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PIERRE-PAUL PRUDHON.
Auch in fpäteren Arbeiten ih ein Unterfchied zwifchen den Zeichnungen
und Gemälden des Meihers und den Reproduktionen der Stecher und Litho-
graphen. Schon Blanc hat Laugiers Stich nach dem «fchaukelnden Zephyr" mit
dem Bilde verglichen und hebt den abweichenden Eindruck hervor. Die Gehalt
des Knaben nimmt in der Nachbildung mehr Raum ein, ift durch etwas derbe
Arbeit zu kräftig modellirt; der Hals erfcheint zu gedrungen, und das Ganze
hat an Leichtigkeit und Eleganz viel eingebüfst. Die Manier der Behandlung,
die Laugier gewählt hat, war für Prudhons duftige Schöpfung zu fchwerfällig.
Genug, man lernt des Künftlers eigene Art erft richtig, und durchgehends höher
fchätzen, feitdem die Originale zugänglich geworden find.
Darnach fehen wir in der falfchen Grazie, die den früheren Arbeiten anhaftet,
nur einen Tribut an die altgewohnte Gefchmacksrichtung, der felbft ein fanatifcher
Gegner wie David nicht entging, wenn die akademifche Gewohnheit lieh bei ihm
auch anders äufserte. In den Vignetten für die Regierung vereinigt Prudhon
bereits die franzöfifche Anmuth und Eleganz mit der antiken Linienfchönheit,
die wir in Gemmen und Kameen oder kleinen Vafenbildern bewundern. Stehen
feine Gehalten allein, oder feien he gruppirt, die Anordnung ift faft immer gleich
gelungen. In den neunziger Jahren leitet auch ihn noch hie und da die plaftifche
Auffafsung der herrfchenden Kunftweife, rundet fich die Einzelfigur wohl noch
ftatuarifch ab, baut fich die Kompohtion zur heilen Pyramide wie ein Standbild
auf, oder zieht fich locker in die Breite, wie ein Relief. Amor, der zur Raifon
gebracht wird, und das Gegenhück, das Gefetz, das dem Wüthenden wehrt, und
anderes ih noch in diefer Weife gedacht; die Prefecture de la Seine dürfte
einem Bildhauer gerecht fein. Feierlich zu breiter Pyramide ordnen fich die
allegorifchen Frauen im Bilde der Konhitution; in der Rache der Ceres gehorchen
drei Gehalten im erregtehen Moment und verfchiedenartigher Bewegung dem
hrengen Gefetz der Linie. Spät noch in dem Entwurf, wo das Verbrechen vor
das Tribunal der Gerechtigkeit gefchleppt wird, ringt er mit dem allgemeinen
Brauch reliefartiger Vertheilung; aber nur, um deho entfehiedener dann den Sieg
des malerifchen Prinzips zu feiern. Die Tiefe des Raumes, Luft und Licht, der
Zauber des Helldunkels und die Farbentöne find ihm allein mafsgebend, feitdem
er fich felbh gefunden. Die vollendete Einfachheit der Anordnung, das aus dem
innerhen Kern ^des Gegenhandes felbh gefchöpfte Gefetz der Gehaltung zeichnet
alle feine Kompofitionen aus. Daran erkennt man in der geringhen Studie, die
unter feinen Händen hervorging, einen Mann, der tief innerlich von den Schön-
heiten der Antike infpirirt ih. Bis ins XV. und XVI. Jahrhundert, zu den klafh-
fchen Italienern mühen wir zurückgehen, um Vergleichbares zu finden, aus dem
er feine Einfalt und Wahrheit gelernt, wenn es auch keinem hihorifchen Beur-
theiler beikommen wird, ihn diefen Vorbildern als ebenbürtig an die Seite
zu hellen.
Die grofse Darhellung, die uns vor den Thron der Unherblichkeit führt, ih
unverkennbar aus der Schule von Athen erwachfen. Aber in vollem Verhänd-
nifs feiner Aufgabe hat er nicht, wie Raphael dort, die allegorifchen Frauen hinaus
an die Decke verlegt, fondern hellt he mitten hinein unter ihre Jünger; diefe in-
defs find dem kräftigen Drang des Lebens entrückt, hier höfst nicht heftig
PIERRE-PAUL PRUDHON.
Auch in fpäteren Arbeiten ih ein Unterfchied zwifchen den Zeichnungen
und Gemälden des Meihers und den Reproduktionen der Stecher und Litho-
graphen. Schon Blanc hat Laugiers Stich nach dem «fchaukelnden Zephyr" mit
dem Bilde verglichen und hebt den abweichenden Eindruck hervor. Die Gehalt
des Knaben nimmt in der Nachbildung mehr Raum ein, ift durch etwas derbe
Arbeit zu kräftig modellirt; der Hals erfcheint zu gedrungen, und das Ganze
hat an Leichtigkeit und Eleganz viel eingebüfst. Die Manier der Behandlung,
die Laugier gewählt hat, war für Prudhons duftige Schöpfung zu fchwerfällig.
Genug, man lernt des Künftlers eigene Art erft richtig, und durchgehends höher
fchätzen, feitdem die Originale zugänglich geworden find.
Darnach fehen wir in der falfchen Grazie, die den früheren Arbeiten anhaftet,
nur einen Tribut an die altgewohnte Gefchmacksrichtung, der felbft ein fanatifcher
Gegner wie David nicht entging, wenn die akademifche Gewohnheit lieh bei ihm
auch anders äufserte. In den Vignetten für die Regierung vereinigt Prudhon
bereits die franzöfifche Anmuth und Eleganz mit der antiken Linienfchönheit,
die wir in Gemmen und Kameen oder kleinen Vafenbildern bewundern. Stehen
feine Gehalten allein, oder feien he gruppirt, die Anordnung ift faft immer gleich
gelungen. In den neunziger Jahren leitet auch ihn noch hie und da die plaftifche
Auffafsung der herrfchenden Kunftweife, rundet fich die Einzelfigur wohl noch
ftatuarifch ab, baut fich die Kompohtion zur heilen Pyramide wie ein Standbild
auf, oder zieht fich locker in die Breite, wie ein Relief. Amor, der zur Raifon
gebracht wird, und das Gegenhück, das Gefetz, das dem Wüthenden wehrt, und
anderes ih noch in diefer Weife gedacht; die Prefecture de la Seine dürfte
einem Bildhauer gerecht fein. Feierlich zu breiter Pyramide ordnen fich die
allegorifchen Frauen im Bilde der Konhitution; in der Rache der Ceres gehorchen
drei Gehalten im erregtehen Moment und verfchiedenartigher Bewegung dem
hrengen Gefetz der Linie. Spät noch in dem Entwurf, wo das Verbrechen vor
das Tribunal der Gerechtigkeit gefchleppt wird, ringt er mit dem allgemeinen
Brauch reliefartiger Vertheilung; aber nur, um deho entfehiedener dann den Sieg
des malerifchen Prinzips zu feiern. Die Tiefe des Raumes, Luft und Licht, der
Zauber des Helldunkels und die Farbentöne find ihm allein mafsgebend, feitdem
er fich felbh gefunden. Die vollendete Einfachheit der Anordnung, das aus dem
innerhen Kern ^des Gegenhandes felbh gefchöpfte Gefetz der Gehaltung zeichnet
alle feine Kompofitionen aus. Daran erkennt man in der geringhen Studie, die
unter feinen Händen hervorging, einen Mann, der tief innerlich von den Schön-
heiten der Antike infpirirt ih. Bis ins XV. und XVI. Jahrhundert, zu den klafh-
fchen Italienern mühen wir zurückgehen, um Vergleichbares zu finden, aus dem
er feine Einfalt und Wahrheit gelernt, wenn es auch keinem hihorifchen Beur-
theiler beikommen wird, ihn diefen Vorbildern als ebenbürtig an die Seite
zu hellen.
Die grofse Darhellung, die uns vor den Thron der Unherblichkeit führt, ih
unverkennbar aus der Schule von Athen erwachfen. Aber in vollem Verhänd-
nifs feiner Aufgabe hat er nicht, wie Raphael dort, die allegorifchen Frauen hinaus
an die Decke verlegt, fondern hellt he mitten hinein unter ihre Jünger; diefe in-
defs find dem kräftigen Drang des Lebens entrückt, hier höfst nicht heftig