PIERRE-PAUL PRUDHON.
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geboren, hatte hch ihr Wefen von Jahr zu Jahr verfchlimmert; ihre Anfprüche
wurden unerträglich; he fcheute vor keinerlei Gewaltfamkeit mehr zurück und
bereitete Prudhon täglich die heftigften, fkandalöfeften Scenen, die fein Zartgefühl
aufs Aeufserfte verletzten. Die Vernachläfhgung der Wirthfchäft, ja der mütter-
lichen Sorge nöthigte ihn oft felber nachzuhelfen, und feine Freunde überrafchten
ihn manches Mal, wie er, auf beiden Knieen mit feinen Trampelnden Phege-
befohlenen beiaden, vor der Staffelei fafs, mit Pinfel und Palette in der Hand.
"So fchuf er jene Kinderfcenen", erzählt ein Augenzeuge, «deren reine Naivetät
foviel zu feinem Ruhme beigetragen "
Aber die unaufhörlichen Mifshelligkeiten am häuslichen Herd, die Anftrengung,
die er machte, he zu ertragen, fchädigten feine Gefundheit und legten den Keim
der Krankheit, die ihn ins Grab gebracht; eine flete Melancholie bemächtigte
hch feines Gemüths, nie kam ein Lächeln mehr auf feine Lippen. Mehrmals war
er nahe daran, hch das Leben zu nehmen. Seinen Freunden, die dies beunruhigte,
gelang es glücklich, ihn zu dem einzigen Mittel zu beftimmen, das ihn aus der
Verzweiflung retten konnte, zur Scheidung von feiner Frau. Sie wurde voll
zogen; er lebte eine Zeit lang in völliger Zurückgezogenheit und verzichtete
auf Alles, um das Jahrgeld für feine Frau und die Erziehung feiner Kinder zu
behreiten. Aber felbfl dann noch verfolgte ihn feine Peinigerin, erbrach die
Thür, wenn er hch eingefchloffen, oder liefs, wenn he feiner felbfl nicht habhaft
werden konnte, ihre Launen an den Nachbarn aus und ftörte mit ihrem Gekeife
die ganze Künfllerkolonie in der Sorbonne. Prudhons Klage beim Direktor der
Mufeen änderte nichts. Erft als hch die Unglückfelige bis zur Kaiferin verirrte
und hch auch gegen he fchamlos betrug, wurde he als geifteskrank in Gewahr-
fam gebracht.
Zu gleicher Zeit indeffen erwuchs dem armen Meifter ein Troft in einer
Schülerin, die bald zur beglückenden Sonne feines Dafeins ward. Nicht lange
nach feiner Ueberhedelung in die Sorbonne verband er hch auf dringende Bitten
eines Freundes dazu, Fräulein Conftance Mayer, die aus dem Atelier Suvee's, der
als Akademiedirektor nach Rom ging, in das Greuze's übergetreten war, nebenher
weiter zu bilden. Er fträubte hch anfangs und verfuchte mehrfach die Fortfetzung
zu hintertreiben, liefs es dann über hch ergehen, und merkte bald, wie zwifchen
ihm und feiner Schülerin die innigfte Zuneigung gedieh. Conftance Mayer-Lamar-
tiniere, um 1775 geboren, flammte aus vornehmer Familie; ihr Vater war ein
höherer Beamter der Zolladminiftration, he felbfl trefflich erzogen, fein gebildet
und voll liebenswürdiger Geiftesgaben. Bald machte he hch ganz bei Prudhon
heimifch, nahm ihm faft alle Sorgen für die Kleinen ab und half dem verehrten
Lehrer, der für die praktifchen Dinge des Lebens wenig Gefchick befafs, in jeder
Weife. Nach dem Tode ihres Vaters zog he 1810 ebenfalls in die Sorbonne
und benutzte ihr kleines Vermögen, die Häuslichkeit zu verfchönen, die Ausbildung
der Söhne zu fördern, ja zu einer Mitgift für die Tochter. Im Atelier arbeitete
he an Prudhons Seite, übernahm die Vorbereitung feiner Gemälde, deren einige
ihr faft allein anvertraut wurden, beforgte fogar seine Korrefpondenz und machte
die Wirthin, wenn der kleine Freundeskreis hch bei ihnen zufammenfand. Sie
war ihm eine vcrftändnifsvolle, bewundernde Freundin, die Vertraute feines
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geboren, hatte hch ihr Wefen von Jahr zu Jahr verfchlimmert; ihre Anfprüche
wurden unerträglich; he fcheute vor keinerlei Gewaltfamkeit mehr zurück und
bereitete Prudhon täglich die heftigften, fkandalöfeften Scenen, die fein Zartgefühl
aufs Aeufserfte verletzten. Die Vernachläfhgung der Wirthfchäft, ja der mütter-
lichen Sorge nöthigte ihn oft felber nachzuhelfen, und feine Freunde überrafchten
ihn manches Mal, wie er, auf beiden Knieen mit feinen Trampelnden Phege-
befohlenen beiaden, vor der Staffelei fafs, mit Pinfel und Palette in der Hand.
"So fchuf er jene Kinderfcenen", erzählt ein Augenzeuge, «deren reine Naivetät
foviel zu feinem Ruhme beigetragen "
Aber die unaufhörlichen Mifshelligkeiten am häuslichen Herd, die Anftrengung,
die er machte, he zu ertragen, fchädigten feine Gefundheit und legten den Keim
der Krankheit, die ihn ins Grab gebracht; eine flete Melancholie bemächtigte
hch feines Gemüths, nie kam ein Lächeln mehr auf feine Lippen. Mehrmals war
er nahe daran, hch das Leben zu nehmen. Seinen Freunden, die dies beunruhigte,
gelang es glücklich, ihn zu dem einzigen Mittel zu beftimmen, das ihn aus der
Verzweiflung retten konnte, zur Scheidung von feiner Frau. Sie wurde voll
zogen; er lebte eine Zeit lang in völliger Zurückgezogenheit und verzichtete
auf Alles, um das Jahrgeld für feine Frau und die Erziehung feiner Kinder zu
behreiten. Aber felbfl dann noch verfolgte ihn feine Peinigerin, erbrach die
Thür, wenn er hch eingefchloffen, oder liefs, wenn he feiner felbfl nicht habhaft
werden konnte, ihre Launen an den Nachbarn aus und ftörte mit ihrem Gekeife
die ganze Künfllerkolonie in der Sorbonne. Prudhons Klage beim Direktor der
Mufeen änderte nichts. Erft als hch die Unglückfelige bis zur Kaiferin verirrte
und hch auch gegen he fchamlos betrug, wurde he als geifteskrank in Gewahr-
fam gebracht.
Zu gleicher Zeit indeffen erwuchs dem armen Meifter ein Troft in einer
Schülerin, die bald zur beglückenden Sonne feines Dafeins ward. Nicht lange
nach feiner Ueberhedelung in die Sorbonne verband er hch auf dringende Bitten
eines Freundes dazu, Fräulein Conftance Mayer, die aus dem Atelier Suvee's, der
als Akademiedirektor nach Rom ging, in das Greuze's übergetreten war, nebenher
weiter zu bilden. Er fträubte hch anfangs und verfuchte mehrfach die Fortfetzung
zu hintertreiben, liefs es dann über hch ergehen, und merkte bald, wie zwifchen
ihm und feiner Schülerin die innigfte Zuneigung gedieh. Conftance Mayer-Lamar-
tiniere, um 1775 geboren, flammte aus vornehmer Familie; ihr Vater war ein
höherer Beamter der Zolladminiftration, he felbfl trefflich erzogen, fein gebildet
und voll liebenswürdiger Geiftesgaben. Bald machte he hch ganz bei Prudhon
heimifch, nahm ihm faft alle Sorgen für die Kleinen ab und half dem verehrten
Lehrer, der für die praktifchen Dinge des Lebens wenig Gefchick befafs, in jeder
Weife. Nach dem Tode ihres Vaters zog he 1810 ebenfalls in die Sorbonne
und benutzte ihr kleines Vermögen, die Häuslichkeit zu verfchönen, die Ausbildung
der Söhne zu fördern, ja zu einer Mitgift für die Tochter. Im Atelier arbeitete
he an Prudhons Seite, übernahm die Vorbereitung feiner Gemälde, deren einige
ihr faft allein anvertraut wurden, beforgte fogar seine Korrefpondenz und machte
die Wirthin, wenn der kleine Freundeskreis hch bei ihnen zufammenfand. Sie
war ihm eine vcrftändnifsvolle, bewundernde Freundin, die Vertraute feines