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LORENZO BERNINI.
Giovanni Lorenzo Bernini wurde am y. Dezember 1598 zu Neapel geboren,
kam aber fchon als Kind mit den Eltern nach Rom. Bei feinem Vater Pietro,
einem nicht ungefchickten Bildhauer aus dem Toskanifchen, erlernte der Reh
wunderbar frühreif entwickelnde Knabe fchon im zarten Kindesalter die Anfangs-
gründe von deffen Kunft. Es mochte dem Alten fchmeicheln, in einer Zeit, die
höchflen künftlerifchen Reiz im Virtuofenthum fah, eine Art Wunderkind als feinen
Sohn präfentiren zu können. So hat hch denn eine Arbeit aus Lorenzo's zehn-
tem Jahre erhalten, die MarmorbüRe des Bifchofs Santoni in Sta. Praffede zu Rom,
ein Werk, an dem Reh freilich der Anfänger deutlich an der LuR zu detailliren
verräth, während es ihm nicht gelingt, die Elauptfachen immer zur richtigen Be-
deutung zu bringen, und deffen weichliche Zeichnung mangelhaft genug iR, welche
aber für jenes Alter trotzdem eine Raunenswerthe LeiRung bleibt, auch wenn
man davon abReht, wie viel etwa der Vater daran geholfen. Wenn Pietro die
Abficht gehabt, die öffentliche Aufmerkfamkeit auf feinen Sohn zu lenken, fo er-
reichte er diefen Zweck glänzend; felbR derPapR liefs den Knaben kommen, der
ihm auf Verlangen unter feinen Augen einen Kopf des ApoRels Paulus zur voll-
kommenRen Zufriedenheit zeichnete. Zugleich war aber Pietro verRändig genug,
einzufehen, dafs die übertriebene Bewunderung leicht fchädlich auf den Entwicke-
lungsgang Lorenzo's wirken könne, und deshalb fuchte er ihn unabhängig von dem
Urtheil der Menge zu machen, indem er ihn in beRändigem Wetteifer mit Reh
felbR erhielt. Unbekümmert um die Andern müffe der KünRler nur auf Reh felbR
achten; jedes neue Werk müffe das vorhergehende übertreffen. Lorenzo machte Reh
diefe Regeln, die bei halber Wahrheit gar vieles Bedenkliche enthielten, nur zu fehr
zu eigen; und daraus allein fchon erklärt Reh zum guten Theil feine künRlerifche
Individualität: fein Fleifs, feine Gefchicklichkeit und der Reichthum feiner Phan-
taRe, aber auch das Rete Ringen nach Neuem, welches ihn dem Streben nach
Effect und endlich dem widerlichRen Manierismus in die Arme trieb; vor Allem
das übermäfsigeSelbRvertrauen, welches es unmöglich machte, dafs irgend eine
andre KunRrichtung tiefer auf ihn einwirkte. Freilich Rudirte er drei Jahre lang
mit der ihm eigenen Leidenfchaftlichkeit nach den Antiken des Vaticans; ganze
Tage brachte er in den Räumen des PalaRes zu, wo er dann über dem Sehen
und Zeichnen häuRg die leibliche Nahrung vergafs. Wie wenig objectiv er aber
all diefen Schätzen gegentiberRand, zeigen gleich die nächRen Früchte feines Stu-
diums, die Gruppen des Aeneas und Anchifes (die älteRe und auch am mei-
Ren unfelbRändigRe) und des Apollo und der Daphne, fo wie der fchleudernde
David in der Villa Borghefe, endlich der Raub der Proferpina in Villa Ludo-
viR, welche er alle vier zwifchen seinem fünfzehnten und achtzehnten Jahre für
den Cardinal Scipio Borghefe arbeitete. In diefen Werken tritt uns die Rich-
tung Bernini's fchon mit Entfchiedenheit entgegen, nur die Technik, die hier und
da noch einige UnRcherheit verräth, bildet Reh erR fpäter zu ihrer Höhe aus;
immer aber gehören Re zu feinen berühmteRen Arbeiten, an denen die Rchere Com-
poRtion und die Gewandtheit in der Bewältigung fchwieriger Stellungen auch heute
noch Lob verdient, wennfehon Reh bereits hier die Neigung zeigt, in's Virtuofen-
thum umzufchlagen, und die anatomifchen Forderungen mehr als hindernde Fef-
feln, denn als Grundbedingung anzufehen. Im Ganzen beRtzen diefe Jugendwerke
LORENZO BERNINI.
Giovanni Lorenzo Bernini wurde am y. Dezember 1598 zu Neapel geboren,
kam aber fchon als Kind mit den Eltern nach Rom. Bei feinem Vater Pietro,
einem nicht ungefchickten Bildhauer aus dem Toskanifchen, erlernte der Reh
wunderbar frühreif entwickelnde Knabe fchon im zarten Kindesalter die Anfangs-
gründe von deffen Kunft. Es mochte dem Alten fchmeicheln, in einer Zeit, die
höchflen künftlerifchen Reiz im Virtuofenthum fah, eine Art Wunderkind als feinen
Sohn präfentiren zu können. So hat hch denn eine Arbeit aus Lorenzo's zehn-
tem Jahre erhalten, die MarmorbüRe des Bifchofs Santoni in Sta. Praffede zu Rom,
ein Werk, an dem Reh freilich der Anfänger deutlich an der LuR zu detailliren
verräth, während es ihm nicht gelingt, die Elauptfachen immer zur richtigen Be-
deutung zu bringen, und deffen weichliche Zeichnung mangelhaft genug iR, welche
aber für jenes Alter trotzdem eine Raunenswerthe LeiRung bleibt, auch wenn
man davon abReht, wie viel etwa der Vater daran geholfen. Wenn Pietro die
Abficht gehabt, die öffentliche Aufmerkfamkeit auf feinen Sohn zu lenken, fo er-
reichte er diefen Zweck glänzend; felbR derPapR liefs den Knaben kommen, der
ihm auf Verlangen unter feinen Augen einen Kopf des ApoRels Paulus zur voll-
kommenRen Zufriedenheit zeichnete. Zugleich war aber Pietro verRändig genug,
einzufehen, dafs die übertriebene Bewunderung leicht fchädlich auf den Entwicke-
lungsgang Lorenzo's wirken könne, und deshalb fuchte er ihn unabhängig von dem
Urtheil der Menge zu machen, indem er ihn in beRändigem Wetteifer mit Reh
felbR erhielt. Unbekümmert um die Andern müffe der KünRler nur auf Reh felbR
achten; jedes neue Werk müffe das vorhergehende übertreffen. Lorenzo machte Reh
diefe Regeln, die bei halber Wahrheit gar vieles Bedenkliche enthielten, nur zu fehr
zu eigen; und daraus allein fchon erklärt Reh zum guten Theil feine künRlerifche
Individualität: fein Fleifs, feine Gefchicklichkeit und der Reichthum feiner Phan-
taRe, aber auch das Rete Ringen nach Neuem, welches ihn dem Streben nach
Effect und endlich dem widerlichRen Manierismus in die Arme trieb; vor Allem
das übermäfsigeSelbRvertrauen, welches es unmöglich machte, dafs irgend eine
andre KunRrichtung tiefer auf ihn einwirkte. Freilich Rudirte er drei Jahre lang
mit der ihm eigenen Leidenfchaftlichkeit nach den Antiken des Vaticans; ganze
Tage brachte er in den Räumen des PalaRes zu, wo er dann über dem Sehen
und Zeichnen häuRg die leibliche Nahrung vergafs. Wie wenig objectiv er aber
all diefen Schätzen gegentiberRand, zeigen gleich die nächRen Früchte feines Stu-
diums, die Gruppen des Aeneas und Anchifes (die älteRe und auch am mei-
Ren unfelbRändigRe) und des Apollo und der Daphne, fo wie der fchleudernde
David in der Villa Borghefe, endlich der Raub der Proferpina in Villa Ludo-
viR, welche er alle vier zwifchen seinem fünfzehnten und achtzehnten Jahre für
den Cardinal Scipio Borghefe arbeitete. In diefen Werken tritt uns die Rich-
tung Bernini's fchon mit Entfchiedenheit entgegen, nur die Technik, die hier und
da noch einige UnRcherheit verräth, bildet Reh erR fpäter zu ihrer Höhe aus;
immer aber gehören Re zu feinen berühmteRen Arbeiten, an denen die Rchere Com-
poRtion und die Gewandtheit in der Bewältigung fchwieriger Stellungen auch heute
noch Lob verdient, wennfehon Reh bereits hier die Neigung zeigt, in's Virtuofen-
thum umzufchlagen, und die anatomifchen Forderungen mehr als hindernde Fef-
feln, denn als Grundbedingung anzufehen. Im Ganzen beRtzen diefe Jugendwerke