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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Rosenberg, Adolf: Eugène Delacroix: geb. am 26. April 1799 in Charenton St. Maurice, gest. am 13. Aug. 1863 in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0345
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EUGENE DELACROIX.

tion zu diefer Gehalt aus einer Ode von Auguh Barbier, dem Tyrtäus der Juli-
revolution, empfangen hat, welcher die Freiheit alfo befchreibt:
C'est une forte femme aux puissantes mamelles,
A la voix rauque, aux durs appas,
Qui, du brun sur la peau, du feu dans les prunelles,
Agile et marchant ä grands pas,
Se platt aux cris du Peuple, aux sanglantes melees,
Aux longs roulements des tambours,
A l'odeur de la poudre, aux lointaines volües
Des cloches et des canons sourds.
Delacroix war ganz der Mann dazu, eine folche Gehalt von vulgärer, aber durch
Energie und Ungeflüm fortreifsender Erfcheinung in Farbe und Leben umzu-
fetzen, und das Gefchick, mit welchem der Romantiker feine den Tagesereig-
niffen entnommene Aufgabe bcmciflcrt hat, ih merkwürdig genug, zumal wenn
man bedenkt, dafs mit kolorihifchcn Effekten hier nichts zu machen war. Die
ans Brutale ftreifcnde malerifchc Behandlung, die fonfl bei Gemälden Delacroix',
felbfl von feinen Freunden, übel vermerkt wurde, war hier am Platze, ebenfo
wie das "Wilde und Ordnungslofe« feiner Kompohtion. Heine knüpft an die
Schilderung des Bildes eine boshafte Bemerkung über die "belgifche Rebellion«,
eine Nachahmung der franzöhfchen Julirevolution, und nennt jene "das de Potter-
fche Viehflück«. Auch Delacroix' "Freiheit auf den Barrikaden« hat in Belgien
eine nicht glückliche Nachahmung in Wappers' grofsem Hihorienbilde "Revolu-
tion von 1830« gefunden.
Aufscr der "Freiheit« und der "Ermordung des Bifchofs von Lüttich« brachte
der Salon von 1831 noch "Kardinal Richelieu in der Kapelle«, "Cromwell in
Windfor«, "Raffael im Atelier«, "Gülnora im Gefängnifs«- und mehrere Studien
in Oel, Aquarell und Sepia, von denen "Der mit feiner Mutter fpielende junge
Tiger« (f. die Abbildung; von Maurice Cottier dem Louvre vermacht) uns den
Künfller von einer neuen Seite kennen lehrt. Der Einhufs Gericault's und der
Aufenthalt in England hatten ihn anfangs vorzugsweife auf das Studium des Pferdes
geführt. Dann aber wirkte Rubens' Vorbild fo mächtig auf ihn, dafs er auch die
wilden Thiere, namentlich Löwen und Tiger, in den Kreis feiner Studien und
feiner Darhellung zog. Er hat nicht blofs fich wild auf bäumende Pferde, fon-
dern auch Löwenjagden und das bekannte Bild "Daniel in der Löwengrube« nach
Rubens kopirt, und aus feinen Tagebüchern erfahren wir, mit welcher Begeife-
rung ihn einh der Bcfuch eines naturhihorifchen Mufeums mit ausgehopften
I hieren erfüllte. Indem er Löwen- und Tigergruppen darftellte, reizte ihn nicht
zum wenigflen die Möglichkeit, fein kolorihifches Können und feine Virtuohtät
in der Wiedergabe der kühnhen Bewegungen zu entfalten. Der leidenfchaftliche
Eifer, mit welchem er folche Aufgaben erfafste, brachte ihn fchlicfslich fo weit,
dafs man ihm den Ruhm nicht vorcnthalten kann, feit Rubens der genialfle Thier-
maler gewefen zu fein. Die Tigergruppe wurde zuerh 1830 zum Beften der Ver-
wundeten aus den Julitagen und dann 1831 noch einmal im Salon ausgefellt.
Einen Käufer hatte he fchon vorher gefunden. Die Thicrmalerei war nicht etwa
eine vorübergehende Laune des Mcifers. Er hat fein Leben lang Blumen Früchte,
 
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