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Twachtmann-Schlichter, Anke [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 14,1): Stadt Hildesheim: mit den Stadtteilen Achtum, Bavenstedt, Drispenstedt, Einum, Himmelsthür, Itzum, Marienburg, Marienrode, Neuhof, Ochtersum, Sorsum, Steuerwald und Uppen — Hameln, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.44417#0213
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DIE ÖSTLICHEN
STADTERWEITERUNGSGEBIETE
SEIT DEM 19. JAHRHUNDERT

Sedanstraße
Eine Entfestigung und damit die planmäßige
Zerstörung der Befestigungsanlagen wurde
auch im Bereich zwischen dem ehemaligen
Goschentor und dem Braunschweigertor be-
reits im 18. Jh. eingeleitet. Parallel dazu erfolgte
die Niederlegung einiger Wehre und Teile der
Neustädter Stadtmauer um 1761 im Auftrag
des welfischen Herzogs Ferdinand. Aufgrund
der schlechten Finanzlage und eines Berichtes
des „Ingenieur“ Deichmann vom 14.08.1802,
der auf die Missstände der Befestigungs-
anlagen, auch der ehemals östlichen Neu-
städter hinwies, wurden Vorschläge zu ihrer
Abschaffung vorgelegt. Die Folge war die
Verpachtung der Stadtgräben zu Fische-
reizwecken (s. Kalenberger Graben, Dyes
Graben) oder der Wälle zur Beweidung oder
Gartennutzung. Ähnlich dem Areal der Großen
Venedig wurde im Jahre 1819 die bereits
angelegte Wallpromenade im Bereich der ehe-
maligen östlichen Neustädter Befestigungs-
anlagen zwecks Verkauf und Verpachtung von
Gärten vermessen und für diese Zwecke
freigegeben. War das Gelände 1860 noch über-
wiegend von Entwässerungskanälen durchzo-
gen, so waren die Einebnung und Parzellierung
des Wallabschnittes zwischen dem ehemaligen
südlichen Goschen- und dem nördlich gelege-
nen Braunschweigertor bereits 1874 abge-
schlossen und die Gräben verfallt.
Die Wallfläche im Bereich der Sedanallee erfuhr
schon um 1885 eine Umgestaltung zur
Grünfläche mit der Anlage einer Platanenallee.
Um 1900 zeichnete sie sich durch langgezo-
gene, freie Rasenflächen und Schmuckbeet-
anlagen aus. Nördlich und südlich begrenzten
das Kaiser-Wilhelm-Denkmal und der Renata-
brunnen, beide im Zweiten Weltkrieg zerstört,
die beliebte Grünanlage. Heute findet die
Sedanstraße im Süden ihren jähen Abschluss
am Goschentorplatz. Im Norden stößt sie im
rechten Winkel auf die Goslarsche Straße und
wird von dieser und dem Gedenkstein des ehe-
maligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals, nur noch
der Sockel ist vorhanden, begrenzt.
Von den ehemals 136 gepflanzten Platanen
säumen heute noch 22 den Hauptweg, der die
Mittelachse bildet und sein Erscheinungsbild
weitgehend in den 60er Jahren des 20. Jh.
erhielt. Parallel dazu verlaufen die Nebenstra-
ßen. Die westliche, auch „Seufzer-Allee“ ge-
nannt, erhielt ihr heutiges Gepräge durch die
Pflasterung des 20. Jh in den 30er Jahren. Die
Bepflanzung der Allee setzt sich heute unter
anderem aus Akazien und Linden zusammen.
Mit der konsequenten Umgestaltung der ehe-
maligen Befestigungsanlagen wurde auch hier
dem gesteigerten Bedürfnis der Bevölkerung
nach Grünanlagen Rechnung getragen. Sie
dienen heute noch als Ruhe- und Grünflächen
in der Innenstadt.


Hildesheim, Sedanstraße 7

Zur Erinnerung an die Kapitulation der franzö-
sischen Armee und der gewonnenen Schlacht
bei Sedan 1870 erhielt die Straße im Septem-
ber des Jahres 1873 ihren heutigen Namen.
Einbezogen in die Reflektion des Frankreich-
feldzuges sind namentlich auch die zur Sedan-
straße rechtwinklig verlaufenden Straßen wie
die Wörthstraße, Weißenburger Straße und
schließlich die Vionvillestraße. Mit dem Ausbau
zur Allee ging auch die südöstliche Stadter-
weiterung zum Ende des 19. Jh. einher. Die re-
lativ geschlossene Bebauung der Sedanstraße
ist durch die von der Straßenflucht zurückge-
setzten Gebäude gekennzeichnet. Dadurch tra-
gen die Vorgärten erheblich zum Gesamt-
eindruck des Straßenbildes bei.
Wie schon in den Gebieten der Großen Venedig
und am Weinberg spiegelt dieser Straßen-
abschnitt exemplarisch mit seinen repräsenta-
tiven großbürgerlichen Gebäuden und seiner
zum Teil heterogenen Bebauung die zeitgenös-
sische Konzeption eines Wohngebietes geho-

benen Standards wider. Vergleichbar mit dem
Gebiet der Großen Venedig sind noch die vere-
inzelt existierenden Gebäude im Stil der
„Hannoverschen Schule“ wie Sedanstraße 7.
Aufgeführt 1886, entspricht der zweigeschos-
sige Rohziegelbau von Maurermeister C.
Schreyer mit altanartigem Vorbau westlich zur
Sedanstraße, Blendarkaturen und bekrönen-
dem, spitzwinklig zulaufendem Giebel mit
Maßwerkrosette durchaus dem typischen
Erscheinungsbild der „Hannoverschen Schule“.
In seinen Formen dem neogotischen Duktus
verpflichtet ist der südlich aufwändig ausge-
führte Erker an der Vionvillestraße. Seine
maßwerkähnlich gehaltenen Fenster und die
zierliche Eisenverglasung des Obergeschosses
unterstreichen diese Tendenz.
Das 1878 vom Maurermeister Stemmer errich-
tete Doppelhaus Sedanstraße 22, 23 ist zwar
zeitgleich mit Sedanstraße 7 anzusetzen, aber
deutlich zurückhaltender in der Formenspra-
che. Seine Wirkung bezieht es lediglich durch

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