GUERCINO'S LETZTE LEBENSJAHRE.
73
Nach dem Tode des Guido Reni fiedelte Guercino von Cento nach Bologna
über; bis zu diefem Zeitpunkt war er in feiner Vaterftadt anfaffig geblieben,
die er nur hie und da verließ, um fchmeichelhaften Anträgen italienifcher Dynaften
zu genügen. Seine erfte Arbeit nach feiner Rückkehr aus Rom (1523) waren die
Halbfigurenbilder der vier Evangeliften für Domenico Fabri; fie befinden fich
heut in der königlichen Galerie in Dresden (Nr. $14—318). Im folgenden
Jahre malte er für die Kirche Madonna della Chiara in Reggio den gekreu-
zigten Chriftus von einem Engel getröftet. Unter dem Kreuze ftützen Mag-
dalena und Johannes von der einen, der h. Prosper und ein Engel von der
andern Seite die ohnmächtig gewordene Maria. Guercino ward damit hervor-
ragender Vertreter jener Richtung in der religiöfen Malerei, der man nicht Em-
pfindungsmangel, wohl aber Vermaterialifirung religiöfer Ergriffenheit mit Recht
zum Vorwurf macht; feinerer Schönheitsfinn hat die Caracci und die nächflen
Schüler derfelben noch in den meiften Fällen vor dem Betreten folcher Pfade
gefchützt. Für die Canoniker des Doms in Reggio malte Guercino (1626) eine
^Himmelfahrt Mariens«: (heute in der Kapelle Giraldi), für S. Pietro in derfelben
Stadt 162/ ))das Martyrium des h. Jakob«, für die Kathedrale von Reggio im Auf-
träge des Paolo Meffori eine oHeimfüchung Mariens« und ))das Martyrium des
h. Johannes und Paulus«. In der zweiten Hälfte des Jahres 1626 weilte Guercino
in Piacenza, um die in der Kuppel des Doms diefer Stadt von Pier Francesco
Mazzuchelli, genannt il Morazzone, begonnenen Frescomalereien fortzufetzen und
zu vollenden. Die fechs Propheten Guercinoß (zwei find das Werk des Morazzone)
und die Sibyllen gehören zu feinen reifften und beften Werken. Gewaltig in den
Formen, edel in der Haltung, von entfchiedener Farben Wirkung zeigen he den
Künftler in Wettftreit mit ähnlichen Arbeiten Domenichinoß, und haben wirklich
die packende Wirkung vor dielen voraus, wenngleich he ihnen an Linienfchönheit
nachftehen. Wier Hiftorien aus dem Leben Jefü« muß zum Minderen ein glück-
liches Colorit zugeftanden werden. Guercino hatte in Piacenza viele Gönner und
Bewunderer gefunden; auch der Herzog von Modena und Piacenza war darunter
und diefer rief ihn 1632 zur Ausführung neuer Aufträge in feine Refidenz. In
Gefellfchaft zweier Schüler begab er fleh dahin, wo er auch den ehrenvollften
Empfang fand. Zunächft porträtirte er den Herzog Franz I. und die Herzogin
Maria Farnefe; nach einer Note der Commentatoren des Malvafia befinden fleh
diele beiden Porträts zu Piacenza in Privatbefitz. Zwilchen dem Künftler und dem
Herzog bildete fleh das herzlichfte Verhältnis heraus, welches auch fortdauerte,
als Guercino es ablehnte, für die Dauer in die Dienfte des Fürften zu treten.
Als er z. B. 144p feinen geliebten Bruder durch den Tod verloren hatte, fandte
der Herzog feinen Wagen nach Bologna, um den Künftler nach Modena zu
bringen, wo dann alles aufgeboten wurde, feine Melancholie zu verfcheuchen.
Im Jahre 163p erhielt Guercino vom König Ludwig XIII. die fchmeichelhafte
Einladung nach Frankreich zu kommen; er folgte aus Liebe zur Heimat eben fo
wenig diefer wie fpäter einer vom König von England an ihn ergangenen Auf-
forderung. — Die Zahl der Bilder, die Guercino in Cento bis zu feiner Ueberfiedlung
nach Bologna malte, ift eine außerordentlich große; an vielen derfelben aber dürften
feine Schüler hervorragenden Antheil haben. Wahrfcheinlich liegt hierin eine Haupt-
urßehe, daß viele Werke, die leinen Namen tragen und im Großen Ganzen auch
Eine Art zeigen, doch von fo ungleicher Qualität find. Gewiß iE es, daß er niemals
73
Nach dem Tode des Guido Reni fiedelte Guercino von Cento nach Bologna
über; bis zu diefem Zeitpunkt war er in feiner Vaterftadt anfaffig geblieben,
die er nur hie und da verließ, um fchmeichelhaften Anträgen italienifcher Dynaften
zu genügen. Seine erfte Arbeit nach feiner Rückkehr aus Rom (1523) waren die
Halbfigurenbilder der vier Evangeliften für Domenico Fabri; fie befinden fich
heut in der königlichen Galerie in Dresden (Nr. $14—318). Im folgenden
Jahre malte er für die Kirche Madonna della Chiara in Reggio den gekreu-
zigten Chriftus von einem Engel getröftet. Unter dem Kreuze ftützen Mag-
dalena und Johannes von der einen, der h. Prosper und ein Engel von der
andern Seite die ohnmächtig gewordene Maria. Guercino ward damit hervor-
ragender Vertreter jener Richtung in der religiöfen Malerei, der man nicht Em-
pfindungsmangel, wohl aber Vermaterialifirung religiöfer Ergriffenheit mit Recht
zum Vorwurf macht; feinerer Schönheitsfinn hat die Caracci und die nächflen
Schüler derfelben noch in den meiften Fällen vor dem Betreten folcher Pfade
gefchützt. Für die Canoniker des Doms in Reggio malte Guercino (1626) eine
^Himmelfahrt Mariens«: (heute in der Kapelle Giraldi), für S. Pietro in derfelben
Stadt 162/ ))das Martyrium des h. Jakob«, für die Kathedrale von Reggio im Auf-
träge des Paolo Meffori eine oHeimfüchung Mariens« und ))das Martyrium des
h. Johannes und Paulus«. In der zweiten Hälfte des Jahres 1626 weilte Guercino
in Piacenza, um die in der Kuppel des Doms diefer Stadt von Pier Francesco
Mazzuchelli, genannt il Morazzone, begonnenen Frescomalereien fortzufetzen und
zu vollenden. Die fechs Propheten Guercinoß (zwei find das Werk des Morazzone)
und die Sibyllen gehören zu feinen reifften und beften Werken. Gewaltig in den
Formen, edel in der Haltung, von entfchiedener Farben Wirkung zeigen he den
Künftler in Wettftreit mit ähnlichen Arbeiten Domenichinoß, und haben wirklich
die packende Wirkung vor dielen voraus, wenngleich he ihnen an Linienfchönheit
nachftehen. Wier Hiftorien aus dem Leben Jefü« muß zum Minderen ein glück-
liches Colorit zugeftanden werden. Guercino hatte in Piacenza viele Gönner und
Bewunderer gefunden; auch der Herzog von Modena und Piacenza war darunter
und diefer rief ihn 1632 zur Ausführung neuer Aufträge in feine Refidenz. In
Gefellfchaft zweier Schüler begab er fleh dahin, wo er auch den ehrenvollften
Empfang fand. Zunächft porträtirte er den Herzog Franz I. und die Herzogin
Maria Farnefe; nach einer Note der Commentatoren des Malvafia befinden fleh
diele beiden Porträts zu Piacenza in Privatbefitz. Zwilchen dem Künftler und dem
Herzog bildete fleh das herzlichfte Verhältnis heraus, welches auch fortdauerte,
als Guercino es ablehnte, für die Dauer in die Dienfte des Fürften zu treten.
Als er z. B. 144p feinen geliebten Bruder durch den Tod verloren hatte, fandte
der Herzog feinen Wagen nach Bologna, um den Künftler nach Modena zu
bringen, wo dann alles aufgeboten wurde, feine Melancholie zu verfcheuchen.
Im Jahre 163p erhielt Guercino vom König Ludwig XIII. die fchmeichelhafte
Einladung nach Frankreich zu kommen; er folgte aus Liebe zur Heimat eben fo
wenig diefer wie fpäter einer vom König von England an ihn ergangenen Auf-
forderung. — Die Zahl der Bilder, die Guercino in Cento bis zu feiner Ueberfiedlung
nach Bologna malte, ift eine außerordentlich große; an vielen derfelben aber dürften
feine Schüler hervorragenden Antheil haben. Wahrfcheinlich liegt hierin eine Haupt-
urßehe, daß viele Werke, die leinen Namen tragen und im Großen Ganzen auch
Eine Art zeigen, doch von fo ungleicher Qualität find. Gewiß iE es, daß er niemals