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CANALETTO.
brücke zwilchen beiden, aber die Seufzerbrücke ift von der Architektur verdeckt.
Ein einziges Interieur des Meifters ift uns bekannt, es ift der Vorhof des Palaftes
in Capriccio, eine anmuthige Säulenhalle (in der Pinakothek zu Venedig). Sonft
ift der Schauplatz feiner Bilder das Leben des Marcusplatzes,, der Lagunen, be-
londers des Canale grande mit feinen ftolzen Paläften. Der Marcusplatz ift das
Herz der Stadt, hier pullirt das Leben derfelben; es ift ein prächtiger Saal,
deffen Gewölbe der blaue Himmel bildet, wie Napoleon I. tagte. Die Procurazien,
der Thurm, die Laffade der Marcuskirche fordern unwillkürlich den Maler zu
ihrer Darftellung heraus. Oft hat Canaletto den Platz gemalt von fröhlich erregtem
Volke belebt. (Ein Bild in Dresden.) Bei dem Bilde einer Carnevalsbeluftigung auf
dem Marcusplatze hat ihm G. B. Tiepolo, wie auch in anderen Lallen, die figür-
liche Staffage gemalt. Die angrenzende Piazzetta war ebenfalls ein beliebter Punkt
unteres Malers. Entweder nahm er leinen Standpunkt am Rand des Hafens, to
dafs die Laffade des Dogenpalaftes fich rechts perlpectivifch in den Grund zur
Marcuskirche hinzog (Mufeum Berlin und Dresden), oder er ftand auf dem Marcus-
platze, mit der Auslicht auf den Hafen, auf die Infein, auf das Meer. Die beiden
Säulen aus Granit, deren eine den bronzenen beflügelten Marcuslöwen, die andere
die Statue des h. Theodor, des urlprünglichen Schutzheiligen Venedigs, trägt,
unterbrechen angenehm die Linien des Horizonts. Eine folche Anticht hat er
auch radirt. Ein ander Mal läfst uns der Künftler, wenn wir ihn zum Lührer nehmen
wollen, eine Barke befteigen und gewährt uns im Hafen einen Lernblick inV Meer,
die Riva degli Schiavoni entlang (Mufeum Grenoble), oder zeigt uns neben der
Dogana die Kirche Sta. Maria della salute, deren Laffade mit der blaugrauen, in
der Sonne eigentümlich glänzenden Kuppel lieh im Canal abfpiegelt. (Mufeum
Berlin.) Auf dem Bilde des Louvre bewegt lieh eine Prozefhon und eine grotse
Volksmaffe über eine auf Pontons über den Canal ausgefpannte Brücke zum Ein-
gang derfelben Kirche.
Der grotse Canal felbft hat in feiner Schlangenwindung durch die Stadt dem
Meifter gar manchen Vorwurf für feine Kunft geliefert. Befonders die Rialtobrücke,
das Wahrzeichen der Stadt, war oft, aus der Nähe wie aus der Perne, Gegen-
ftand feiner Bilder. (Eine Rialtobrücke befand fich in der Galerie Pourtales.)
Es ift uns nicht möglich, alle Punkte namentlich anzuführen, die Canaletto
für feine vielen in allen Galerien EuropaV zerftreuten Bilder gewählt hat. Da er
ein hohes Alter erreichte, fb ift bei feinem Fleifse wie feiner Kunftfertigkeit die
Menge der Arbeiten leicht erklärlich, wenn auch io manches Bild in öffentlichen
Sammlungen, das auf feinen Namen lautet, vielmehr auf Rechnung der Schüler,
belonders des talentvollen Guar di und feines Neffen Beilotto zu ftellen ift.
Von feinen fbnftigen Lebensichickialen fchweigen die Biographen. Er ftarb
im Jahre 1768; Mariette nennt den 20. April als feinen Sterbetag, und giebt an,
feine Wohnung habe in der contrada di San Lio gelegen. -—
Sehen wir näher zu, welchen künftleriichen Ausdruck Canaletto für feine
Stoffgebiete fand, fb läfst fich nicht verkennen, das er fein Leben lang unter
dem Einfluis feiner Jugendthätigkeit geftanden hat. Bei aller Wahrheit der Dar-
ftellung, der Perfpective und Farbe fehlt doch feinen Bildern eine poetifche Ver-
klärung der materiellen Wirklichkeit. Andererfeits dürfen wir auf unterem heu-
tigen Standpunkte äfthetifcher Beurtheilung nicht zu ftrenge fein, müffen uns viel-
mehr erinnern, dafs die Zeitgenoffen des Künftlers eben nichts anderes von dem-
CANALETTO.
brücke zwilchen beiden, aber die Seufzerbrücke ift von der Architektur verdeckt.
Ein einziges Interieur des Meifters ift uns bekannt, es ift der Vorhof des Palaftes
in Capriccio, eine anmuthige Säulenhalle (in der Pinakothek zu Venedig). Sonft
ift der Schauplatz feiner Bilder das Leben des Marcusplatzes,, der Lagunen, be-
londers des Canale grande mit feinen ftolzen Paläften. Der Marcusplatz ift das
Herz der Stadt, hier pullirt das Leben derfelben; es ift ein prächtiger Saal,
deffen Gewölbe der blaue Himmel bildet, wie Napoleon I. tagte. Die Procurazien,
der Thurm, die Laffade der Marcuskirche fordern unwillkürlich den Maler zu
ihrer Darftellung heraus. Oft hat Canaletto den Platz gemalt von fröhlich erregtem
Volke belebt. (Ein Bild in Dresden.) Bei dem Bilde einer Carnevalsbeluftigung auf
dem Marcusplatze hat ihm G. B. Tiepolo, wie auch in anderen Lallen, die figür-
liche Staffage gemalt. Die angrenzende Piazzetta war ebenfalls ein beliebter Punkt
unteres Malers. Entweder nahm er leinen Standpunkt am Rand des Hafens, to
dafs die Laffade des Dogenpalaftes fich rechts perlpectivifch in den Grund zur
Marcuskirche hinzog (Mufeum Berlin und Dresden), oder er ftand auf dem Marcus-
platze, mit der Auslicht auf den Hafen, auf die Infein, auf das Meer. Die beiden
Säulen aus Granit, deren eine den bronzenen beflügelten Marcuslöwen, die andere
die Statue des h. Theodor, des urlprünglichen Schutzheiligen Venedigs, trägt,
unterbrechen angenehm die Linien des Horizonts. Eine folche Anticht hat er
auch radirt. Ein ander Mal läfst uns der Künftler, wenn wir ihn zum Lührer nehmen
wollen, eine Barke befteigen und gewährt uns im Hafen einen Lernblick inV Meer,
die Riva degli Schiavoni entlang (Mufeum Grenoble), oder zeigt uns neben der
Dogana die Kirche Sta. Maria della salute, deren Laffade mit der blaugrauen, in
der Sonne eigentümlich glänzenden Kuppel lieh im Canal abfpiegelt. (Mufeum
Berlin.) Auf dem Bilde des Louvre bewegt lieh eine Prozefhon und eine grotse
Volksmaffe über eine auf Pontons über den Canal ausgefpannte Brücke zum Ein-
gang derfelben Kirche.
Der grotse Canal felbft hat in feiner Schlangenwindung durch die Stadt dem
Meifter gar manchen Vorwurf für feine Kunft geliefert. Befonders die Rialtobrücke,
das Wahrzeichen der Stadt, war oft, aus der Nähe wie aus der Perne, Gegen-
ftand feiner Bilder. (Eine Rialtobrücke befand fich in der Galerie Pourtales.)
Es ift uns nicht möglich, alle Punkte namentlich anzuführen, die Canaletto
für feine vielen in allen Galerien EuropaV zerftreuten Bilder gewählt hat. Da er
ein hohes Alter erreichte, fb ift bei feinem Fleifse wie feiner Kunftfertigkeit die
Menge der Arbeiten leicht erklärlich, wenn auch io manches Bild in öffentlichen
Sammlungen, das auf feinen Namen lautet, vielmehr auf Rechnung der Schüler,
belonders des talentvollen Guar di und feines Neffen Beilotto zu ftellen ift.
Von feinen fbnftigen Lebensichickialen fchweigen die Biographen. Er ftarb
im Jahre 1768; Mariette nennt den 20. April als feinen Sterbetag, und giebt an,
feine Wohnung habe in der contrada di San Lio gelegen. -—
Sehen wir näher zu, welchen künftleriichen Ausdruck Canaletto für feine
Stoffgebiete fand, fb läfst fich nicht verkennen, das er fein Leben lang unter
dem Einfluis feiner Jugendthätigkeit geftanden hat. Bei aller Wahrheit der Dar-
ftellung, der Perfpective und Farbe fehlt doch feinen Bildern eine poetifche Ver-
klärung der materiellen Wirklichkeit. Andererfeits dürfen wir auf unterem heu-
tigen Standpunkte äfthetifcher Beurtheilung nicht zu ftrenge fein, müffen uns viel-
mehr erinnern, dafs die Zeitgenoffen des Künftlers eben nichts anderes von dem-