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CARAVAGG10.
nenden Zügen voll Vertrauen und Unerfahrenheit, von zwei Falfchfpielern ausge-
zogen wird, ein Typus der ewigen Gegenfätze von Gut und Böte., Licht und
Schatten, Hammer und Ambos, wie man ihn hch nicht charakteriftifcher und
eindringlicher dargeftellt denken kann; — die erfte Redaction im Palazzo Sciarra
zu Rom, ein harmonifches Bild, das jedem Gefchmacke Genüge thut, die zweite
(aus fpäterer Zeit), hier in Abbildung gegeben, in der Galerie zu Dresden, wo die
Figur des Betrogenen weniger Interesse erweckt, da he von demfelben gemeinen
Stoffe, nur ungeriebener wie die beiden Andern zu fein fcheint, wogegen diefe
einen unverwifchlichen Eindruck machen. Namentlich der hinter dem Opfer
Sitzende, fein fcheinbarer Berather, der, feine wilden Züge halb im Mantel ver-
fteckend, mit den Fingern anders und zu einem Andern fpricht, als mit der Zunge,
ift von geiftvoll fcharfer Auffaffung, und man muß unwillkürlich an das böfe Princip
in Perlon, an Mephifto, denken. (S. Seite 8.) Es ift begreiflich, wie eine fo treffliche
Gabe den Sinn der in der Oede des Manierismus Verlechzenden gleich dem un-
erwarteten Quell einer Oafe erfrifchen mußte. Schon früher und zuerft hatte er
übrigens die Aufmerkfamkeit auf hch gelenkt durch ein Bild, das ebenfalls noch in
Rom hch befindet: »die Zigeunerin, einem Jüngling wahrßgendn im Palaft der
Confervatoren auf dem Capitol. Eine liebenswürdigere Species von Gaunerthum
und fchlauer Berechnung auf die Thorheit der Jugend als die Spieler fteht das
ausdrucksvolle Weib mit verfchmizt begehrlichen Blicken halb vorgebeugt da und
weisfagt dem hübfehen, ernft aufhorchenden Signorino in die Hand. Begehrt he
nur fein Geld, oder fpricht he ihm von Untreue der Geliebten, während he ihn
für hch felbft gewinnen möchte?
Von einem dritten Werke, das er wie das erfte der oben befchriebenen für
del Monte fchuf, ift uns leider nur noch die Befchreibung feines Biographen
Baglione aufbehalten. Es zeigte muheirende junge Leute um einen Tifch ver-
fammelt, worauf ein Blumenftraufs in einer Wafferkaraffe ftand, auf deren Glas
hch die ganze Umgebung, namentlich ein fchimmerndes Fenfter, deutlich abipie-
gelte und wobei felbft der Thau auf den Blumen »mit auserlefenem Fleifse« wieder-
gegeben war. Man heht, es mufs eine Jugendarbeit gewefen fein, bei der es ihm
noch auf möglichft treue und täufchende Naturnachahmung ankam, die aber, ohne
geiftige Verarbeitung erfaßt, auch nur äußerlich wirken konnte, obgleich der
junge Meifter felbft es damals für feine befte Leiftung erklärt hat.
Freier und geiftiger bewegte er hch auf einem Gemälde ebenfalls aus jener
Epoche, das unter dem Namen »Die LautenfpielerinK eine Zierde der Galerie des
Fürften Liechtenftein zu Wien bildet. (S. Seite Q.) — ein liebliches blondes
Mädchen vor einem Tifche htzend, auf welchem Noten, eine Flöte und eine Geige
liegen; he hebt die Laute gegen das rechte Ohr empor, fei's um he zu ftimmen,
oder ihrer Improvifation zu laufchen, reizend im Motiv und prächtig in der Aus-
führung.
Fein empfunden und geiftreich in der Erhndung, was fbnft eben nicht
Caravaggioß ftärkfte Seite, ift dann eine »Ruhe der h. Familie auf der Flucht
nach Aegypten-?, Nr. ß2 des erften Arms der großen Galerie in Palazzo Doria zu
Rom, neuerdings unnöthigerweife feinem Schüler Saraceni zugefchrieben. Während
Jofeph ein Notenblatt hält, fpielt der Schutzengel die Violine, worüber Mutter
und Kind fänft eingefchlummert hnd — eine liebenswürdige Idylle von licht-
klarer Farbe.
CARAVAGG10.
nenden Zügen voll Vertrauen und Unerfahrenheit, von zwei Falfchfpielern ausge-
zogen wird, ein Typus der ewigen Gegenfätze von Gut und Böte., Licht und
Schatten, Hammer und Ambos, wie man ihn hch nicht charakteriftifcher und
eindringlicher dargeftellt denken kann; — die erfte Redaction im Palazzo Sciarra
zu Rom, ein harmonifches Bild, das jedem Gefchmacke Genüge thut, die zweite
(aus fpäterer Zeit), hier in Abbildung gegeben, in der Galerie zu Dresden, wo die
Figur des Betrogenen weniger Interesse erweckt, da he von demfelben gemeinen
Stoffe, nur ungeriebener wie die beiden Andern zu fein fcheint, wogegen diefe
einen unverwifchlichen Eindruck machen. Namentlich der hinter dem Opfer
Sitzende, fein fcheinbarer Berather, der, feine wilden Züge halb im Mantel ver-
fteckend, mit den Fingern anders und zu einem Andern fpricht, als mit der Zunge,
ift von geiftvoll fcharfer Auffaffung, und man muß unwillkürlich an das böfe Princip
in Perlon, an Mephifto, denken. (S. Seite 8.) Es ift begreiflich, wie eine fo treffliche
Gabe den Sinn der in der Oede des Manierismus Verlechzenden gleich dem un-
erwarteten Quell einer Oafe erfrifchen mußte. Schon früher und zuerft hatte er
übrigens die Aufmerkfamkeit auf hch gelenkt durch ein Bild, das ebenfalls noch in
Rom hch befindet: »die Zigeunerin, einem Jüngling wahrßgendn im Palaft der
Confervatoren auf dem Capitol. Eine liebenswürdigere Species von Gaunerthum
und fchlauer Berechnung auf die Thorheit der Jugend als die Spieler fteht das
ausdrucksvolle Weib mit verfchmizt begehrlichen Blicken halb vorgebeugt da und
weisfagt dem hübfehen, ernft aufhorchenden Signorino in die Hand. Begehrt he
nur fein Geld, oder fpricht he ihm von Untreue der Geliebten, während he ihn
für hch felbft gewinnen möchte?
Von einem dritten Werke, das er wie das erfte der oben befchriebenen für
del Monte fchuf, ift uns leider nur noch die Befchreibung feines Biographen
Baglione aufbehalten. Es zeigte muheirende junge Leute um einen Tifch ver-
fammelt, worauf ein Blumenftraufs in einer Wafferkaraffe ftand, auf deren Glas
hch die ganze Umgebung, namentlich ein fchimmerndes Fenfter, deutlich abipie-
gelte und wobei felbft der Thau auf den Blumen »mit auserlefenem Fleifse« wieder-
gegeben war. Man heht, es mufs eine Jugendarbeit gewefen fein, bei der es ihm
noch auf möglichft treue und täufchende Naturnachahmung ankam, die aber, ohne
geiftige Verarbeitung erfaßt, auch nur äußerlich wirken konnte, obgleich der
junge Meifter felbft es damals für feine befte Leiftung erklärt hat.
Freier und geiftiger bewegte er hch auf einem Gemälde ebenfalls aus jener
Epoche, das unter dem Namen »Die LautenfpielerinK eine Zierde der Galerie des
Fürften Liechtenftein zu Wien bildet. (S. Seite Q.) — ein liebliches blondes
Mädchen vor einem Tifche htzend, auf welchem Noten, eine Flöte und eine Geige
liegen; he hebt die Laute gegen das rechte Ohr empor, fei's um he zu ftimmen,
oder ihrer Improvifation zu laufchen, reizend im Motiv und prächtig in der Aus-
führung.
Fein empfunden und geiftreich in der Erhndung, was fbnft eben nicht
Caravaggioß ftärkfte Seite, ift dann eine »Ruhe der h. Familie auf der Flucht
nach Aegypten-?, Nr. ß2 des erften Arms der großen Galerie in Palazzo Doria zu
Rom, neuerdings unnöthigerweife feinem Schüler Saraceni zugefchrieben. Während
Jofeph ein Notenblatt hält, fpielt der Schutzengel die Violine, worüber Mutter
und Kind fänft eingefchlummert hnd — eine liebenswürdige Idylle von licht-
klarer Farbe.