34
EUGENE DELACROIX.
dann hinzu, "das Ucbrige beunruhigt mich nicht mehr. Ich will mich jetzt an
die Architektur machen und mich in Betreff des Deckengebälks an Zeichnungen
halten, welche ich im Juflizpalaft zu Rouen angefertigt habe." Uebrigens fprach
Delacroix fchon damals die Meinung aus, dafs fein Bild am beflen bei Lampen-
licht wirken würde, welches durch Reflektoren zu verflärken wäre, eine Anficht,
deren Richtigkeit fleh nachmals durch Proben betätigt hat. In feiner geihvollen
Analyfe diefes Bildes fagt Chesncau über die technifchc Seite desfelben: "Die
Ausführung erinnert an die fchönflen Stücke, welche man von den verfchicdcn-
artigflen Mehlem nennen kann. Nicht dafs irgendwo Nachahmung zu finden
wäre, aber um eine derartige Virtuohtät zu charakterifiren, mufs man Namen
der entgegcngefetzteflen Richtungen nennen: Rcmbrandt wegen der myflifchen
Ilclldunkelwirkung der hohen Architektur, Rubens wegen der wunderbar hin-
reifsenden Gewalt in der Geflaltung der Gruppe um den Bifchof, die Nieder-
länder wegen der geihvollen Feinheit in der Wiedergabe der Lichter auf den
Lüftungen, auf den leuchtenden und glänzenden Gegenftänden, die zufällig einen
Blitz oder einen Reflex auffangen; Chardin wegen der Analogie in der Wieder-
gabe verfchiedcncr Gcgenftände, eines Pokals, einer Goldfchmiedearbcit, welche
keine eigene Farbe, keinen Lokalton hat und nur Farbe von den he umgeben-
den Tönen erhält, die in einer aufserordcntlich gefchicktcn Mifchung von un-
endlich oft fleh kreuzenden und fleh vermehrenden Reflexen und Kontrerehexen
zuriickgeftrahlt werden; Delacroix endlich fclbft wegen der ausgefuchten Kunft,
mit welcher er abwechfelnd glänzende und vcrfchleicrte Töne und die harmo-
nifchcn Reflexe feines kühnen und energifchcn Roth hin- und herwirft. Welch
eine fchöne Anwendung der Theorie Delacroix', welcher (im Hinblick auf die
Infulten feiner Gegner) von fleh fagte: ,Wenn man mit einem Befen die Skizze
macht, mufs man mit einer Nadel aufhören!'«
Unter den im Salon des Jahres 182/ ausgeftelltcn Gemälden befand fleh auch
ein "Fault imStudirzimmer«. ZuShakcfpeare, Walter Scott und Byron gefeilte
fleh bald Goethe als vierter Licblingsdichter Delacroix'. Gocthe's "Fault« reizte
ihn fogar eher zu künftlerifcher Nachbildung als Shakefpcarc's "Hamlet«. Die
früheften Zeichnungen zum "Fault« fallen in die arbeitsreichen Jahre 182$ und 1826,
alfo in jene Zeit, welche man als die Sturm- und Drangperiode des Künftlers
bezeichnen darf, und den Stempel derfelben tragen auch die erften Kompofitioncn,
welche als lithographifche Einzelblätter erfchienen. Wie Gericault mufste nämlich
auch Delacroix, da feine Gemälde entweder fchlecht bezahlt wurden oder gar
nicht verkäuflich waren, verfuchen, fleh feinen Unterhalt durch den Verkauf
lithographirter Zeichnungen zu verdienen. Einige diefer Blätter waren fchon
1826 in den Befltz Goethc's gelangt, der fle mit grofsem Intcrcffe aufnahm, mit
gröfserem fogar als früher die Zeichnungen von Cornelius, an welchen er Man-
cherlei zu tadeln hatte. Cornelius hatte ihm offenbar zu wenig gegeben, er hatte
ihm den romantifchen Inhalt des Gedichts nicht genügend erfchöpft, wobei frei-
lich nicht zu tiberfehen ift, dafs Goethe inzwifchen den Einflufs Lord Byron's
erfahren hatte und zu ganz anderen Anfchauungen über das Wefen der Romantik
gelangt war. Nach unteren durch die Zeit geläuterten Anfchauungen ift Cor-
nelius dem Charakter des Mittelalters doch weit näher gekommen als Delacroix,
EUGENE DELACROIX.
dann hinzu, "das Ucbrige beunruhigt mich nicht mehr. Ich will mich jetzt an
die Architektur machen und mich in Betreff des Deckengebälks an Zeichnungen
halten, welche ich im Juflizpalaft zu Rouen angefertigt habe." Uebrigens fprach
Delacroix fchon damals die Meinung aus, dafs fein Bild am beflen bei Lampen-
licht wirken würde, welches durch Reflektoren zu verflärken wäre, eine Anficht,
deren Richtigkeit fleh nachmals durch Proben betätigt hat. In feiner geihvollen
Analyfe diefes Bildes fagt Chesncau über die technifchc Seite desfelben: "Die
Ausführung erinnert an die fchönflen Stücke, welche man von den verfchicdcn-
artigflen Mehlem nennen kann. Nicht dafs irgendwo Nachahmung zu finden
wäre, aber um eine derartige Virtuohtät zu charakterifiren, mufs man Namen
der entgegcngefetzteflen Richtungen nennen: Rcmbrandt wegen der myflifchen
Ilclldunkelwirkung der hohen Architektur, Rubens wegen der wunderbar hin-
reifsenden Gewalt in der Geflaltung der Gruppe um den Bifchof, die Nieder-
länder wegen der geihvollen Feinheit in der Wiedergabe der Lichter auf den
Lüftungen, auf den leuchtenden und glänzenden Gegenftänden, die zufällig einen
Blitz oder einen Reflex auffangen; Chardin wegen der Analogie in der Wieder-
gabe verfchiedcncr Gcgenftände, eines Pokals, einer Goldfchmiedearbcit, welche
keine eigene Farbe, keinen Lokalton hat und nur Farbe von den he umgeben-
den Tönen erhält, die in einer aufserordcntlich gefchicktcn Mifchung von un-
endlich oft fleh kreuzenden und fleh vermehrenden Reflexen und Kontrerehexen
zuriickgeftrahlt werden; Delacroix endlich fclbft wegen der ausgefuchten Kunft,
mit welcher er abwechfelnd glänzende und vcrfchleicrte Töne und die harmo-
nifchcn Reflexe feines kühnen und energifchcn Roth hin- und herwirft. Welch
eine fchöne Anwendung der Theorie Delacroix', welcher (im Hinblick auf die
Infulten feiner Gegner) von fleh fagte: ,Wenn man mit einem Befen die Skizze
macht, mufs man mit einer Nadel aufhören!'«
Unter den im Salon des Jahres 182/ ausgeftelltcn Gemälden befand fleh auch
ein "Fault imStudirzimmer«. ZuShakcfpeare, Walter Scott und Byron gefeilte
fleh bald Goethe als vierter Licblingsdichter Delacroix'. Gocthe's "Fault« reizte
ihn fogar eher zu künftlerifcher Nachbildung als Shakefpcarc's "Hamlet«. Die
früheften Zeichnungen zum "Fault« fallen in die arbeitsreichen Jahre 182$ und 1826,
alfo in jene Zeit, welche man als die Sturm- und Drangperiode des Künftlers
bezeichnen darf, und den Stempel derfelben tragen auch die erften Kompofitioncn,
welche als lithographifche Einzelblätter erfchienen. Wie Gericault mufste nämlich
auch Delacroix, da feine Gemälde entweder fchlecht bezahlt wurden oder gar
nicht verkäuflich waren, verfuchen, fleh feinen Unterhalt durch den Verkauf
lithographirter Zeichnungen zu verdienen. Einige diefer Blätter waren fchon
1826 in den Befltz Goethc's gelangt, der fle mit grofsem Intcrcffe aufnahm, mit
gröfserem fogar als früher die Zeichnungen von Cornelius, an welchen er Man-
cherlei zu tadeln hatte. Cornelius hatte ihm offenbar zu wenig gegeben, er hatte
ihm den romantifchen Inhalt des Gedichts nicht genügend erfchöpft, wobei frei-
lich nicht zu tiberfehen ift, dafs Goethe inzwifchen den Einflufs Lord Byron's
erfahren hatte und zu ganz anderen Anfchauungen über das Wefen der Romantik
gelangt war. Nach unteren durch die Zeit geläuterten Anfchauungen ift Cor-
nelius dem Charakter des Mittelalters doch weit näher gekommen als Delacroix,