Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI Artikel:
Schmarsow, August: Pierre Prudhon: geb. zu Cluny 1758, gest. zu Paris 1823
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0217
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

PIERRE-PAUL PRUDHON.

demfelben Ziel entgegen. Es iE der Genius und das Studium im vereinten Auf-
fchwung. Voll Leben und Wahrheit find diefe kindlichen Leiber mit zarteftem
Gefühl für die Weichheit der Lormen modellirt; die Harmonie der Linien unter-
ftützt die Wirkung diefer glücklichen Kompohtion, die in ihrer Einfachheit um
fo reiner die Seele offenbart, die ihr Prudhon eingehaucht, (vgl. S 13.)
Kühner, komplizirter, aber auch nicht fo ganz gelungen ifl die 1803 vollendete
Darflellung Diana's vor Jupiter im Olymp. Indefs, wie ganz anders als das
begehende Herkommen vorfchrieb, ift hier fchon der Gegenftand aufgefafst!
Bittend naht fleh die jungfräuliche Tochter dem Götterkönig, der zur Linken
thronend in Parker Untenficht kaum im Brohl gefehen wird. In kurzer Tunika,
den Köcher über der Schulter, ift he leicht wie eine Schwalbe herzugeeilt und
berührt vertraulich mit der einen Hand die Knie des Alten, begleitet mit der
andern den Herzenswunfch, den he ausfpricht, zärtlich und zuverhchtlich, wie
ein Kind, das an die Erfüllung feiner Bitten gewöhnt ift. Und Jupiter erfcheint
als ehrwürdiger Mann mit grauem Haar', der he väterlich empfängt. Nur im
fchimmernden Goldlicht drüben wird die Schaar der andern Olympier hchtbar,
Iris, Vefta und Athene zur Rechten, bleichere Schattengeftalten gegen die Vorder-
gruppe, die hch kräftig abhebt. Diefer zwiefache Charakter ftört die einheitliche
Wirkung: vor dem goldenenen Duft und Staub des Grundes die fcharfgeformten
Hauptperfonen, ein leibhaftiger Adler und frifche lebendige Amoretten. Dazu
kommt, dafs ihre Zeichnung nicht fehlerfrei, Jupiters Arm zu lang, die Lormen
der Göttin nicht recht ausgefüllt find. Dagegen ift der Ausdruck des rührend
eindringlichen Llehens, die edle Bildung und Leichtigkeit meifterhaft, der leuch-
tende Licht- und Larbeneffekt gerade bei einem Deckenbilde höchft lobenswerth.
Noch fchwankt das Gelingen; hier liegt der Vorzug im Malerifchen, dort
in der Zeichnung: aber die Hauptfache, die Kraft des fchöpferifchen Gedankens,
die Seele des eigenartigen Gebildes, fpricht hch aus, klar und leicht überall. Zur
höchften Meifterfchaft dringt er dann bei einer dritten Arbeit hindurch, mit der
er nach mancherlei Umgeftaltung erft 1808 hervortrat.
«Gerechtigkeit und Rache verfolgen das Verbrechen", ift das Thema, das
ihn feit 1804 befchäftigt, und wir können an der Hand feiner eigenen Briefe
und Zeichnungen den Prozefs des Werdens gleichfam beobachten. Während
eines Diners bei feinem Gönner Lrochot kam ihm der erfte Gedanke. Man fprach
über ein Gemälde für den Sitzungsfaal des Palais de Justice, das die Stadt bc-
ftellen wollte. Lrochot citirte die Verfe von Horaz:
Raro antecedentem scelestum
Deseruit poena ....
Prudhon erhebt hch von der Tafel, eilt in Lrochots Kabinet, nimmt eine Leder
und wirft mit grofsen Zügen eine Skizze aufs Papier, die alle begeiftert. Dann
folgt eine Zeit der Rehexion: er liebkoft die fruchtbare Idee, überlegt ihre
Wirkung und geht mit feiner ganzen Erfahrung zu Rath. Am 10. florcal 1804
fchreibt er an den Präfekten einen Brief, in dem er fchildert, was ihm vorfchwebt.
«Nemehs zieht das Verbrechen und die Ruchlohgkeit vor das Tribunal der
Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit mit dem Schwert, umgeben von der Stärke,
der Klugheit und Mäfsigung, fpricht das Todesurtheil. Das blutende Opfer des
 
Annotationen