SEIN SCHAFFEN.
ILLUSTRATIONEN.
21
Arm umfchlungen und läfst hch's gefallen, dafs feine Hand ihr Kinn erfafst und
fein Mund einen heifsen Kufs auf ihre Wange drückt. Wohl fchliefst he die
Augen und fafst feinen Arm, als wollte he ihm wehren; aber die andre Hand
hnkt läfhg in feinen Schoofs. Matt fchimmert die Flamme vom Kandelaber
herab, die Liebesgötter lugen kichernd zwifchen Kiffen und Vorhang. So malt
uns Prudhon Bernards «En Jouir." (vgl. Br. 92.) Mit zarter Rückhcht präludirt
er, deutet an, wie die Unfchuld erröthend und fcheu, beglückt und doch zagend
der Hingebung weicht, bietet uns ein eigenes wundervolles Gedicht, viel zu gut
als Illuhration des unerträglichen Poeten, den er dichten lehrt wie Anakreon.
Grade ihn aber hat Prudhon noch durch eine andre Darhellung von grofs-
artig tiefer Emphndung verherrlicht: Phrohne und Melidor, eine Scene aus Bernards
Roman in Verfen, die er im Salon 1798 in Zeichnung und Stich aushellte. Es
ift eine Umkehrung von Hero und Leander. Durch die fündhafte Eiferlucht eines
Bruders von dem Geliebten getrennt, fchwimmt Phrohne bei Nacht über den
Meeresarm, wo er drüben als Einhedel häuft. Er ift vom heilen Fels hinunter-
geftiegen und hat ein Feuer angezündet, ihr zu leuchten ; aber der Mond bricht
halb aus den Wolken und blickt über das düftere Ufer, die fchimmernde Meerhuth
und auf das einfame Menfchenpaar im Waffer. Inbrünhig hält der Jüngling im
dunklen Mönchsgewand den nackten Leib der Ohnmächtigen umfchlungen, deren
Haupt und Glieder erfchöpft herabhangen. Vom doppelten Licht des Feuers
und des Mondes umhoffen, hebt hch die weifse Gehalt von edlem Wuchs und
mächtigen Formen leuchtend aus den Schatten der Nacht. Der Kufs des Ein-
hedlers fafst die ganze humm verhaltene Leidenfchaft zufammen, die in diefem
Bilde wohnt. — Prudhon felbh wollte feine Zeichnung in Kupfer hechen; er
hat die Platte begonnen und ihr die Wärme mitgetheilt, die ihn bei feiner
Schöpfung befeelte. Die Vollendung freilich wurde dann Roger anvertraut.
Nicht minder vergehen als diefe Reimerei des Maitreffendichters ih der Roman
La Tribu indienne oder Eduard und Stellina von Lucien Bonaparte (Paris, Honert,
an VII. 2 vol. in-12.), den Prudhon mit fünf kleinen Illuhrationen gefchmückt
hat. Diefe zierlichen Bildchen hehen alle hinter dem Titelblatt zurück, das eine
Allegorie auf die Moral der ganzen Gefchichte enthält. Zur Seite auf einem
Grabmal liegt die kauernde Gehalt eines Greifes, aus deffen Händen reichliche
Goldhücke herabrollen. Gierig greift darnach ein junger Mann, der mit einem
Gefäfs heraneilt, gleichgültig, ob er dabei ein junges Weib zu Boden tritt, das
jammernd ein Kind an der Brüh hält. Die wühe rückhchtslofe Leidenfchaft der
Habfucht ih treffend charakterihrt, die hahige Bewegung des Mannes wirkfam,
die Zeichnung und Formgebung fogar grofsartig zu nennen.
Die prachtvolle Ausgabe des Racine, die 1801 —1805 in drei Foliobänden
bei Pierre Didot erfchien, enthält neben den Darhellungen von Girodet, Gerard
und Chaudet ein Titelkupfer von Prudhon, das wie vom Geih der goldenen Zeit
des Dichters felber eingegeben fcheint. Die Unherblichkeit thront auf der einen
Seite und fetzt einen Kranz auf das Haupt des Poeten, der hch neigend herzu-
tritt, geführt vom Genius und der tragifchen Mufe. Hinter ihnen fchauen die
Bühen der alten Klafhker herab. Wir behtzen die Zeichnung (Braun 85) und
einen etwas abweichenden Entwurf, wo die Göttin dem Ankommenden die Hand
ILLUSTRATIONEN.
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Arm umfchlungen und läfst hch's gefallen, dafs feine Hand ihr Kinn erfafst und
fein Mund einen heifsen Kufs auf ihre Wange drückt. Wohl fchliefst he die
Augen und fafst feinen Arm, als wollte he ihm wehren; aber die andre Hand
hnkt läfhg in feinen Schoofs. Matt fchimmert die Flamme vom Kandelaber
herab, die Liebesgötter lugen kichernd zwifchen Kiffen und Vorhang. So malt
uns Prudhon Bernards «En Jouir." (vgl. Br. 92.) Mit zarter Rückhcht präludirt
er, deutet an, wie die Unfchuld erröthend und fcheu, beglückt und doch zagend
der Hingebung weicht, bietet uns ein eigenes wundervolles Gedicht, viel zu gut
als Illuhration des unerträglichen Poeten, den er dichten lehrt wie Anakreon.
Grade ihn aber hat Prudhon noch durch eine andre Darhellung von grofs-
artig tiefer Emphndung verherrlicht: Phrohne und Melidor, eine Scene aus Bernards
Roman in Verfen, die er im Salon 1798 in Zeichnung und Stich aushellte. Es
ift eine Umkehrung von Hero und Leander. Durch die fündhafte Eiferlucht eines
Bruders von dem Geliebten getrennt, fchwimmt Phrohne bei Nacht über den
Meeresarm, wo er drüben als Einhedel häuft. Er ift vom heilen Fels hinunter-
geftiegen und hat ein Feuer angezündet, ihr zu leuchten ; aber der Mond bricht
halb aus den Wolken und blickt über das düftere Ufer, die fchimmernde Meerhuth
und auf das einfame Menfchenpaar im Waffer. Inbrünhig hält der Jüngling im
dunklen Mönchsgewand den nackten Leib der Ohnmächtigen umfchlungen, deren
Haupt und Glieder erfchöpft herabhangen. Vom doppelten Licht des Feuers
und des Mondes umhoffen, hebt hch die weifse Gehalt von edlem Wuchs und
mächtigen Formen leuchtend aus den Schatten der Nacht. Der Kufs des Ein-
hedlers fafst die ganze humm verhaltene Leidenfchaft zufammen, die in diefem
Bilde wohnt. — Prudhon felbh wollte feine Zeichnung in Kupfer hechen; er
hat die Platte begonnen und ihr die Wärme mitgetheilt, die ihn bei feiner
Schöpfung befeelte. Die Vollendung freilich wurde dann Roger anvertraut.
Nicht minder vergehen als diefe Reimerei des Maitreffendichters ih der Roman
La Tribu indienne oder Eduard und Stellina von Lucien Bonaparte (Paris, Honert,
an VII. 2 vol. in-12.), den Prudhon mit fünf kleinen Illuhrationen gefchmückt
hat. Diefe zierlichen Bildchen hehen alle hinter dem Titelblatt zurück, das eine
Allegorie auf die Moral der ganzen Gefchichte enthält. Zur Seite auf einem
Grabmal liegt die kauernde Gehalt eines Greifes, aus deffen Händen reichliche
Goldhücke herabrollen. Gierig greift darnach ein junger Mann, der mit einem
Gefäfs heraneilt, gleichgültig, ob er dabei ein junges Weib zu Boden tritt, das
jammernd ein Kind an der Brüh hält. Die wühe rückhchtslofe Leidenfchaft der
Habfucht ih treffend charakterihrt, die hahige Bewegung des Mannes wirkfam,
die Zeichnung und Formgebung fogar grofsartig zu nennen.
Die prachtvolle Ausgabe des Racine, die 1801 —1805 in drei Foliobänden
bei Pierre Didot erfchien, enthält neben den Darhellungen von Girodet, Gerard
und Chaudet ein Titelkupfer von Prudhon, das wie vom Geih der goldenen Zeit
des Dichters felber eingegeben fcheint. Die Unherblichkeit thront auf der einen
Seite und fetzt einen Kranz auf das Haupt des Poeten, der hch neigend herzu-
tritt, geführt vom Genius und der tragifchen Mufe. Hinter ihnen fchauen die
Bühen der alten Klafhker herab. Wir behtzen die Zeichnung (Braun 85) und
einen etwas abweichenden Entwurf, wo die Göttin dem Ankommenden die Hand