden Bilder repräfentiren in acht fchönen
Frauengeftalten: die Treue, das Glück, die Milde, die Wachfamkeit, die Mäßi-
gung, die Vergeltung, die Philofophie, die Einfalt. Hier wie anderswo in Alle-
gorien kam es Paolo keineswegs darauf an, mit viel Klügelei den abftracten Be-
griff zu erfchöpfender Deutung zu bringen; die Schönheit der Form und der
malerifche Reiz bleiben ihm erfter und letzter Zweck. 'Edel fchöne Frauen malt
er, und wenn er der einen ein Lamm an die Seite giebt, io muß dies genügen,
he als Sanftmuth zu charakterihren; eine andere mit einem Spinnengewebe hat
uns die Dialektik resp. die Philofophie, eine dritte, die in ihrem Schooß Mitren,
Kronen u. dgl. birgt, die Vergeltung zu bedeuten u. ll w. Am Klarften kommt der
abftracte Begriff in der Fides zur Erfcheinung, doch auch hier ganz in concretes
Leben umgefetzt. Ein ftarker Zug nach oben hebt gleichßm die ganze Geftalt empor;
himmlifcher Enthuhasmus verklärt das Antlitz: das ift der Glaube, der aus der
Irrnils der Erde empor zur Höhe leitet. Und ift jene thronende Venezia, bei
der gleichfam jede Linie melodifches Leben athmet, etwas anderes als eine thro-
nende Fürftin dieier Erde? — Der Schönheitshnn Paoloß feiert hier überall die
reinften Triumphe; wie in jedem großen Kunftwerke ift die Brücke von der
Wirklichkeit zum Ideal geichlagen; das Himmlifche hat irdilche Form ange-
nommen, das Irdilche wandelt unter uns, aber in himmlifcher Verklärung-.
UnterdelTen hatte man auch mit der malerilchen Ausfchmückung der Sala del
Maggior Conhglio begonnen. Jacopo Soranzo, Francesco Bernardi, Jacopo Marcello
und Jacopo Contarini bildeten die Aufhchts-Behörde der Arbeiten im Dogenpalaft.
Der Kamaldulenlermönch und Hiftoriograph Girolamo Bardi war beauftragt, die
Stoffe zu beftimmen, welche in den einzelnen Gemälden behandelt werden tollten.
Von Paolo find in dielem Saale drei Deckenbilder und ein Wandbild. Die
Deckenbilder Wellen dar: Smyrnaß Eroberung (1471), Skutariß Verteidigung
1474) und die Apotheofe der Venezia, das Wandbild: des Dogen Andrea Con-
tarini Rückkehr vom Siege bei Chioggia (1380).
In den beiden Gemälden »Skutariß Verteidigung«: und ^Smyrnaß Eroberung«
giebt Paolo keineswegs Schlachtenbilder; mit feinem künftlerifchen Takt wählt er
eine Epilode, die Weh künftlerilch bequem bewältigen läßt, als eigentlichen Gegen-
wand der Dartlellung, und drängt das allgemeine Ereigniis in den Hintergrund,
demlelben nur eine Stellung als Commentar des künftlerifchen Haupthergangs
beiaffend. So bildet den eigentlichen Gegenftand der Darftellung in ^Skutariß
Verteidigung« eine Gruppe Gefangener und Schutzflehender, darunter als Haupt-
perfon ein herrlich fchönes Weib in orientalilcher Gewandung — und in ))Smyrnaß
Eroberung« nur ein kleiner Trupp von Kriegern, der die Waffen gegen die im
Hintergrund gelegene Stadt richtet.
Bei tolcher Auffaffung und GeWaltung des Stoffes konnte dann Paolo allen
Adel der CompoWtion und der Formengebung, der ihm eigen, und alle ausge-
glichene Harmonie, allen Schmelz und allen Glanz der Farbe ungehindert ent-
falten.
In der ^Apotheofe der Venezia« fchafft er die letzte und höchfte monu-
mentale Verherrlichung des Venezianifchen Staates; der Stolz des venezianilchen
Bürgers eifert den Künftler zur höchften Kraftentfaltung an. Man könnte lagen,