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Wionski, Heinz; Landesamt für Denkmalpflege Hessen [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Hessen: Bad Nauheim bis Florstadt — Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.54524#0103
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Bad Nauheim


Lindenstraße Richtung Frankfurter Straße

Erst nach dessen Aufgabe in der jüngsten Vergangen-
heit erfolgte die Bebauung. Unter dem Aspekt der
städtebaulichen Kontinuität ist zu bedauern, daß dabei
das historische Ordnungsmuster der Raumkanten, die
von der Straßenführung bestimmt sind, vernachlässigt
blieb. Es wurde bereits angesprochen, daß die Frank-
furter Straße einst ein alter Landweg war. Jahresringen
entsprechend dehnte sich die Bebauung aus mit der
Kreuzung zur Bahnhofsallee als Kern. Da bewußte Zä-
suren nicht vorgenommen wurden, Überformungen
unvermeidlich waren, war das inzwischen äußerst he-
terogen gewordene Straßenbild zwangsläufig. Der zu-
nehmende Durchgangsverkehr hinterließ mit vielen
und umfangreichen Regelungszeichen seine Spuren.
Der Frankfurter Straße droht gegenwärtig eine Wand-
lung vom erlebbaren Stadtraum zur reinen Verkehrs-
schneise. (g,k)
Südliche Ortserweiterung mit Mittelstraße,
südlicher Karlstraße, südlicher Kurstraße,
Ernst-Ludwig-Ring, Lutherstraße, Trinkkur
und Karlsbrunnen
Das Straßennetz südlich des alten Dorfes Nauheim
vervollständigte sich in dem Jahrzehnt vor dem 1.
Weltkrieg zu seinem heutigen Umfang. Was in der
Plandarstellung der denkmalgeschützten Gesamtanla-
ge als einheitliche Fläche erscheint, ist tatsächlich eine
Addition sukzessiv entstandener Straßenzüge.
Seit der frühen Neuzeit verließ die Mittelgasse Nau-
heim durch ein Tor im Süden der Ortsummauerung.
Die alte Wehranlage wurde im 19. Jahrhundert besei-
tigt, im heutigen Ortsbild übernimmt an der angespro-
chenen Stelle der große Hof Mittelstraße 7 die Aufga-
be, Zäsur zwischen Dorfkern und südlichem Vorfeld

zu sein. Bis vor kurzem wurde das bäuerliche Anwe-
sen darin von dem gegenübergelegenen Hirtenhaus
unterstützt, das aber zwischenzeitlich einem wider-
rechtlichen Abbruch durch den Eigentümer zum Opfer
fiel.
Der ehemalige Friedhof vor der Südseite des Dorfes
Nauheim kam bereits als denkmalgeschützte Gesamt-
anlage zur Sprache. Die Mittelstraße tangiert westlich
die heute inzwischen zu einem kleinen Park umge-
wandelte Fläche. Auf der dem Park gegenübergelege-
nen Seite erhielt die Mittelstraße eine Bebauung nach
einem Entwurf des Architekten Leonhard Kraft, die
als geschlossene Zeile konzipiert wurde. Wenn auch
im Detail verändert, sind bis heute die grundlegenden
Charakteristiken einer für die Entstehungszeit übli-
chen „Landhausarchitektur“ zu erkennen und erhal-
tenswert.
Etwas weiter südlich gabelt sich die Mittelstraße in die
Friedberger Straße, die dem Usa-Tal flußabwärts folgt,
und in die Homburger Straße, die weiter westlich nach
Ockstadt führt. Die Gabelung selbst wird räumlich
markant durch eine mit der Kraft’sehen Zeile ungefähr
zeitgleichen Bebauung, die aber dichter ist und auf
diese Weise „städtischer“ wirkt.
Die südliche Karlstraße ist die Verlängerung einer der
Verkehrswege über die Hauptstraße hinaus, die zur re-
gelmäßigen Ortserweiterung Nauheims aus den
1850er Jahren gehörten. Sie wurde vermutlich erst um
1900 angelegt, ihr Endpunkt an der Friedberger Straße
ist nochmals jünger. Die südliche Karlstraße wird ge-
säumt von einer offenen späthistoristischen Bebauung,
durch den Verzicht auf Vorgärten hat sie im Unter-
schied zu dem Gebiet von Frankfurter Straße und
Bahnhofsallee den villenartigen Gestus eingebüßt.
Die Reihe der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden
Straßen wird abgeschlossen von der Kurstraße. Der
nördliche Abschnitt begrenzt, wie schon abgehandelt,
einen Teil des Kurparks, sie berührt dann im weiteren
Verlauf eine Grünanlage am 1868 erbohrten Karls-
brunnen, bevor sie ursprünglich als Stichweg das
Areal der alten Saline erschloß. Nach dessen Auflas-
sung, die von der 1911 in Betrieb genommenen neuen
Saline „Am Goldstein“ ermöglicht wurde, konnte die
Karlstraße bis zur Friedberger Straße durchgeführt
werden, im Unterschied zur geschlossenen und ge-
mischt genutzten Bebauung ihres nördlichen Ab-
schnitts wurde sie im ehemaligen Salinen-Gebiet
Standort freistehender Einfamilien-Wohnhäuser.
Quer zu Mittelstraße, südlicher Karl- und Kurstraße
verlaufen Ernst-Ludwig-Ring und Lutherstraße, beide
aufgrund des vom Usa-Tal aus ansteigenden Geländes
mit reizvollen Straßenbildern. Der Ernst-Ludwig-Ring
zeichnet sich zusammen mit seiner Fortsetzung bis zur
Frankfurter Straße, dem Eleonorenring, durch eine
Folge von Großbauten aus. Dazu sind die evangelische
Wilhelmskirche, die Stadtschule, die Ernst-Ludwig-
Schule, das Postamt, die Trinkkur mit dem gegenüber-
gelegenen ehemaligen „Grand-Hotel“ und schließlich

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