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PAUL DELAROCHE.
auf die Individualität eines Künhlers genommen, welchem das Dramatifche im
höchtlen Sinne, die Schilderung von Kämpfen, fern lag, und Delaroche bcfafs in
diefem Falle nicht Selbherkenntnifs genug, um den Auftrag von der Hand zu
weifen; umgekehrt zögerte er einige Zeit, bevor er lieh entfchlofs, die Aus-
fchmückung des Hemicycle, wie man jenen Raum in der Ecole des beaux-arts und
der Kürze halber auch das darin ausgeführte Gemälde nennt, in Angriff zu nehmen,
obwohl der Stoff der Kompohtion feinem ganzen Naturell vollkommen entfprach.
Von jenen vier Bildern aus der Gefchichte des Frankenkönigs ifl denn auch nur
eines und zwar erfl im Jahre 1847 fertig geworden: der aUebergang Karl's des
Grofsen über die Alpen«. Die Vorffudien zu diefem Bilde führten ihn 1838 zum
zweiten Male, aber nur für kurze Zeit nach Italien, was auch dem Hemicycle zu
Gute kam. Abgefchen von der Ausführung einiger Porträts widmete er dielem
Riefenwerke vier Jahre. Die Fläche, die er zu bemalen hatte, mafs fünfzehn Meter
in der Länge und fünf Meter in der Höhe. Fünfundhebzig überlebensgrofse
Figuren fanden auf derfelben Platz. Da innerhalb der Aphs die Profefforen der
KunMfchule während der Preisvertheilung fafsen, wollte Delaroche über ihren
Häuptern gewiffermafsen eine ideale Fortfetzung des lebenden Tableaus geben,
indem er die durch die Gefchichte geheiligten Schutzpatrone der Malerei zu
Zeugen der Ehren einlud, deren die jünghen Adepten der Künfte theilhaftig
wurden. Der nüchterne Sinn des Malers dachte hch nur den Olymp der KünfUer
anders, als es die feurige Phantahe Delacroix' gethan, welcher in der Kuppel der
Luxembourgbibliothek eine überirdifche Vifion vor den Augen der Befchauer er-
fcheinen liefs. Delaroche verfammelte die KünfUer aller Zeiten zu einer Gefell-
fchaft, die hch wie zufällig vor einer Säulenhalle zufammengetroffen hat und hch
wie die peripatetifchen Philofophen Griechenlands in erbaulichen Gefprächen er-
gehen. Dadurch rückte Delaroche fein Thema aus der idealen Sphäre in die
des hihorifchcn Genres herab und gerieth fomit in fein wirkliches Element.
Von feinem perfönlichen Standpunkte mufs man feine Arbeit betrachten, nicht
nach den hrengen Gefetzen der monumentalen Malerei, deren Mafshab an den
Charakter feiner Kunh, den Umfang feines gehligen Vermögens gar nicht ange-
legt werden kann. Delaroche hat hch denn auch das Thema nach feiner Weife
zurecht gemacht. Er fuchtc in erher Linie durch Getälligkcit, Glanz und Reich-
thum des Kolorits zu wirken und wendete deshalb nicht die kühle Freskotechnik
an, fondern er malte mit heifs gemachten Oelfarben aul die mit heifsem Oel ge-
tränkte Fläche. So kam die Serie feiner Kohümhudien — denn anders kann
man den Hemicycle kaum nennen — zur vollhen Geltung, und daraus erklärt
hch der gewaltige Eindruck, welchen das im Dezember 1841 vollendete Werk auf
das Publikum machte, das zur Behchtigung desfelben eingeladen war. Schon
der ungeheure Aufwand von Fleifs und Ausdauer liefs die franzöhfche Kritik
verhummen, und fo durfte hch Delaroche endlich wieder eines vollkommenen
Triumphs erfreuen. Nur ein deutfeher Kritiker, der fchon oben erwähnte Korre-
fpondent des oKunflblattes«, Eduard Kolloff, bewahrte hch in dem allgemeinen
Jubel die Ruhe und Unabhängigkeit feines Urtheils und traf mit richtigem Blick
die Schwächen des Werkes, die heute Niemand mehr verborgen hnd.
Was hch in erher Linie dem Auge verletzend aufdrängt, ih die fchneidende
PAUL DELAROCHE.
auf die Individualität eines Künhlers genommen, welchem das Dramatifche im
höchtlen Sinne, die Schilderung von Kämpfen, fern lag, und Delaroche bcfafs in
diefem Falle nicht Selbherkenntnifs genug, um den Auftrag von der Hand zu
weifen; umgekehrt zögerte er einige Zeit, bevor er lieh entfchlofs, die Aus-
fchmückung des Hemicycle, wie man jenen Raum in der Ecole des beaux-arts und
der Kürze halber auch das darin ausgeführte Gemälde nennt, in Angriff zu nehmen,
obwohl der Stoff der Kompohtion feinem ganzen Naturell vollkommen entfprach.
Von jenen vier Bildern aus der Gefchichte des Frankenkönigs ifl denn auch nur
eines und zwar erfl im Jahre 1847 fertig geworden: der aUebergang Karl's des
Grofsen über die Alpen«. Die Vorffudien zu diefem Bilde führten ihn 1838 zum
zweiten Male, aber nur für kurze Zeit nach Italien, was auch dem Hemicycle zu
Gute kam. Abgefchen von der Ausführung einiger Porträts widmete er dielem
Riefenwerke vier Jahre. Die Fläche, die er zu bemalen hatte, mafs fünfzehn Meter
in der Länge und fünf Meter in der Höhe. Fünfundhebzig überlebensgrofse
Figuren fanden auf derfelben Platz. Da innerhalb der Aphs die Profefforen der
KunMfchule während der Preisvertheilung fafsen, wollte Delaroche über ihren
Häuptern gewiffermafsen eine ideale Fortfetzung des lebenden Tableaus geben,
indem er die durch die Gefchichte geheiligten Schutzpatrone der Malerei zu
Zeugen der Ehren einlud, deren die jünghen Adepten der Künfte theilhaftig
wurden. Der nüchterne Sinn des Malers dachte hch nur den Olymp der KünfUer
anders, als es die feurige Phantahe Delacroix' gethan, welcher in der Kuppel der
Luxembourgbibliothek eine überirdifche Vifion vor den Augen der Befchauer er-
fcheinen liefs. Delaroche verfammelte die KünfUer aller Zeiten zu einer Gefell-
fchaft, die hch wie zufällig vor einer Säulenhalle zufammengetroffen hat und hch
wie die peripatetifchen Philofophen Griechenlands in erbaulichen Gefprächen er-
gehen. Dadurch rückte Delaroche fein Thema aus der idealen Sphäre in die
des hihorifchcn Genres herab und gerieth fomit in fein wirkliches Element.
Von feinem perfönlichen Standpunkte mufs man feine Arbeit betrachten, nicht
nach den hrengen Gefetzen der monumentalen Malerei, deren Mafshab an den
Charakter feiner Kunh, den Umfang feines gehligen Vermögens gar nicht ange-
legt werden kann. Delaroche hat hch denn auch das Thema nach feiner Weife
zurecht gemacht. Er fuchtc in erher Linie durch Getälligkcit, Glanz und Reich-
thum des Kolorits zu wirken und wendete deshalb nicht die kühle Freskotechnik
an, fondern er malte mit heifs gemachten Oelfarben aul die mit heifsem Oel ge-
tränkte Fläche. So kam die Serie feiner Kohümhudien — denn anders kann
man den Hemicycle kaum nennen — zur vollhen Geltung, und daraus erklärt
hch der gewaltige Eindruck, welchen das im Dezember 1841 vollendete Werk auf
das Publikum machte, das zur Behchtigung desfelben eingeladen war. Schon
der ungeheure Aufwand von Fleifs und Ausdauer liefs die franzöhfche Kritik
verhummen, und fo durfte hch Delaroche endlich wieder eines vollkommenen
Triumphs erfreuen. Nur ein deutfeher Kritiker, der fchon oben erwähnte Korre-
fpondent des oKunflblattes«, Eduard Kolloff, bewahrte hch in dem allgemeinen
Jubel die Ruhe und Unabhängigkeit feines Urtheils und traf mit richtigem Blick
die Schwächen des Werkes, die heute Niemand mehr verborgen hnd.
Was hch in erher Linie dem Auge verletzend aufdrängt, ih die fchneidende