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Dorotheum <Wien> / Kunstabteilung [Editor]; Kaiserlich-Königliches Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt <Wien> [Editor]
Gesamteinrichtung Schloß Kleßheim Nachlaß Erzherzog Ludwig Viktor (T.8 : 3. Kunstauktion): Die Fayencen-Sammlung Erzherzog Ludwig Viktor: Versteigerung: Montag, den 24. bis Donnerstag, den 27. Oktober 1921 (Katalog Nr. 321) — Wien, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15531#0008
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Die wissenschaftliche Ausbeute für die Geschichte der deutschen Fayence-
fabriken, die wir den zur Versteigerung gelangenden Objekten entnehmen können,
ist eine beträchtliche, da wir nicht nur eine Bereicherung des bisher bekannten
Markenmaterials verzeichnen können, sondern auch wertvolle Aufklärungen über
die künstlerischen Produktionsweisen derselben erhalten.

Der größte Teil der Kleßheimer Fayencen verteilt sich auf die drei wich-
tigsten und führenden frühen Fabriken, auf Frankfurt am Main, Hanau und
Nürnberg. Die große Menge dieser Objekte ist als sehr aufschlußreich zu be-
zeichnen und gewährt speziell bei den beiden erstgenannten Manufakturen ein
äußerst vielseitiges Bild ihres Schaffens und Könnens. Wenn man diese beinahe
200 Nummern umfassende Sammlung von Frankfurter und Hanauer Fayencen
eingehend betrachtet, so lassen sich ungezwungen verschiedene große Gruppen
zusammengehöriger Stücke feststellen, die bei eingehenderem Studium und
unter Hinzuziehung des übrigen in Privatsammlungen und Museen zerstreuten
Materials in absehbarer Zeit die Möglichkeit gewähren, einzelne führende
Künstlerpersönlichkeiten herauszuheben und deren Bedeutung für die Manu-
fakturen festzulegen. Diesen besseren Meistern leisten die übrigen kleinen Ge-
folgschaft, indem sie sich mehr oder minder von ihrem Stil als abhängig erweisen#

Als der Besitzer der Frankfurter Porzellanmanufaktur, Johann Christian Fehr,
im Jahre 1693 starb, wurde ein Inventar aufgenommen, in dem wir unter anderem
sogenannte „Historyteller" und „feine" Krüge mit Purpur bemalt, angeführt finden.
Unter den Historytellern können wir wohl mit vollständiger Bestimmtheit die beiden
kleinen runden Teller mit Blaumalerei (Nr. 1 und 2) verstehen, die im Fond
den Bacchusknaben und die Darstellung von Moses mit der ehernen Schlange,
auf den Rändern Rankenfriese mit geflügelten Putten zeigen. Auch einer der
„feinen" Purpurkrüge ist erhalten, nämlich der Enghalskrug (Nr. 3), der ganz in
der Art der Nürnberger und Regensburger Hausmalereien aus dem letzten Viertel
des 17. Jahrhunderts mit einem gut gezeichneten Bukett von geschnittenen Blumen
bemalt ist. Die übrigen Frankfurter Fayencen, in der Hauptsache Enghalskrüge,
kleinere Krüge von verschiedener Form und Schüsseln, unter denen diejenigen
mit neunfach gebuckeltem Rand in mehreren Größen für die Fabrik besonders
charakteristisch sind, tragen durchgehends im Anschluß an ostasiatische Porzellan-
und Delffer Fayencevorbilder figurale, stilisierte Chinoiserien in Landschaft mit
reichem Beiwerk von stilisierten Bäumen, Blumen und Stauden. Außerdem
charakterisiert die glänzende, milchige Glasur die früheren Frankfurter Fayencen.
Neben Stücken, die sicher in der Frankfurter Fabrik entstanden sind, finden sich
aber auch andere, welche vielleicht Hanau zuzuweisen sind. Das ist bei der
nahen Verwandtschaft der zwei Betriebe und unter Hinweis auf den Umstand,
daß einige der Maler in beiden Fabriken tätig waren, begreiflich. Im Allgemeinen
ergibt sich aber, daß die Frankfurter figuralen Chinoiserien bedeutend schwung-
voller und künstlerisch ansprechender gemalt sind, als die etwas spießbürgerlicher
aufgefaßten Chinesen auf den Hanauer Geschirren. Ein Vergleich der auf den
Abbildungen Tafel III, 30—41, Tafel IV, 52, reproduzierten Stücke, von denen
die ersteren Frankfurter, das zweite eine Hanauer Arbeit ist, läßt den künstle-
rischen Unterschied sofort erkennen.

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