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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 3, Kampf und Ausgang
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0034
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CORNELIUS: DAS WELTGERICHT.

Seit Kopernikus id das anders: die Erde nimmt eine befcheidene Stelle abfeits
vom Zentrum ein und ihre Bewohner werden fleh auch mehr und mehr zu
befcheidenerer Beurtheilung des Werthes ihres lieben Selblt bequemen mühen.
So leicht wir uns hidorifch in die frühere Empfindungsweile verfetzen, zumal
wenn ein Bildwerk dieler Art zugleich in der Kundform den Charakter einer
älteren Zeit trägt und Schon dadurch lieh als hidorilch zu betrachtendes Werk
giebt, fo fchwer fällt es, einem unferer Zeit entfproflenen Werke diefes Inhaltes,
welches mit dem vollen Anlpruch einer kündlerilchen Leidung vor uns hintritt
und die ganze, dem Kündler zu Gebote flehende Macht, realidifche Wahr-
fcheinlichkeit zu erwecken, entladet, lieh lomit an unfer ädhetifches Wohlgefallen
wendet, zugleich die Gewalt wirkungsvoller Predigt, die Ueberzeugungskraft einer
mit der Wirklichkeit lieh deckenden, allo fachlich wahren Lehre zuzugedehen.
So döfst das Werk in feiner Grundtendenz, fo wie in feiner Vorausfetzung, die
mit einer Grundanlchauung der Zeit und den von ihm felbd angewendeten
Kundmitteln nicht im Einklang flehen, auf entschiedenen Widerfpruch. Dazu
kommt die Ungund des Baues, welcher dem Werke nicht das Licht gewährt,
deflen es bedarf, auch wohl der ungündig wirkende, keinen Kontrad bietende
Rahmen, der gegen Cornelius' Angabe geichaffen worden iE, endlich die Schwierig-
keit, das gefammte Werk einheitlich zu überfehen: tritt man lo weit zurück, wie
es hierfür nothwendig wäre, fo fehlt die Deutlichkeit; tritt man näher, um diefe
zu gewinnen, lo verliert man den Eindruck des Ganzen. Am meiden aber und
mit vollem Recht empfindet man den Mangel der Einheit des Tones: die wenig
harmonirenden Farben End grell nebeneinandergefetzt und der Farbeneindruck
iE der der Buntheit. Man genieist daher das Werk im Stich (von Merz), oder
im Karton, den die Nationalgalerie in Berlin beEtzt, nicht nur beffer, fondern
man gelangt hier erd zur Werthlchätzung des Bildes. Gerade diefer Mangel
der malerifchen Wirkung der Farbe war aber für das Urtheil der unmittelbaren
Zeitgenoden und vor allen des Königs von Entscheidung. Cornelius hatte mit
diefem Werke zeigen wollen, was er auch als Maler leiden könne. Das ganze
riefenhafte Werk hat er eigenhändig gemalt, ohne es von einer fremden Hand
berühren zu laden. Von 1836 an, nachdem der Karton in Rom von 1833 — 35
gelchaden worden war, hatte Cornelius bis 1840 leine bede Kraft daran gewendet,
um durch volle Einfetzung feiner Perfon den Beweis zu liefern, dals fein Schaden
nicht blols zeichnerischen, fondern auch malerilchen Charakter habe, und am
Schluffe diefes audeibenden Kampfes mulste er erkennen, dals er den Sieg nicht
fo errungen hatte, wie er es geglaubt und gehofft. Die Art, wie ihm das
bemerkbar gemacht wurde (Förder II, S. 131), war fo rückdchtslos wie möglich:
aber wenn auch diefe äulsere Formverletzung nicht eingetreten wäre — der
Gegenlatz lag zu tief als dals eine Entscheidung hätte ausbleiben können. Wie
Cornelius Schon 182p daran gedacht hatte, die haltlos gewordene PoEtion auf-
zugeben, fo war er jetzt, nachdem fein Ringen und Kämpfen der neuen kolo-
ridiSchen Richtung gegenüber Eeglos geblieben war, um fo feder dazu entfchloden.
Mit der ihm eigenen Energie that er Sofort die nöthigen Schritte, indem er feine
Kraft dem neuen Könige von Preulsen, Friedrich Wilhelm IV., zur Verfügung
dellte. Diefer geidvolle, für die romantifche Kund begeiderte Monarch, der
 
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