Butzbach - Griedel
Kirchgasse mit Turm der ev. Pfarrkirche, Aufnahme von 1909, Archiv LfDH
Griedel
Das östlich von Butzbach an der Wetter gelegene Grie-
del gehört mit seiner ersten schriftlichen Überlieferung
aus dem Jahr 770 zu den ältesten dörflichen Ansiedlun-
gen der fränkischen Siedlungsphase in der Wetterau.
Bei der Nähe zu den Stammsitzen des Reichministeria-
lengeschlechts von Arnsburg-Münzenberg war es nahe-
liegend, daß Griedel im hohen Mittelalter unter deren
territoriale Hoheit fiel. Den Münzenbergern folgten als
Grundherren in Griedel die Falkensteiner, die Eppstei-
ner, 1478 die Grafen von Solms-Braunfels, die in dem
Ort eine eigene Amts Verwaltung unterhielten. Bei der
Mediatisierung der Solmser Grafschaften kam Griedel
zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, war verwal-
tungsmäßig zunächst Teil eines Amtes Wölfersheim,
dann des Landkreises Hungen und ab 1852 des Land-
kreises Friedberg. Stadtteil von Butzbach ist Griedel seit
dem 1.8.1972.
Das historische Siedlungsbild Griedels wird vor dem
Hintergrund der landschaftlichen Gegebenheiten und
der Wegeverbindungen mit der Umgebung verständ-
lich. Der alte Landweg zwischen Butzbach und Lieh,
heute die B 788, gabelt sich westlich vor Griedel.
Während der Hauptweg Griedel rechter Hand liegen
läßt, führt der Abzweig fast geradlinig in den Orts-
kern, am Gasthof „Zur Friedenslinde“ knickt er nach
Norden längs der Wetter ab und stößt dann wieder auf
die direktere Straße Butzbach-Lich. Nur wenig vor
dem angesprochenen Gasthof im Ortsmittelpunkt trifft
auf die aus westlicher Richtung kommende Straße ei-
ne weitere aus Rockenberg, das weiter südöstlich im
Wettertal liegt. Ortspläne aus dem 19. Jahrhundert zei-
gen an der betreffenden Straßeneinmündung ein Ge-
bäude. In Analogie zu ähnlichen Situationen in ande-
ren Dörfern kann vermutet werden, daß ein inzwi-
schen beseitigtes Rathaus dargestellt ist. Die bislang
beschriebenen Straßen sorgen für einen überwiegend
linearen Charakter im Ortsbild Griedels. Neben dem
benachbarten Butzbach als Zielpunkt dörflicher Ent-
wicklung ist vor allem das Wettertal von siedlungs-
strukturierender Kraft. Alle wichtigeren Baulichkeiten
Griedels sind entlang des Flusses aufgereiht. Im Sü-
den beginnend wäre als erstes die noch vor der ge-
schlossenen Ortslage gelegene Rainmühle zu nennen.
Es folgt am südlichen Ortsrand die Griedeler Pfarrkir-
che, dann der aufgegebene Rathausstandort, der Gast-
hof „Zur Friedenslinde“ mit der Herrenmühle unmit-
telbar dahinter. Weiter in Richtung Norden ein Schul-
bau des 19. Jahrhunderts, der aus einer Wasserburg
hervorgegangene Amtshof der Solms-Braunfelser und
schließlich ein großes Hofgut am nördlichen Rand des
historischen Dorfkerns. Zwischen Amtshof und ge-
nanntem Hofgut sticht ein Weg ab, der auf die andere
Wetter-Seite führt und dort die am Fuße des Galgen-
bergs (Wingertsberg) gelegene Griedeler Kunstmühle,
früher Riedmühle, erschließt. Neben den dominieren-
den Straßenzügen mit den dort aneinandergereihten
Hofanlagen fallen in Griedel zwei etwas abseitigere
Gebiete auf. Das eine der beiden zeichnet sich durch
die zur Rockenberger Straße parallele Führung zweier
Gassen (Kirchgasse, Wallgasse) und die damit vorhan-
dene Regelmäßigkeit aus. Über die Entstehungszeit
des Areals, das im Süden vom Kirchhof mit der im
Kern gotischen Pfarrkirche begrenzt wird, kann eben-
so nur spekuliert werden wie über die des angerförmi-
gen Dorfgebiets am nordwestlichen Rand Griedels. Es
erstreckt sich am Fuße einer Bergkuppe, auf deren
höchster Stelle sich ein ehemals adliges Gut von be-
trächtlicher Größe ausdehnt (sog. Junkernhof, Anger-
berg 6). Kurze Stichwege (Kleinebachstraße, Anger-
berg, Bruderstraße) verbinden den Anger mit den übri-
gen Hauptverkehrsstraßen des Dorfes. Neben dem all-
gemeineren siedlungstypologischen Aspekt ist der
Anger vor allem auch als Standort der Griedeler Syn-
agoge von Bedeutung. 1866, zu einem Zeitpunkt, als
die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder ihren
höchsten Stand erreichte, konnte ein Neubau einge-
weiht werden. Nach der Zerstörung des Inneren wäh-
rend der Pogromnacht 1938 kam es nach 1945 zur
vollständigen Beseitigung des Gebäudes. Seinen Platz
nimmt gegenwärtig ein Feuerwehrgerätehaus ein.
1984 entdeckte man nicht weit vom ehemaligen Syn-
agogenplatz auf der Parzelle von Bruderstraße 15 ein
jüdisches Ritualbad, so daß das Angergebiet vielleicht
auch als vornehmlicher Wohnort Griedeler Juden an-
zusehen ist.
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Kirchgasse mit Turm der ev. Pfarrkirche, Aufnahme von 1909, Archiv LfDH
Griedel
Das östlich von Butzbach an der Wetter gelegene Grie-
del gehört mit seiner ersten schriftlichen Überlieferung
aus dem Jahr 770 zu den ältesten dörflichen Ansiedlun-
gen der fränkischen Siedlungsphase in der Wetterau.
Bei der Nähe zu den Stammsitzen des Reichministeria-
lengeschlechts von Arnsburg-Münzenberg war es nahe-
liegend, daß Griedel im hohen Mittelalter unter deren
territoriale Hoheit fiel. Den Münzenbergern folgten als
Grundherren in Griedel die Falkensteiner, die Eppstei-
ner, 1478 die Grafen von Solms-Braunfels, die in dem
Ort eine eigene Amts Verwaltung unterhielten. Bei der
Mediatisierung der Solmser Grafschaften kam Griedel
zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, war verwal-
tungsmäßig zunächst Teil eines Amtes Wölfersheim,
dann des Landkreises Hungen und ab 1852 des Land-
kreises Friedberg. Stadtteil von Butzbach ist Griedel seit
dem 1.8.1972.
Das historische Siedlungsbild Griedels wird vor dem
Hintergrund der landschaftlichen Gegebenheiten und
der Wegeverbindungen mit der Umgebung verständ-
lich. Der alte Landweg zwischen Butzbach und Lieh,
heute die B 788, gabelt sich westlich vor Griedel.
Während der Hauptweg Griedel rechter Hand liegen
läßt, führt der Abzweig fast geradlinig in den Orts-
kern, am Gasthof „Zur Friedenslinde“ knickt er nach
Norden längs der Wetter ab und stößt dann wieder auf
die direktere Straße Butzbach-Lich. Nur wenig vor
dem angesprochenen Gasthof im Ortsmittelpunkt trifft
auf die aus westlicher Richtung kommende Straße ei-
ne weitere aus Rockenberg, das weiter südöstlich im
Wettertal liegt. Ortspläne aus dem 19. Jahrhundert zei-
gen an der betreffenden Straßeneinmündung ein Ge-
bäude. In Analogie zu ähnlichen Situationen in ande-
ren Dörfern kann vermutet werden, daß ein inzwi-
schen beseitigtes Rathaus dargestellt ist. Die bislang
beschriebenen Straßen sorgen für einen überwiegend
linearen Charakter im Ortsbild Griedels. Neben dem
benachbarten Butzbach als Zielpunkt dörflicher Ent-
wicklung ist vor allem das Wettertal von siedlungs-
strukturierender Kraft. Alle wichtigeren Baulichkeiten
Griedels sind entlang des Flusses aufgereiht. Im Sü-
den beginnend wäre als erstes die noch vor der ge-
schlossenen Ortslage gelegene Rainmühle zu nennen.
Es folgt am südlichen Ortsrand die Griedeler Pfarrkir-
che, dann der aufgegebene Rathausstandort, der Gast-
hof „Zur Friedenslinde“ mit der Herrenmühle unmit-
telbar dahinter. Weiter in Richtung Norden ein Schul-
bau des 19. Jahrhunderts, der aus einer Wasserburg
hervorgegangene Amtshof der Solms-Braunfelser und
schließlich ein großes Hofgut am nördlichen Rand des
historischen Dorfkerns. Zwischen Amtshof und ge-
nanntem Hofgut sticht ein Weg ab, der auf die andere
Wetter-Seite führt und dort die am Fuße des Galgen-
bergs (Wingertsberg) gelegene Griedeler Kunstmühle,
früher Riedmühle, erschließt. Neben den dominieren-
den Straßenzügen mit den dort aneinandergereihten
Hofanlagen fallen in Griedel zwei etwas abseitigere
Gebiete auf. Das eine der beiden zeichnet sich durch
die zur Rockenberger Straße parallele Führung zweier
Gassen (Kirchgasse, Wallgasse) und die damit vorhan-
dene Regelmäßigkeit aus. Über die Entstehungszeit
des Areals, das im Süden vom Kirchhof mit der im
Kern gotischen Pfarrkirche begrenzt wird, kann eben-
so nur spekuliert werden wie über die des angerförmi-
gen Dorfgebiets am nordwestlichen Rand Griedels. Es
erstreckt sich am Fuße einer Bergkuppe, auf deren
höchster Stelle sich ein ehemals adliges Gut von be-
trächtlicher Größe ausdehnt (sog. Junkernhof, Anger-
berg 6). Kurze Stichwege (Kleinebachstraße, Anger-
berg, Bruderstraße) verbinden den Anger mit den übri-
gen Hauptverkehrsstraßen des Dorfes. Neben dem all-
gemeineren siedlungstypologischen Aspekt ist der
Anger vor allem auch als Standort der Griedeler Syn-
agoge von Bedeutung. 1866, zu einem Zeitpunkt, als
die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder ihren
höchsten Stand erreichte, konnte ein Neubau einge-
weiht werden. Nach der Zerstörung des Inneren wäh-
rend der Pogromnacht 1938 kam es nach 1945 zur
vollständigen Beseitigung des Gebäudes. Seinen Platz
nimmt gegenwärtig ein Feuerwehrgerätehaus ein.
1984 entdeckte man nicht weit vom ehemaligen Syn-
agogenplatz auf der Parzelle von Bruderstraße 15 ein
jüdisches Ritualbad, so daß das Angergebiet vielleicht
auch als vornehmlicher Wohnort Griedeler Juden an-
zusehen ist.
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