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Ness, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0057
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Das Hl.-Geist-Hospital lag am Nordrand der
Altstadt im Winkel von Knochenhauer- und
Schmiedestraße, die hier unmittelbar vor
dem Stadtausgang wieder Zusammentreffen.
1284 wurde der nördliche Teil der Stadt bis
zur Höhe der Ballhofstraße/Roßmühle von
der Parochie der Marktkirche abgetrennt und
der Hospitalkapelle zugelegt bis zur späteren
Errichtung der Kreuzkirche. Das zuletzt um
1730/40 im wesentlichen neu erbaute und
umgestaltete Hospital stand bis 1894 an der
Schmiedestraße. Danach wurde es im Osten
der Stadt auf der Bult neu erbaut (s. Bult,
Heiliggeiststraße 20).
Nikolaikapelle und Nikolaifriedhof
Zum Pfarrsprengel des Hl.-Geist-Hospitals
gehörte die vor dem Steintor am Südende
des Klagesmarkts gelegene Nikolaikapelle.
Sie wird 1284 als „capella leprosorum extra
muros" bezeichnet. Von dieser Kapelle ist
heute noch der um 1325 erbaute polygonale
Chor aus Kalkbruchsteinmauerwerk als Rui-
ne erhalten. Die fünfseitigen Umfassungs-
mauern, in Sohlbankhöhe von einem Kaffge-
sims umzogen, werden von gestuften Strebe-
pfeilern gestützt; an den großen Spitzbogen-
fenstern mit glatten, schrägen Laibungen
sind noch Ansätze des Maßwerks erkennbar.
An den Wänden sind einige qualitätvolle
Epitaphien des 16.—18. Jh. erhalten. Der
größte Teil der wertvollen älteren Grabstei-
ne, für die Otto Lüer 1898 im Norden der
Kapelle eine Denkmalhalle erbaut hatte,
wurde mit dieser im Zweiten Weltkrieg zer-
stört.
Der Ende des 13. Jh. angelegte Nikolaifried-
hof diente zunächst als Pestacker, seit dem
14. Jh. war er Begräbnisplatz für die Bewoh-
ner des Nikolaistifts. Als die innerstädtischen
Friedhöfe (drei Pfarrkirchenfriedhöfe, Fried-
hof des Hl.-Geist-Hospitals und Friedhof des
Minoritenklosters) im Laufe des 16. Jh.
nicht mehr ausreichten, wurde der Nikolai-
friedhof zunehmend Begräbnisstätte für die
drei altstädtischen Kirchengemeinden, nach
denen er seit dem Ende des 18. Jh. auch Alt-
städter Friedhof heißt. Seit 1866 ist er auf-
gelassen; durch die geschlossene dreieckige
Grünfläche wurde nach dem Zweiten Welt-
krieg die vierspurige Fahrbahnverlängerung
der Celler Straße gelegt.
Unter den erhaltenen, heute willkürlich ver-
teilten Grabdenkmälern des 16.—18. Jh. sind
Werke der Bildhauer Peter Köster (von ihm
stammten die Brüstungsreliefs vom Erker des
zerstörten Leibnizhauses), Jeremias Sutel,
Ludolf Witte u.a. 1901 wurde dem Dichter
Ludwig Hölty (1748—1776), der an unbe-
kannter Stelle auf dem Nikolaifriedhof be-
graben liegt, ein Denkmal gesetzt: Die über-
lebensgroße Bronzestatue eines Jünglings auf
einem Sandsteinpostament (entworfen von
Otto Lüer und Carl Gundelach) symboli-
siert Dichter und Dichtkunst durch ein an-
tikisierendes Idealbild.
Das Nikolaistift, zunächst als Leprosenheim
am Klagesmarkt entstanden, wurde in der
1. Hälfte des 18. Jh. an die Goseriede, an die
Stelle des heutigen Bades, versetzt (die
Stiftstraße verweist auf den ehemaligen
Standort). 1893 wurde es abgebrochen und

in der Oststadt (Drostestraße 22) neu er-
richtet.
Die Lage des Minoritenklosters und der bei-
den großen Stadthöfe der Klöster Loccum
und Marienrode im Stadtgebiet machen
deutlich, daß die Grundstücke zwischen den
vier Hauptstraßenzügen um 1300 aufgeteilt
und überbaut waren. Denn die Klosternieder-
lassungen befanden sich alle am äußeren
Stadtrand: Das Minoritenkloster lag an der
westlichen Grenze zwischen Leine und Lein-
straße; es wurde 1533 aufgehoben, auf dem
Gelände entstand 1636 das Leineschloß, in
das die zu Beginn des 14. Jh. errichtete drei-
schiffige gotische Klosterkirche als Schloß-
kapelle einbezogen wurde (im Zweiten Welt-
kreig zerstört). Der Hof des Klosters Marien-
rode lag am südwestlichen Ende der Köbe-
lingerstraße, am Knappenort; das Grund-
stück des Loccumer Hofs befand sich südöst-
lich der Osterstraße. Die im Laufe der 1.
Hälfte des 14. Jh. hinzukommenden Höfe
der Klöster Mariensee, Marienwerder und
Barsinghausen hatten ihre Niederlassungen
im Nordwesten der Altstadt, wo noch große,
zusammenhängende Grundstücke frei waren,

ein Hinweis darauf, daß dieser Teil der Stadt
zuletzt besiedelt wurde. Haus und Garten
der Beginen lagen seit 1357 im Westen, un-
mittelbar an der Leine am Ausgang der Pfer-
destraße.
DIE BEFESTIGUNG DER ALTSTADT
Im Laufe der 2. Hälfte des 13. Jh. wurde die
Erd-Holz-Befestigung (Graben-Palisadenwall)
durch eine Steinbefestigung abgelöst, deren
Errichtung sich bis etwa zur Mitte des 14.
Jh. hinzog. Sie begann mit dem wohl 1266
erbauten ersten steinernen Tor (Steintor)
am nördlichen Stadtausgang und endete mit
dem 1357 erbauten letzten Stadtturm,
dem Beginenturm (benannt nach der Lage
des Beginenhauses), dessen Standort an der
Leine unmittelbar gegenüber der Burg Lau-
enrode die wachsende Bedeutung der Markt-
siedlung und ihre Unabhängigkeit vom Lan-
desherrn dokumentiert.
Die Stadtmauer war aus Kalkbruchstein vom
Lindener Berg aufgeführt; sie war ursprüng-
lich 8 bis 9 m hoch und 0,80 bis 1,25 m
breit. In Abständen von ca. 30 m war sie
mit vor die Flucht herausspringenden Mau-

Arn Hohen Ufer, Marstalltor; links Turm der
Kreuzkirche


Schloßstraße, Neues Tor, 1782


Am Hohen Ufer, Beginenturm mit Neubau des Historischen Museums


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