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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,3): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1879

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Janitschek, Hubert: Guido Reni, Domenico Zampieri, Francesco Albani, Francesco Barbieri
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https://doi.org/10.11588/diglit.36093#0535

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GUERCINO DA CENTO.

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der mit äufserft glücklicher Erfindung malt. Er ift ein grofser Zeichner und
trefflicher Colorift; ein wahres Naturwunder, fo dafs Alle, die feine Werke fehen,
in Staunen verletzt werden. Ich fage nichts weiter, als dafs er die erften Maler
in ftarre Bewunderung verletzt.«
Giovan Francesco Barbieri wurde am 8. Februar 1591 zu Cento, einem kleinen,
aber hübfch gelegenen Städtchen der Provinz Bologna geboren. Der Beinamen
n Guercino« (der Schielende) haftete ihm von einem Augenübel an, das er fich in
feiner Kindheit zugezogen hatte. Schon in feinem fiebenten oder achten Jahre
foll er eine Madonna an die Faffade feines Vaterhaufes gemalt haben, die fein
künftlerifches Talent verrieth. Kaum neun Jahre alt wurde er zu Bartolommeo
Bertozzi, einem ganz unbedeutenden Maler in Baftiglia auf modenefifchem Boden
in die Lehre gegeben, von welchem er allerdings nichts anderes als das Reiben
undMifchen der Farben lernen konnte. (S) Daher verliefs auchGuercino baldBer-
tozzks Werkftätte. Er hat dann nach einander in der Werkffätte des älteren
Benedetto Gennari in Cento, des Paolo Zagnoni und Giambattifta Cremonini in
Bologna gearbeitet; die eigentliche Lehre Schöpfte er aber nach eigenem Geftänd-
niffe aus Werken des Lodovico Caracci, deffen h. Familie in der Kapuzinerkirche
in Cento (jetzt in der Galerie diefer Stadt) er zu ftudieren nicht müde wurde.
Sechzehnjährig kehrte Guercino nach Cento zurück und arbeitete hier als Gehilfe
feines alten Lehrers Benedetto Gennari, der aber Schon nach kurzer Zeit in
dem Jüngling den gleichberechtigten Meifter anerkannte. Benedetto flarb am
26. März 1610. Von da an bis zu GuercinoL Berufung nach Bologna entfland
eine Reihe von Tafelbildern und Frescogemälden für Kirchen und Privathäufer
feiner Heimatftadt, die fich auch noch zum grofsen Theile in Cento erhalten haben.
Ihr Studium aber ift wenig anziehend, LodovicoL Einflufs fleht man wirkfam,
dabei ftöfst uns jedoch zumeift eine Rohheit der Naturanfchauung ab, die Lodo-
vico gänzlich fremd war. Viel lieber denkt man in Cento der liebenswürdigen,
geiftig vornehmen Perfonlichkeit Guercino's, der hier trotz aller Jugend fchon
eine Schaar junger ftrebender Talente um fich Sammelte, von denen er wie von
einem künftlerifchen Hofftaat umgeben war. Sein Haus war eine Pdegeftätte
edlen Genuffes; keine Kunft ging da leer aus, und befonders der Dichtung war er
Freund. Hohe Gäfte, die nicht feiten bei ihm eintrafen, fanden in feinem Haufe
nicht blofs eine köftliche Tafel und geiftgewürzte Ge Spräche, fie wurden auch off
mit improvifirten Comödien bewirthet.
Wie Lodovico Caraccks Brief angibt, war Guercino vom Cardinal Lodovico,
dem nachmaligen Papft Gregor XV., nach Bologna gerufen worden; er malte für
dielen: nDie Erweckung des Töchterleins des Jairus«, eine ^Sufanna im Bade«
(vielleicht das Bild in der National-Galerie in London Nr. 249) und die ^Rückkehr
des verlornen Sohnes«; in Fresco malte er für die Brüderfchaft des h. Rochus
deren Schutzheiligen, dann im Palazzo Tanari einen Hercules; von all dielen
Werken befindet fich nichts mehr an Ort und Stelle. Gleichfalls noch während
diefes Aufenthaltes in Bologna (1618) entfland im Aufträge des Orazio Cabaffi
eine ^Kreuzigung des h. Petrus« (früher in S. Bernardino zu Carpi, jetzt in der
Galerie zu Modena Nr. 341). Die Auffaffung des Hergangs, die Formenanfchauung
iff eine rückfichtslos naturaliftifche und gemahnt an die fchlimmffen Exceffe der
neapolitanifchen Schule, aber dem Studieneifer des jungen Künfflers mufs man
allen Beifall zollen; fo zeigt z. B. der Körper des Heiligen auch noch' in den
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