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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Graul, Richard: Antoine-Jean Gros: geb. am 17. März 1771 in Paris, gest. daselbst am 25. Juni 1835
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0261
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ANTOINE-JEAN GROS.

mit hihorifchen und folchen, die dem Leben der unmittelbaren Gegenwart ent-
flammten, die Cherubim und Seraphim mit modernen höchh profaifchen Menfchen
gepaart, das Alles zu einheitlicher ähhetifcher Wirkung zufammenzufaffen, hätte auch
ein göfserer Meiher als Gros nicht vermocht. Die fymbolifche Bedeutung gelangt
nicht zum Verfländnifs, und doch ih die Gelammtwirkung, Dank dem kräftigen
Kolorit und der glücklichen Dispolition, nicht ohne Eindruck auf den Befchauer,
weicheres unternimmt, lieh der Kuppelwölbung um 328 Stufen zu nähern. ImEinzelnen
weilt die Kompolition Tüchtiges auf, befonders mufs auf den gefälligen Flufs
der Zeichnung, auf die verltändnifsvolle Typik der hiltorifchen Gehalten, nament-
lich aber auf die meilterhaft verkürzten Engel aufmerklam gemacht werden.
Das Kuppelgemälde im Pantheon war Gros' letzter Triumph, man überfchüttete
ihn mit tiberfchwenglichem Lobe, pries in ihm nicht ganz mit Unrecht den
Erneuerer der monumentalen Dekorationsmalerei in Frankreich und hellte ihn
kühn einem Rubens an die Seite. Karl X. aber machte ihn zum Baron.
Indeffen derlei ideale Aufgaben waren nicht die Sache des Künhlers. Das
beweifen in unzweideutiger Weife die beiden Deckengemälde, welche er im
Louvre ausführte (182/—1831: wder wahre Ruhm hützt lieh auf die Tugend«
in der Salle des Colonnes, und uder Genius Frankreichs belebt die Künhe und
befchützt die Menfchheit« in der Salle hihorique). Beide Malereien wirken noch
einigermafsen durch eine gefällige Führung der Linien, ohne jedoch den Schwung
der Pantheongemälde zu erreichen. Die Kritik, welche an den Werken des vom
Glück verwöhnten Künhlers geübt wurde, fing an immer unfanfter zu werden und
traf hinter dem Künhler den emphndfamen Menfchen. Ein Reiterporträt
Karl's X., welches Gros im Jahre 182/ aushellte, wurde unerbittlich fcharf
angegriffen; das Julikönigthum zudem vernachläfhgte den unglücklichen Baron,
und als es ihn wirklich noch zum Schlachtenmaler erkor — er follte die Schlacht
bei Jena malen —, dafchrieb er in gereizter Stimmung ab. Keine Ueberhäufung
mit Orden und Ehrendiplomen vermochte ihn zu tröhen, er fühlte, dafs er
fich überlebt habe, aber er war nicht hark genug, feinen Bankerott einzugehehen,
nicht gentigfam und felbhgefällig genug, um fich auf feinen Lorbeeren auszu-
ruhen. Die Reihen feiner Strebensgenoffen hatten fich gelichtet. David war 1823
gehorben, kurz vorher Girodet, Guerin folgte 1833 nach. Häusliches Ungemach,
das ihm feine Frau — er hatte im Juli 180p M'^ Auguhine Dufresne, ohne
Neigung, wie es fcheint, geheirathet —, eine frömmelnde Xanthippe, bereitete, ver-
bitterte noch mehr fein freudlofes Dafein. Gros verfank in melancholifches
Grübeln und hürzte hch mit der Energie der Verzweiflung in David's klafhfehen
Dogmatismus. Indem er hch gegen die Stimme einer neuen Zeit mit dem ver-
derblichen Heroismus der Taubheit wappnete, wurde er der Märtyrer des
Klafhzismus in der franzöfifchen Kunh. Gewaltig regte hch das herrliche Ge-
fchlecht der dreifsiger Jahre; die Romantik, von Gericault vorbereitet, drang
hegend durch und brach rückhchtslos mit den Traditionen derDavid'fchen Schule.
In diefer Zeit wandte hch Gros, deffen Talent für biblifche und mythologifche
Darhellung fchon an Stoffen wie feine oSappho«, fein aDavid und Saul« (1821)
und fein ^Bacchus und Ariadne« (1824) Schiffbruch erlitten hatte, mit verhängnifs-
 
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