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Albert Dresdner:
weniger sklavisch einer Vorlage nachgebetet wird, und
zudem kann der Lehrer jederzeit leicht und sicher der
wirklichen Leistung des Schülers auf den Zahn fühlen,
indem er sich von ihm den Satz durchkonstruieren läßt.
Genügt er hierin, so hat er die ihm gestellte Aufgabe doch
in der Hauptsache erfüllt. Wird man einwenden, daß durch
Vorschläge dieser Art die Arbeit dem Schüler zu sehr er-
leichtert werde ? Die Beantwortung dieses Einwandes hängt
davon ab, ob man Schwierigkeit an sich als pädagogische
Aufgabe der Schule beurteilt oder vielmehr in der richtigen
Verteilung der Schwierigkeiten das erstrebenswerte Ziel
erblickt. Mir will es scheinen, daß die geistige Verarbeitung
des gewaltigen, im Altertume aufgespeicherten Bildungs-
stoffes durch den Schüler, wenn diese Aufgabe in ihrem
ganzen Ernste und in ihrer vollen Tragweite erfaßt und
durchgeführt wird, an seine Aufnahmefähigkeit und Pro-
duktivität so hohe Ansprüche stellt, daß ihm der Weg
hierzu billig erleichtert und, soweit das angängig ist, frei-
gemacht werden sollte. Ich plädiere keineswegs für Lax-
heit oder Unsauberkeit der Schulung, sondern ich plädiere
für Konzentrierung der Ansprüche auf den Punkt, von dem
der Enderfolg des klassischen Unterrichts abhängt. Alles
kommt darauf an, ob man sich entschließt, den Erlebnis-
wert des Altertums als diesen Punkt anzuerkennen. Tut
.man das, so muß man auch die Mittel, muß man auch die
Erleichterungen wollen, die das Hauptziel erfordert, und
selbst manches Opfer, das dem alten Humanisten nicht eben
leicht fällt, wird man bringen, wenn man vertrauen kann,
daß es zu dem einen beiträgt, was nottut, zu dem Erfolge,
von dem doch schließlich Wohl und Wehe des huma-
nistischen Gymnasiums abhängt: dem Schüler das Altertum
zum echten Erlebnisse zu machen.
5.
Und damit wären wir denn zum Kerne unserer Be-
trachtungen vorgedrungen. Schon vorher haben sie ihn an
Albert Dresdner:
weniger sklavisch einer Vorlage nachgebetet wird, und
zudem kann der Lehrer jederzeit leicht und sicher der
wirklichen Leistung des Schülers auf den Zahn fühlen,
indem er sich von ihm den Satz durchkonstruieren läßt.
Genügt er hierin, so hat er die ihm gestellte Aufgabe doch
in der Hauptsache erfüllt. Wird man einwenden, daß durch
Vorschläge dieser Art die Arbeit dem Schüler zu sehr er-
leichtert werde ? Die Beantwortung dieses Einwandes hängt
davon ab, ob man Schwierigkeit an sich als pädagogische
Aufgabe der Schule beurteilt oder vielmehr in der richtigen
Verteilung der Schwierigkeiten das erstrebenswerte Ziel
erblickt. Mir will es scheinen, daß die geistige Verarbeitung
des gewaltigen, im Altertume aufgespeicherten Bildungs-
stoffes durch den Schüler, wenn diese Aufgabe in ihrem
ganzen Ernste und in ihrer vollen Tragweite erfaßt und
durchgeführt wird, an seine Aufnahmefähigkeit und Pro-
duktivität so hohe Ansprüche stellt, daß ihm der Weg
hierzu billig erleichtert und, soweit das angängig ist, frei-
gemacht werden sollte. Ich plädiere keineswegs für Lax-
heit oder Unsauberkeit der Schulung, sondern ich plädiere
für Konzentrierung der Ansprüche auf den Punkt, von dem
der Enderfolg des klassischen Unterrichts abhängt. Alles
kommt darauf an, ob man sich entschließt, den Erlebnis-
wert des Altertums als diesen Punkt anzuerkennen. Tut
.man das, so muß man auch die Mittel, muß man auch die
Erleichterungen wollen, die das Hauptziel erfordert, und
selbst manches Opfer, das dem alten Humanisten nicht eben
leicht fällt, wird man bringen, wenn man vertrauen kann,
daß es zu dem einen beiträgt, was nottut, zu dem Erfolge,
von dem doch schließlich Wohl und Wehe des huma-
nistischen Gymnasiums abhängt: dem Schüler das Altertum
zum echten Erlebnisse zu machen.
5.
Und damit wären wir denn zum Kerne unserer Be-
trachtungen vorgedrungen. Schon vorher haben sie ihn an