LEHR- UND WANDERJAHRE.
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Nach folcher Wanderung kehrte der junge Künftler mit reichen Studien-
früchten ausgeftattet in die Vaterftadt zurück; am 2ß. März 1578 heilte er das
Anfüchen in die Compagnia de' Pittori von Bologna aufgenommen zu werden.
Unterdeffen hatten auch feine Verwandten Agoftino und Annibale ähnliche
Wege eingefchlagen. Agoftino hatte die erfte Lehrzeit in der Werkftätte von
Lodovico's Lehrer Prospero Fontana zugebracht; von da trat er in das Atelier
des Bart. Pafferotti und endlich unterordnete er lieh der Leitung des Domenico
Tibaldi, der als Architekt feinem Vater Pellegrino zur Seite ftand, daneben aber
als Kupferftecher grofsen Ruf genofs. Wo Annibale feine erfte Lehre empfing;
ift unbekannt; möglich, dafs er bis zur Rückkehr des Lodovico nach Bologna in
der Werkftätte von deffen unbegabtem Bruder Paolo arbeitete. Sobald aber
Lodovico in Bologna fich fefshaft gemacht hatte, nahm diefer den Annibale, deffen
bedeutendes künftlerifches Talent er fchnell wahrgenommen hatte, in fein Haus.
Annibale und Agoftino waren zwei durchaus verfchieden geartete Naturen.
Das Künftlerblut Aofs durch die Adern Agoftino's nicht fo rafch und feurig wie
durch die Annibale's — Agoftino war mehr Gelehrter; er grübelte gern und viel
über die Mittel und Ziele der Kunft und verlor darüber, wie es in folchem Falle
zu gefchehen pflegt, die Fähigkeit, rafch zuzugreifen. Kam er auf diefe
Weife fchon viel fchwerer als Annibale vom kritifchen Raifonnement zur ktinft-
lerilchen That, fo war auch der künftlerifche Procefs bei ihm kein unbekümmerter,
fondern von fteter kritifcher Analyfe begleitet. Lodovico nahm es bald wahr,
welche günftigen Relultate aus einer verftändigen Combination fo verfchieden
gearteter Kräfte und Naturen unter verftändiger Leituug fich ergeben müffen;
bevor er aber hier eingriff, follten die Beiden erft ihre künftlerifche Erziehung in
der Fremde vervollftändigen. Agoftino war zunächft noch durch eine begonnene
Arbeit in Bologna zurückgehalten; fo trat denn vorläufig Annibale allein die Wan-
derung an, um fich zunächft nach Parma zu begeben. Kaum angekommen fchrieb
er an Lodovico (dat. 18. April 1580): aUnd nun hielt es mich nicht länger und
ich mufste mir die grofse Kuppel anfehen, die fie mir fo vielmals anempfohlen
haben, und in der That blieb ich ftarr vor Erftaunen, als ich dies gewaltige
Werk erblickte, an dem jede Einzelheit fo vortrefflich verftanden und auf den
Anblick von unten nach oben berechnet ift und dabei immer mit folchem Ge-
fchmack und folcher Anmuth und mit einem Colorit, das wahrhaft Fleifch fcheint!
Bei Gott, weder Tibaldo (Pellegrino de' Tibaldi) noch Niccolino (Niccolo dell'
Abbate) noch, ich ftehe nicht an es zu tagen, Raffael felbft haben je Aehnliches
geichaffen.K Nur mit der Begeifterung Lodovico's für Parmeggianino war er
nicht ganz einverftanden: nAuch Euer Parmeggianino — fo fährt er fort — möge
fich nur zufrieden geben, denn ich fehe jetzt, dafs er von diefem grofsen Manne
(Correggio) die Nachahmung aller Grazie unternommen hat, aber er ift noch fehr
weit davon entfernt, denn die Kinder des Correggio athmen und leben und lachen
mit folcher Anmuth und Wahrheit, dafs man felbft mit ihnen lachen und heiter
werden mufsa. — Und in einem zweiten Briefe (dat. 28. April 1580) urtheilte er
noch härter und treffender über den Nachahmer Correggio's: Er (Parmeggianino)
könne mit diefem doch nicht verglichen werden, adenn die Bilder des Correggio
find eben feine Gedanken und Erfindungen gewefen; man fieht dafs er fie aus
feinem Kopfe genommen und aus fich felbft erfunden hat, indem er fich dann
blos durch das Modell berichtigte. Die Andern haben fich alle auf etwas, was
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Nach folcher Wanderung kehrte der junge Künftler mit reichen Studien-
früchten ausgeftattet in die Vaterftadt zurück; am 2ß. März 1578 heilte er das
Anfüchen in die Compagnia de' Pittori von Bologna aufgenommen zu werden.
Unterdeffen hatten auch feine Verwandten Agoftino und Annibale ähnliche
Wege eingefchlagen. Agoftino hatte die erfte Lehrzeit in der Werkftätte von
Lodovico's Lehrer Prospero Fontana zugebracht; von da trat er in das Atelier
des Bart. Pafferotti und endlich unterordnete er lieh der Leitung des Domenico
Tibaldi, der als Architekt feinem Vater Pellegrino zur Seite ftand, daneben aber
als Kupferftecher grofsen Ruf genofs. Wo Annibale feine erfte Lehre empfing;
ift unbekannt; möglich, dafs er bis zur Rückkehr des Lodovico nach Bologna in
der Werkftätte von deffen unbegabtem Bruder Paolo arbeitete. Sobald aber
Lodovico in Bologna fich fefshaft gemacht hatte, nahm diefer den Annibale, deffen
bedeutendes künftlerifches Talent er fchnell wahrgenommen hatte, in fein Haus.
Annibale und Agoftino waren zwei durchaus verfchieden geartete Naturen.
Das Künftlerblut Aofs durch die Adern Agoftino's nicht fo rafch und feurig wie
durch die Annibale's — Agoftino war mehr Gelehrter; er grübelte gern und viel
über die Mittel und Ziele der Kunft und verlor darüber, wie es in folchem Falle
zu gefchehen pflegt, die Fähigkeit, rafch zuzugreifen. Kam er auf diefe
Weife fchon viel fchwerer als Annibale vom kritifchen Raifonnement zur ktinft-
lerilchen That, fo war auch der künftlerifche Procefs bei ihm kein unbekümmerter,
fondern von fteter kritifcher Analyfe begleitet. Lodovico nahm es bald wahr,
welche günftigen Relultate aus einer verftändigen Combination fo verfchieden
gearteter Kräfte und Naturen unter verftändiger Leituug fich ergeben müffen;
bevor er aber hier eingriff, follten die Beiden erft ihre künftlerifche Erziehung in
der Fremde vervollftändigen. Agoftino war zunächft noch durch eine begonnene
Arbeit in Bologna zurückgehalten; fo trat denn vorläufig Annibale allein die Wan-
derung an, um fich zunächft nach Parma zu begeben. Kaum angekommen fchrieb
er an Lodovico (dat. 18. April 1580): aUnd nun hielt es mich nicht länger und
ich mufste mir die grofse Kuppel anfehen, die fie mir fo vielmals anempfohlen
haben, und in der That blieb ich ftarr vor Erftaunen, als ich dies gewaltige
Werk erblickte, an dem jede Einzelheit fo vortrefflich verftanden und auf den
Anblick von unten nach oben berechnet ift und dabei immer mit folchem Ge-
fchmack und folcher Anmuth und mit einem Colorit, das wahrhaft Fleifch fcheint!
Bei Gott, weder Tibaldo (Pellegrino de' Tibaldi) noch Niccolino (Niccolo dell'
Abbate) noch, ich ftehe nicht an es zu tagen, Raffael felbft haben je Aehnliches
geichaffen.K Nur mit der Begeifterung Lodovico's für Parmeggianino war er
nicht ganz einverftanden: nAuch Euer Parmeggianino — fo fährt er fort — möge
fich nur zufrieden geben, denn ich fehe jetzt, dafs er von diefem grofsen Manne
(Correggio) die Nachahmung aller Grazie unternommen hat, aber er ift noch fehr
weit davon entfernt, denn die Kinder des Correggio athmen und leben und lachen
mit folcher Anmuth und Wahrheit, dafs man felbft mit ihnen lachen und heiter
werden mufsa. — Und in einem zweiten Briefe (dat. 28. April 1580) urtheilte er
noch härter und treffender über den Nachahmer Correggio's: Er (Parmeggianino)
könne mit diefem doch nicht verglichen werden, adenn die Bilder des Correggio
find eben feine Gedanken und Erfindungen gewefen; man fieht dafs er fie aus
feinem Kopfe genommen und aus fich felbft erfunden hat, indem er fich dann
blos durch das Modell berichtigte. Die Andern haben fich alle auf etwas, was