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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0084
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BERTEL THORWALDSEN.

waldfen dann nach Stuttgart, wo er Dannecker befuchte und die Boifferee'fche
Sammlung altdeutfcher Gemälde kennen lernte, die ihn lebhaft interefirte, fo
fern auch die altdeutfche Kunf feinem klaff fchen Gefchmack zu liegen fchien.
Sulpiz Boilferee begleitete ihn von Frankfurt a. M. nach Köln, von da ging
er nach Hamburg und gelangte am 3. Okt. 181g nach der Vaterfladt, die er vor
23 Jahren als Schüler verlalfen hatte und in die er nun als der berühmtere Bild-
hauer feiner Zeit zurückkehrte.
Unter den zahlreichen Feften, mit denen man feine Anwefenheit in Kopen-
hagen feierte, hatte das von der Akademie veranflaltete eine befondere Bedeu-
tung durch die Rede des Dichters Oehlenfchläger, welcher der vaterländifchen
Begeiferung für den KünfUer beredten Ausdruck verlieh: "Hat der Gothe auch
gefrevelt, fo hat der Gothe feine Frevel jetzt wieder gut gemacht. Haben
untere Vorfahren in Rom die Bildfäulen niedergehauen, fo erheben hch jetzt
neue, Griechenlands würdig, durch die Kunft des Nordländers.w "Eine Bitte
habe ich nocht<, fchlofs der Redner, an Thorwaldfen gewendet, »und ich glaube
die Mehrzahl theilt he mit mir: Lenke deine Gedanken zuweilen auf die Götter-
fchaar des alten Nordens, auf die erflen herrlichen Vorftellungen eines Volkes,
von welchem du felbft Itammf.« Trotz diefer feierlichen Aufforderung hat
Thorwaldfen wohl niemals ernflich daran gedacht, hch mit jenen Vorftellungen
vertraut zu machen; zwifchen der Welt des griechifchen Mythus, in der feine
Phantafie heimifch war, und dem Reiche der nordifchen Sage ilt eine Kluft, die
er nicht fo leicht zu überfpringen vermochte; auch flehen der künhlerifchen,
zumal der plaftifchen Verwirklichung jener Vorftellungen Schwierigkeiten ent-
gegen, die in der Natur diefer Vorftellungen felbft, vor Allem in einer gewiffen
Unbeftimmtheit ihres fymbolifchen Charakters begründet find. Einer der begab-
teren Schüler Thorwaldfens, Herrn. Freund, der fpäter in Kopenhagen thätig war
und offenbar unter dem Einhufs des Oehlenfchlägerfchen wRomanticismusa fand,
hat hch mehrmals an Darfellungen aus der nordifchen Mythologie verfucht,
welche diefe Schwierigkeiten deutlich genug erkennen Iahen. Für Thorwaldfens
künflerifche Thätigkeit war lein Aufenthalt in Kopenhagen infofern epoche-
machend, als er die Veranlahung wurde zu umfahenden Darfellungen aus dem
Gebiet chriflicher Stofe, die er bisher nur ausnahmsweife behandelt hatte.
Vom König erhielt er in Kopenhagen den Auftrag zur Ausführung eines um-
fangreichen Sculpturenfchmuckes (der Chrifusfatue, der zwölf Apofel und einer
Giebelgruppe) für die damals noch im Bau begrifene Frauenkirche.
Auf der Rückreife nach Italien, die er am 11. Aug. 1820 antrat, nahm er
feinen Weg zunächf wieder durch Deutfchland. In Berlin verweilte er mehrere
Tage in Gefellfchaft Rauch's, der feit feinem Aufenthalt in Rom (1803—14) ihm
nahe befreundet war. Dann ging er über Dresden und Breslau nach Warfchau,
um die Verhandlungen wegen eines Denkmals für Poniatowski, die fchon feit
einigen Jahren im Gange waren, zum Abfchlufs zu bringen. Er übernahm den
Auftrag für diefes Monument und gleichzeitig noch einen zweiten für Errichtung
eines Kopernikus-Denkmals in Warfchau. Kaifer Alexander von Russland, der
damals dort anwefend war, liels fch von ihm porträtiren. In Krakau befuchte
Thorwaldfen die Fürfin Potecka, die von feiner Hand fchon feit längerer Zeit
 
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