Der Nachlaß Anton Hlavaceks
Von Dr. Wolfgang Born
Anton Hlavaceks künstlerischer Nachlaß kommt im rechten
Augenblick ans Licht. Wir haben genug Distanz zu der Zeit, in der
er aufgewachsen und zur Selbständigkeit gelangt ist, um sie histo-
risch zu sehen. Ja, die Frage nach der entwicklungsgeschichtlichen
Stellung der Wiener Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts drängt sich uns derzeit geradezu auf. Die Wertmaßstäbe haben
sich gründlich verschoben. Was den Zeitgenossen wichtig schien,
erweist sich heute großenteils als recht fragwürdig. Anderseits hat
die ablehnende Haltung der vorigen Generation gegen die Kunst
ihrer Väter längst ihre Aktualität verloren. Die Kunstsprache der
Jahrhundertwende — der Sezessionismus — ist inzwischen selbst
schon historisch geworden.
Anton Hlavacek galt zu seinen Lebzeiten als Vertreter einer
monumentalen Landschaftsauffassung, und er hielt wohl selbst von
seinen dekorativen Arbeiten am meisten. Die Ausstellung seiner Ver-
lassenschaft zeigt den Maler von einer anderen Seite. Sie enthält
zum großen Teil Studien, und diese äußerlich anspruchslosen Schöp-
fungen gewinnen für uns ein Interesse, das die Anteilnahme an
seinen großen Gemälden weit überwiegt. Denn sie gehören in die
Reihe der Werke, in denen die eigentliche altwiener Tradition fort-
lebt. Unterhalb der Modeströmungen hat es in Wien noch bis in
unsere Tage ein heimliches Biedermeier gegeben, das sich erst
allmählich dem Bewußtsein der Gegenwart enthüllt. Wir sehen in
den Äußerungen dieser Kunstgesinnung etwas sehr Wienerisches.
Die Intimität der Naturauffassung, die Bescheidenheit des Auftre-
tens, der Sinn für handwerkliche Kultur — all das sind Eigenschaf-
ten, die der Wiener Kunst des Vormärz in höchstem Maße zu eigen
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Von Dr. Wolfgang Born
Anton Hlavaceks künstlerischer Nachlaß kommt im rechten
Augenblick ans Licht. Wir haben genug Distanz zu der Zeit, in der
er aufgewachsen und zur Selbständigkeit gelangt ist, um sie histo-
risch zu sehen. Ja, die Frage nach der entwicklungsgeschichtlichen
Stellung der Wiener Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts drängt sich uns derzeit geradezu auf. Die Wertmaßstäbe haben
sich gründlich verschoben. Was den Zeitgenossen wichtig schien,
erweist sich heute großenteils als recht fragwürdig. Anderseits hat
die ablehnende Haltung der vorigen Generation gegen die Kunst
ihrer Väter längst ihre Aktualität verloren. Die Kunstsprache der
Jahrhundertwende — der Sezessionismus — ist inzwischen selbst
schon historisch geworden.
Anton Hlavacek galt zu seinen Lebzeiten als Vertreter einer
monumentalen Landschaftsauffassung, und er hielt wohl selbst von
seinen dekorativen Arbeiten am meisten. Die Ausstellung seiner Ver-
lassenschaft zeigt den Maler von einer anderen Seite. Sie enthält
zum großen Teil Studien, und diese äußerlich anspruchslosen Schöp-
fungen gewinnen für uns ein Interesse, das die Anteilnahme an
seinen großen Gemälden weit überwiegt. Denn sie gehören in die
Reihe der Werke, in denen die eigentliche altwiener Tradition fort-
lebt. Unterhalb der Modeströmungen hat es in Wien noch bis in
unsere Tage ein heimliches Biedermeier gegeben, das sich erst
allmählich dem Bewußtsein der Gegenwart enthüllt. Wir sehen in
den Äußerungen dieser Kunstgesinnung etwas sehr Wienerisches.
Die Intimität der Naturauffassung, die Bescheidenheit des Auftre-
tens, der Sinn für handwerkliche Kultur — all das sind Eigenschaf-
ten, die der Wiener Kunst des Vormärz in höchstem Maße zu eigen
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