MODERNE STOFFE
69
Studiums gezogen, diese aber allerdings so vollkommen
verwertet und entwickelt, dass Jahrhunderte künstlerischer
Arbeit erforderlich waren, um den beschränkten Kreis
auszufüllen. Das Prinzip der Renaissance war: wir
studieren nur gewisse Erscheinungen und ignorieren die
andern. Die modernen Landschafter haben diese Schranke
durchbrochen und einen neuen Leitgedanken aufgestellt:
den, alles kennen zu lernen, alles zu beobachten, alles
darzustellen. Sie haben eine Methode des Naturstudiums
eingeführt, die man die des spezifizierten Naturstudiums
nennen könnte. Sie haben das Innere des Waldes und
die Klippen der See gemalt. Sie haben die drängende
Unruhe des Vorfrühlings und das üppige Blühen des
Lrühlings, den satten Reichtum des Sommers, die bunte
Larbenpracht und den melancholischen Duft des Herbstes
und das trostlose Dunkel des Winters geschildert. Sie
haben die Glut des Sonnenunterganges und das Auf-
atmen der Erde nach dem Gewitterregen dargestellt. Sie
haben die Wiedergabe der Bergformen zu unerreichter
Genauigkeit und Mannigfaltigkeit entwickelt und die für
die Kunst noch völlig jungfräuliche Hocngebirgsnatur
in ihren Bereich einbezogen. Sie haben die Schnee-
schmelze, das zaghafte erste Grün, die volle brütende
Glut der Sommersonne und das bleiche Licht der Winter-
sonne studiert. Sie haben die Erscheinungen des Nebels
und des Mondlichts festgehalten. Sie haben am Wasser,
an den Wolken, an den Schatten zahlreiche neue Be-
obachtungen gesammelt. Sie haben gewisse Baumarten,
wie die Birke und die Kiefer, zum besonderen Gegenstände
ihrer Lorschungen gemacht. Sie haben den geographischen
Schauplatz der Kunst unendlich erweitert, neue Länder
69
Studiums gezogen, diese aber allerdings so vollkommen
verwertet und entwickelt, dass Jahrhunderte künstlerischer
Arbeit erforderlich waren, um den beschränkten Kreis
auszufüllen. Das Prinzip der Renaissance war: wir
studieren nur gewisse Erscheinungen und ignorieren die
andern. Die modernen Landschafter haben diese Schranke
durchbrochen und einen neuen Leitgedanken aufgestellt:
den, alles kennen zu lernen, alles zu beobachten, alles
darzustellen. Sie haben eine Methode des Naturstudiums
eingeführt, die man die des spezifizierten Naturstudiums
nennen könnte. Sie haben das Innere des Waldes und
die Klippen der See gemalt. Sie haben die drängende
Unruhe des Vorfrühlings und das üppige Blühen des
Lrühlings, den satten Reichtum des Sommers, die bunte
Larbenpracht und den melancholischen Duft des Herbstes
und das trostlose Dunkel des Winters geschildert. Sie
haben die Glut des Sonnenunterganges und das Auf-
atmen der Erde nach dem Gewitterregen dargestellt. Sie
haben die Wiedergabe der Bergformen zu unerreichter
Genauigkeit und Mannigfaltigkeit entwickelt und die für
die Kunst noch völlig jungfräuliche Hocngebirgsnatur
in ihren Bereich einbezogen. Sie haben die Schnee-
schmelze, das zaghafte erste Grün, die volle brütende
Glut der Sommersonne und das bleiche Licht der Winter-
sonne studiert. Sie haben die Erscheinungen des Nebels
und des Mondlichts festgehalten. Sie haben am Wasser,
an den Wolken, an den Schatten zahlreiche neue Be-
obachtungen gesammelt. Sie haben gewisse Baumarten,
wie die Birke und die Kiefer, zum besonderen Gegenstände
ihrer Lorschungen gemacht. Sie haben den geographischen
Schauplatz der Kunst unendlich erweitert, neue Länder