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DIE MALERSCHULE VON BOLOGNA.
der Peterskirche, von welcher aus der Papft den Segen zu fprechen pRegt,
ausmalen laffen; doch kam er von diefem Plan zunächft wieder ab. Dagegen
führte Guercino im Cahno der Villa Ludovili fein Meifterwerk in der Fresco-
technik aus: das Deckengemälde, welches den Triumph der Aurora vorftellt.
Die Göttin hat den eben erwachenden Thiton Ichon verlalfen und ihr Zweigefpann
befliegen; Horen Riegen voraus, die den Morgenthau auf die Erde niedergielsen;
Genien ftreuen Blumen auf die Göttin herab. Ein Vergleich mit dem ftofRich
verwandten Werke Guido's liegt nahe, fällt aber nicht zu Gunften GuercinoT
aus. Guido's Grazie mangelt ihm, namentlich ift Aurora felbft zu derb in den
Formen und Zügen; von edlerer Schönheit Rnd die Horen, befbnders die erfte
derfelben, welche mit dem Finger nach vorwärts zeigt. Das Bild ift in UntenRcht
componirt, wobei es aber Guercino nicht gelang, alle perfpectivifchen Schwierig-
keiten zu überwinden. Die Farbe freilich übertrifR an Klarheit und Kraft alles,
was jene Zeit im Fresco geleiflet hat — und diele Klarheit und diele Kraft hat
es auch bis heute noch nicht eingebülst. Das gleiche Lob gebührt dem Colorit
leiner Fama im oberen Gefchoffe des CaRno's.
Diefem kurzen Aufenthalte Guercino's in Rom gehört auch fein Meifter-
werk in der Tafelmalerei, adas Martyrium der h. Petronilla« an, das Reh jetzt in der
Gemäldelammlung auf dem Capitol (Nr. 143) beRndet. Bei Beurtheilung diefes
Werkes darf nicht vergehen werden, dafs dasfelbe für einen Altar in St. Peter
beftimmt war, allo auf andere optifche Verhältniffe RückRcht genommen werden
mufste, als Re jetzt vorhanden Rnd. Das Bild zerfällt in zwei Theile: unten
herrfcht der irdifche Jammer (der Leichnam der Heiligen wird auf Anordnung
des Verlobten aus der Erde gehoben); oben herrfcht der Friede und die Selig-
keit des Paradieles (die Aufnahme des Heiligen in den Himmel). Die Schil-
derung derlelben zeigt eine edle, doch auch leere Formenlprache, und man
zieht das Uebermafs an Individualismus und Actualität, welche der unteren
Gruppe eigen, der akademilchen Lebensarmuth der oberen weit vor. Das
Colorit bewahrt auch noch in den Tiefen Klarheit und Glanz und ift kräftig,
ohne fchreiend zu werden. — Auch Scipio Borghefe, delfen Mäcenatenthum
die Zeit leiner Nepotenallmacht überdauerte, befchäftigte Guercino; für ihn
malte der Künftler in der Kirche S. Crifogono ein grolses Deckengemälde
— i<die Aufnahme des h. Chryfbgonus in den Himmel«; die Stelle des Originals,
das nach England kam, nimmt heute eine Copie ein. Guercino's letztes Werk
in Rom war ein Deckenbild in einem Zimmer des Palaftes Coftaguti (Piazza
delle Tartarughe). Der Palaft gehörte damals dem Schatzmeifter des Papftes,
MonRgnore Patrizio; diefer liels die Haupträume deffelben von den hervorragend-
ften Malern Bologna's Ichmücken. Guercino malte aArmida, den fchlafenden Ri-
naldo auf einem mit Drachen befpannten Wagen entführend«; weniger in der
CompoRtion als im Colorit kann dies Werk mit der BAurora« im CaRno LudoviR
wetteifern.
Als Papft Gregor XV. am 8. Juli 1623 geftorben war, kehrte Guercino
wieder nach Cento zurück; ein Ichöner Familienkreis — Mutter, Schwefter,
ein Bruder — erwarteten ihn, und eine grolse Anzahl bereits begonnener oder
neuerdings aufgetragener Arbeiten harrte der Vollendung.
DIE MALERSCHULE VON BOLOGNA.
der Peterskirche, von welcher aus der Papft den Segen zu fprechen pRegt,
ausmalen laffen; doch kam er von diefem Plan zunächft wieder ab. Dagegen
führte Guercino im Cahno der Villa Ludovili fein Meifterwerk in der Fresco-
technik aus: das Deckengemälde, welches den Triumph der Aurora vorftellt.
Die Göttin hat den eben erwachenden Thiton Ichon verlalfen und ihr Zweigefpann
befliegen; Horen Riegen voraus, die den Morgenthau auf die Erde niedergielsen;
Genien ftreuen Blumen auf die Göttin herab. Ein Vergleich mit dem ftofRich
verwandten Werke Guido's liegt nahe, fällt aber nicht zu Gunften GuercinoT
aus. Guido's Grazie mangelt ihm, namentlich ift Aurora felbft zu derb in den
Formen und Zügen; von edlerer Schönheit Rnd die Horen, befbnders die erfte
derfelben, welche mit dem Finger nach vorwärts zeigt. Das Bild ift in UntenRcht
componirt, wobei es aber Guercino nicht gelang, alle perfpectivifchen Schwierig-
keiten zu überwinden. Die Farbe freilich übertrifR an Klarheit und Kraft alles,
was jene Zeit im Fresco geleiflet hat — und diele Klarheit und diele Kraft hat
es auch bis heute noch nicht eingebülst. Das gleiche Lob gebührt dem Colorit
leiner Fama im oberen Gefchoffe des CaRno's.
Diefem kurzen Aufenthalte Guercino's in Rom gehört auch fein Meifter-
werk in der Tafelmalerei, adas Martyrium der h. Petronilla« an, das Reh jetzt in der
Gemäldelammlung auf dem Capitol (Nr. 143) beRndet. Bei Beurtheilung diefes
Werkes darf nicht vergehen werden, dafs dasfelbe für einen Altar in St. Peter
beftimmt war, allo auf andere optifche Verhältniffe RückRcht genommen werden
mufste, als Re jetzt vorhanden Rnd. Das Bild zerfällt in zwei Theile: unten
herrfcht der irdifche Jammer (der Leichnam der Heiligen wird auf Anordnung
des Verlobten aus der Erde gehoben); oben herrfcht der Friede und die Selig-
keit des Paradieles (die Aufnahme des Heiligen in den Himmel). Die Schil-
derung derlelben zeigt eine edle, doch auch leere Formenlprache, und man
zieht das Uebermafs an Individualismus und Actualität, welche der unteren
Gruppe eigen, der akademilchen Lebensarmuth der oberen weit vor. Das
Colorit bewahrt auch noch in den Tiefen Klarheit und Glanz und ift kräftig,
ohne fchreiend zu werden. — Auch Scipio Borghefe, delfen Mäcenatenthum
die Zeit leiner Nepotenallmacht überdauerte, befchäftigte Guercino; für ihn
malte der Künftler in der Kirche S. Crifogono ein grolses Deckengemälde
— i<die Aufnahme des h. Chryfbgonus in den Himmel«; die Stelle des Originals,
das nach England kam, nimmt heute eine Copie ein. Guercino's letztes Werk
in Rom war ein Deckenbild in einem Zimmer des Palaftes Coftaguti (Piazza
delle Tartarughe). Der Palaft gehörte damals dem Schatzmeifter des Papftes,
MonRgnore Patrizio; diefer liels die Haupträume deffelben von den hervorragend-
ften Malern Bologna's Ichmücken. Guercino malte aArmida, den fchlafenden Ri-
naldo auf einem mit Drachen befpannten Wagen entführend«; weniger in der
CompoRtion als im Colorit kann dies Werk mit der BAurora« im CaRno LudoviR
wetteifern.
Als Papft Gregor XV. am 8. Juli 1623 geftorben war, kehrte Guercino
wieder nach Cento zurück; ein Ichöner Familienkreis — Mutter, Schwefter,
ein Bruder — erwarteten ihn, und eine grolse Anzahl bereits begonnener oder
neuerdings aufgetragener Arbeiten harrte der Vollendung.