Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,3): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1879

DOI article:
Dohme, Robert: Lorenzo Bernini: geb. in Neapel 1598, gest. in Rom 1680
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36093#0629

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
UNTER DER REGIERUNG URBAN'S VHI.

27

Statue des Longinus ift, fo das Grabmal der Markgräfin Mathilde (163$) an einem
Pfeiler des rechten Seitenfchiffes derfelben Kirche, wo ihm neben der Compo-
fition des Ganzen in der Ausführung nur der Kopf der Hauptfigur angehört.
Die Markgräfin fleht in halbrunder Nifche über dem Sarkophag; die fonft fo
häufigen Tugenden und Allegorien fehlen hier. Der Sarkophag felbft, von Reifen
geradlinigen Formen, zeigt im Relief den Fufsfall Heinrich's IV. vor Gregor;
über demfelben tragen zwei Genien die 'Infchriftstafel. Zu loben ift vor Allem
die edle und wohl proportionirte Hauptfigur mit ruhig würdevollem Antlitz; die
ausgeflreckte Rechte hält den Commandoftab, die linke Tiara und Schlüffel.
Störend wirkt nur das auch hier nicht gut geworfene Gewand, welches nament-
lich in der Mitte des Körpers einen dicken Wulff bildet.
Gleichfalls feinen beiten Arbeiten zuzuzählen ift die zeitlich jenem Grabmal
naheftehende liebenswürdige Statue der heiligen Bibiana in der gleichnamigen
Kirche, welch letzere er zugleich reftaurirte. Die Heilige ift in ziemlich natür-
licher Stellung, in der Rechten eine Palme haltend, aufgefafst, ein Werk voll An-
muth und Einfachheit, nur erfcheint der Ausdruck des lieblichen Gefichtchens
leer. Die Schilderung eines zarteren Seelenlebens lag eben aufserhalb der
Grenzen von Bernini's Kunft. Die Gewandung ift forgfältig und mafsvoll
behandelt, wenn auch natürlich malerifch berechnet.
Als Maderna, der Baumeifter des Langhaufes von St. Peter, im J. 162p ftarb,
wurde die Beendigung des von ihm begonnenen Palazzo Barberini Bernini über-
tragen, der fleh den Schüler des Verftorbenen, Borromini, als ausführenden
Architekten zugefellte. Nach Milizia gehört dem Bernini an diefem Palafte die An-
lage der Treppen, wo er denn in der des weltlichen Flügels das Vorbild für die
bei der fpäteren Barockkunft fo beliebten elliptifchen Grundriffe gegeben hätte;
vor Allem aber ift die berühmte Hauptfaffade mit ihrer gewaltigen Mittelloggia
und den beiden vorfpringenden Flügeln fein Werk; eine ebenfo grofsartig wir-
kende als verftändige Compofltion, und Alles in Allem die bedeutendfte Faffade
der gefammten römifchen Kunft vom 17. Jahrhundert bis auf untere Tage.
Zwei Jahre vor dem Tode Urban's begann Bernini das erft mehr als vier
Jahre fpäter vollendete Grabmal diefes Papftes in der Peterskirche (1642), ein
Werk, für welches, wie für alle ähnlichen Arbeiten der Zeit, Michelangelo's Medi-
ceergräber immer noch — freilich fehr umgedeutet — den leitenden Grundge-
danken abgaben.
Immerhin mufs man aber doch zugeftehen, dafs in der Anordnung des
Ganzen viel Selbftändiges und Neues fleckt, wie er uns denn auch in der
Durchführung des Einzelnen hier mit einer Neuerung entgegen tritt, die mafs-
gebend für die Zeitgenoffen wurde, nämlich die Uebertragung des RubensTchen
Schönheitsideals mit feinen mafhgen Formen auf die Plaltik. Ueber dem Sar-
kophag erhebt fleh die Statue des Papftes von Bernini's eigner Hand, ein
Meifterwerk des Portraitfachs, individuell und charakteriftifch bis in jede Falte;
zu den Seiten find die allegorifchen Gehalten der Gerechtigkeit und Liebe (cari-
tas) gruppirt. Unter der Hauptfigur endlich fchreibt ein coloffales bronzenes
Gerippe den Namen des Papftes auf eine Tafel. Diefe letztere Plgur ift natürlich
einfach eine künftlerifche Abfcheulichkeit; in folchem Mafsftabe im Mittelpunkte
4*
 
Annotationen