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Dorotheum <Wien [Hrsg.]
Künstlerischer Nachlaß des akademischen Bildhauers Carl Costenoble: Skulpturen in Bronze, Marmor, Metall, Holz, Gips, Lusterweibchen, Original-Gipsmodelle, Sammlung von Kupferstichen, Gravüren, Lithographien, Ölgemälde, Waffen, Jagd-Trophäen, Bibliothek, Kunst-Mobiliar$dAuktion: Donnerstag, den 5., Freitag, den 6. und Samstag, den 7. März 1908 ; Atelier-Einrichtung und Bildhauer-Werkzeuge gelangen Montag, den 9. März 1908 ... zur Versteigerung — Wien, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.16275#0009
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Carl Costenoble.

Der Künstler, dessen Nachlaß nunmehr zur Versteigerung
gelangt, war kein Alltagsmensch. Ein geborener Wiener - - sein
Geburtsjahr 1837 ist auch das Todesjahr seines Vaters, des
berühmten Schauspielers und dramatischen Schriftstellers —, hatte
Costenoble doch nie das Aussehen eines Städters. Der große
Mann mit seiner gigantischen Nase, der, in Loden gekleidet, lang-
samen Schrittes, den Oberkörper vorgebeugt, von seinem Hunde
gefolgt, durch die Straßen ging, machte den Eindruck eines Älplers,
der sich zufällig einmal in die Großstadt verirrt. Er hatte das
scharfblickende Auge des Waidmannes. Und wenn er in seinem
gewöhnlichen Aufzuge auf dem Schützenkränzchen der Künstler-
genossenschaft erschien, wurde diese Erscheinung als eine besonders
gelungene Kostümfigur vom Laienpublikum bewundert.

Schlicht und ursprünglich wie sein Äußeres, war Costenoble
auch als Künstler. Wohl wäre es eine Übertreibung, zu sagen,
daß sich das heutige Wien ohne sein Wirken nicht denken ließe.
Keines unserer großen, volkstümlichen Denkmäler haben wir ihm
zu danken, und als Porträtist gehörte er nicht zu den gesuch-
testen. Aber sein Nachlaß belehrt uns, daß Costenoble, was viele
Wiener nicht wissen oder vergessen haben mögen, als Mitarbeiter
an unseren öffentlichen Prachtbauten nicht unterschätzt werden
darf. In diesem Sinne gehört er zu jenen Tüchtigen, die — dem
Gebote Schillers folgend — als dienendes Glied einem Ganzen
sich anschließen und auf solche Art Großes fördern und voll-
enden helfen.

Wenn es dereinst möglich sein wird, ein Luftschiff zu mieten,
wie man heute einen Einspänner mietet, wird jeder Kunstfreund
die steinernen Statuen, die auf den Dachfirsten der Hofmuseen
stehen, genau betrachten können. Heutzutage kann es höchstens ein
Dachdecker. Deshalb ist es ganz interessant, im Nachlasse Coste-
nobles die Entwürfe und Modelle jener Figuren zu finden, welche
für die Attika des naturhistorischen Hofmuseums ausgeführt
wurden: des Philosophen Leibniz, der nicht nur als Mathematiker,
sondern auch als Rechtsgelehrter, Staatsmann und Theologe be-
deutend war; des gräflichen Naturforschers Buffon; der Bota-
niker Linne und Tournefort. Der letzte z. B. ist sehr hübsch

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