Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI article:
Rosenberg, Adolf: Horace Vernet: geb. zu Paris 30. Juni 1789, gest. ebenda 17. Januar 1863
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0390
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
21

SEINE LETZTEN LEBENSJAHRE.

"Treiben Sie keinen Spott mit mir.« Einige Tage darauf bcfuchtc der König
Vcrnet's Atelier und machte dem Künftlcr Komplimente über feine Arbeit. "Das
id wirklich vollkommen. Herr Vernet, Sic haben ein Mcidcrwerk gefchaffen.«
Und als Vernet dillfchwicg, fuhr der König fort: "Was fehlt Ihnen denn? Sind
Sie nicht mit dch felbd zufrieden?« — "Ach! Sire«, erwiderte der Kündlcr, "Sie
fehen mich untrödlich. Ich mufs den ganzen Waffenrock diefes Sergeanten da
wieder wegkratzen. Ich habe ihm auf die Brud das Kreuz der Ehrenlegion ge-
malt, und der brave Mann trägt es nicht. Er hat cs verdient, ohne es erhalten
zu haben.« — "Dann«, fagte der König lächelnd, "ändern Sic nichts, Herr Vernet,
diefes Kreuz deht der martialifchcn Phydognomic des Soldaten zu gut. Sie
werden mir feinen Namen nennen, und wir werden fehen.« Drei Tage fpäter
kam der Sergeant in das Atelier und warf dch dem Kündler mit Frcudcnthränen
an die Hrud. Er hatte das Kreuz.
Es id wahr, was Jules Clarctie fagt, man mufs das Leben und die Thätigkeit
Vcrnet's fchildern, wie er feine Bilder malte, indem man nämlich Epifodc an
Epifode, Anekdote an Anekdote reiht. Wenn man feine Gemälde der Reihe
nach charaktcridren wollte, müfste man dets dasfelbe lagen. So auch von der
"Wegnahme der Smala«, welche nach dcmfelben Prinzipe gemalt id wie die
Kämpfe um Condantine, und von der "Schlacht bei Isly«, deren Ausführung ihm
die Anregung zu einer vierten Studienreife nach Nordafrika gab. Bei diefer letz-
teren Dardellung, welche im Salon von 1846 paradirte, handelte es dch nicht
einmal um die Schlacht felbd, fondern um den Schlufsmomcnt, um eine Cerc-
monic. Den Mittelpunkt der Gruppe bildet die Scene, wie der Obcrd Juffuf dem
Marfchall Bugeaud die Fahne und den Sonnenfchirm des feindlichen Befehls-
habers, welche die Soldaten bei der Einnahme des Lagers erbeutet hatten, über-
reicht. Vernet hielt dch einfach an das ihm vorgefchriebenc Programm und fuchtc
feine Wirkung wiederum dadurch zu erzielen, dafs er die auftretenden Perfonen
porträtähnlich gcdaltete. "Diefes Verdiend«, fo bemerkte Planche dazu, "id un-
bedreitbar, aber es rührt nur die Familien, denen die Modelle des Herrn Vernet
angehören.«
Mit diefem Bilde hatte Vernet den Höhepunkt feiner ktindlcrifchcn Ihätig-
keit erreicht. An grofsen Audrägcn fehlte es ihm auch fpäter nicht, ob-
wohl die Revolution von 1848 ihm feinen königlichen Bcfchtitzer geraubt hatte.
Der Präddent und fpäterc Kaifcr Napoleon III. liefs von ihm die "Itinnahme von
Rom« (1849), die "Schlacht an der Alma« und den "Sturm auf den Malakoff«
malen. Aber die frühere Wirkung blieb aus. Der Krimkrieg hatte ein anderes
Gcfchlccht von Militärmalern zur Reife gebracht, welche es mit ihrer Kund viel
ernder nahmen und über eine gediegenere tcchnifche Fertigkeit verfügten, als
de Vernet zu Gebote dand. Mit Kündlern wie Yvon, Pils, Philippoteaux
konnte Vernet nicht wetteifern, und fo mufstc er es erleben, dafs fich auch die
grofsc Menge, welche bis dahin feine treuede Begleiterin gewefen war, von ihm
abwendete, um neu aufgegangenen Sternen zu folgen und anderen Götzen zu
dienen. Er mufstc noch lefen, dafs Thcophil Silvcdrc feine Charaktcridik mit
den bitteren, aber berechtigten Worten fchlots: "Wphe den Kiindlcrn, die nur
gearbeitet haben, um den zeitgcnöfdfchcn Plebs zu amüdren! Bei Lebzeiten cm-
 
Annotationen