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Dorotheum <Wien [Hrsg.]
Aquarelle, Miniaturen: Auktion: Freitag, den 12. und Samstag, den 13. April 1912 (Katalog Nr. 219) — Wien, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.15756#0011
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Wer so oft um einen Rat und sein Urteil in Kunstangelegenheiten befragt
wurde wie ich, wird zugeben, daß Kunstwerke wie Individualitäten betrachtet werden
müssen, die sich teils offenherzig selbst mitteilen, teils vornehm verschlossen gebärden,
während manche sogar, ähnlich dem Ritter Lohengrin, ihre Herkunft und Art sorg-
fältig verbergen.

Da geht es dann an ein Deuten, Vermuten und Raten und nur diejenigen
unter den Kunstbeflissenen, die auserkoren sind, das Gras wachsen zu hören, können
ein ganz unzweifelhaftes Urteil fällen und die Welt mit Offenbarungen beglücken,
welche oft wenig beachteten Größen zu einer nie geahnten Glorie verhelfen.

Die vorliegende Sammlung gibt dem Beschauer allerdings keine Rätsel auf;
die meisten der hier zusammengestellten Bilder und Bildchen sind ihrem Charakter
nach offen und ehrlich und tragen ihre Altwiener Provenienz, ja die Abstammung
von diesem oder jenem Meister unumwunden zur Schau und sprechen in liebens-
würdig heiterer oder tiefsinnig ernster Weise zu uns, wie dies schon im Wesen
dieser Maler gelegen.

Einer, der mit seinem prächtigen, jugendfrischen Talente immer empfindungs-
reich seine Erzählungen vor uns aufrollt, ist der heute mit Recht so hoch geschätzte
Karl Schindler, der früh reife und allzufrüh dahingegangene Schüler und
Freund Fendis.

Wenn Peter Fendi, der einsame bucklige Junggeselle, seine ganze Herzens-
sehnsucht, seine Liebe zu Kindern in die Darstellung des putzigen Nachwuchses
»Anderer* zu legen scheint und in freundlich beruhigtem Entsagen die Lieblichkeit
und Munterkeit der unschuldig neckischen Kleinen belauscht, so spricht aus Karl
Sch i n d 1 ers Vorführungen aus dem Soldatenleben das ungestillte Verlangen des
kränkelnden, schwächlichen, schmalbrüstigen, armen Teufels nach der Freiheit der
Bewegung, der kraftvollen Betätigung in Luft und Sonne, nach dem ganzen lebendigen
Treiben des Militärstandes, das ihm für immer versagt blieb. Diese innere Sehnsucht
scheint der offenbar lebens- und arbeitsfreudige Jüngling, dem die Parze einen so
kurzen Lebensfaden gesponnen, nie losgebracht zu haben, und wie einer eine Lieblings-
melodie immer vor sich hinsummt, so kehrt Schindler immer zu seinen Motiven
aus dem Soldatenstand zurück und bringt in einer Menge von Skizzen, angefangenen
und ausgeführten Bildern heitere und ernste, ja tief tragische Momente aus dem Leben
desselben zur Anschauung.

VII
 
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