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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Schmarsow, August: Pierre Prudhon: geb. zu Cluny 1758, gest. zu Paris 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0237
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PIERRE-PAUL PRUDHON.

müffen, fobald der KünEler uns in feine eigene ideale Welt verfetzt. Es iE uns
weit mehr werth als die feelenlofen Gefchöpfe Davids, die fo viel von echter
Weiblichkeit entbehren, fchon als Ausprägung und Beifpiel des Zeitgefchmacks.
Doch fpiegelt lieh darin noch mancher andere Eindruck, Vorbilder, die wir alle
kennen und verehren; iE es doch vielmehr ein Refultat feiner künElerifchen Aus-
bildung, aus Faktoren zufammengefetzt, die er felbE gewählt. Spielt nicht Lio-
nardo's bezauberndes Lächeln hinein und Correggio's wonnige Verzückung, Formen
und Mienen der Lieblingstypen feiner beiden erklärten Führer! Sein Amor und
feine Kinder mit den grofsäugigen KatzengeEchtern bezeugen am beEen, wie
fympathifch ihm der Anflug faunifchen Wefens war. Die Zeichnung mit den
drei Halbhguren eines Jünglings zwifchen Tugend und LaEer (Br. 50) verräth
uns, wie er den Wegen Lionardo's nachging. Gehört nicht auch das Bildnils
ConEanze Mayers mit dem lächelnd geöffneten Mund in die nämliche Reihe?
Niemand wird ihm ein Eigenthum anfechten, das lieh als adäquater Ausdruck
feiner eigenen Natur erweiE. Und er hat mit diefem Kapital reichlich und glück-
lich gewuchert, den Typus Eets abgewandelt je nach den Charakteren, die er
wiedergeben wollte, ihn hier mit füfser Sinnlichkeit erfüllt und dort zu hoher
Idealität geEeigert. Er weifs für jede Sphäre den richtigen Ton zu treEen, mag
er uns das Weib Potiphars und Melidors kühne Geliebte vorEellen oder die
leidenfchaEslofen Gottheiten der Freiheit, der Gleichheit und des Gefetzes.
Wer unter allen ZeitgenoEen hätte lieh Einem Vorbilde Correggio fo glück-
lich zu nähern vermocht wie Prudhon in dem Kopf der Jo, den er in Correggio's
Bild (im Berliner Mufeum) für den vom Sohne des Regenten Orleans ausge-
fchnittenen um 1813 einzufügen hatte. Wie der hohe ErnE in den Schützerinnen
der Republik, iE hier eine erhöhte Sinnlichkeit durch den Reiz der malerifchen
Behandlung zu idealer Schönheit verklärt.
Und der Wahl des Typus entfprechend, weislich und wohlberechnet, iE bei
Prudhon auch die des KoEümes. Delecluze hat Recht, in den meiEen feiner
DarEellungen gehört die Kleidung keinem Lande und keiner beEimmten Zeit an;
— aber Ee follen es auch nicht, da er uns in das Reich feiner eigenen ErEndung
entrückt. AbEchtlich hat er das moderne KoEüm nicht in feine abErakten Kom-
poEtionen einführen wollen, und das antike mit fehr viel Gefchmack verändert.
Welche Vortheile er aus der Tagesmode zu ziehen verEand, beweifen feine
Vignetten zur Neuen Heloise. (Br. 87—90.) SelbE Moreau, der fonE darin fo
gefchickt iE, hat bürgerliche StoEe nie mit folchem Stil behandelt. Für die
neuen allegorifchen Wefen der Revolution war es am beEen, auch neue Gewan-
dung zu fchaffen. Seine mit Einem Sinn Eir die Vorzüge der Antike, doch nach
modernem Gefühl arrangirte Draperie giebt die Denkweife der Zeit viel wahr-
heitsgetreuer und liebenswürdiger als die antiquarifche Nüchternheit Davids.
Prudhon folgt eben den künElerifchen BedürfnifEn und dem malerifchen Zwecke
mehr als irgend einer andern RückEcht. Er drapirt und knotet, baufcht und
fchmeidigt, die Formen des Leibes hier zu verhüllen, dort fehn zu laffen, und
bringt Eets eine ungemein gefchmackvolle Gewandung «mit grofsen und entfehie-
denen Falten und Ruhe in den breiten Flächen*) zu Stande, wie er felbE einmal
dem jungen Devosge vorfchrieb. ErnE und grofsartig erfcheint die Gerechtigkeit
 
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