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Kimpflinger, Wolfgang [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 1): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44168#0030
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mit Glas geschlossen, sondern hatten hölzernes Gitterwerk, durch das der Wind strei-
chen konnte (s. z. B. Damm 4)
Das bescheidene Kleinbürgerhaus des Handwerkers und Tagelöhners war viel schmaler,
bisweilen nur zwei bis drei Spann breit. An die Stelle der Toreinfahrt trat die Haustür; es
fehlten die geräumige Däle und oft das Zwischengeschoß. Selten gab es mehr als ein
Obergeschoß, mit oder ohne Vorkragung. Zwei anschauliche Beispiele haben sich noch
mit den Häusern Aegidienstraße 5, aus der Mitte des 16. Jh., und Ritterstraße 23, einem
häufiger umgebauten und „1608“ datierten Haus erhalten.

Fachwerkschmuck
Die straßenseitigen Gerüstteile des Braunschweiger Fachwerkhauses wurden seit spät-
gotischer Zeit bis in das 17. Jh. hinein in zunehmender Weise mit Schmuckelementen
ausgestattet, deren stilistische Eigenart für die einzelnen Bauten auch verlässliche Datie-
rungsanhalte bieten.
Die älteste Zierform ist der Treppenfries, der meist mit kräftigem Relief bereits an den
mächtigen Stockwerkschwellen der ältesten Braunschweiger Häuser zu finden ist (s. Ak-
kerhof 2, datiert 1432). Am Ende des 15. Jh. wird der Treppenfries immer häufiger vom
Trapez- oder Bügelfries abgelöst. Zu diesen frühen Schmuckformen gehören die mehr-
fach profilierten Knaggen, die an diesen Häusern meist in kräftig ausgebildeter Dreieck-
form die vorkragenden Stöcke abstützen und die mit den Ständern des jeweils darunter-
liegenden Stockes verbunden sind. Von diesen, aus spätgotischer Zeit stammenden
Häusern war bis 1944 noch eine große Zahl in der Stadt zu finden. Heute sind es vor-
nehmlich noch einige kleinere Häuser, die diesen Schmuckzeigen. Stattlichere Beispiele
sind Alte Knochenhauerstraße 11,12 und vor allem 13. Trapez- und Bügelfries sind nur
noch selten anzutreffen, am ausdrucksvollsten an der zu Beginn dieses Jahrhunderts an
den Burgplatz versetzten Fassade eines Bürgerhauses, das ehemals im Stadtteil Sack
stand (s. Burgplatz 2a). In der Renaissance treten als Schmuckformen an die Stelle von
Treppe, Trapez und Bügel das Maßwerk, der Fächer und der Laubstab.


Alt-Braunschweiger Hofanlage (Scharrnstraße 7),
Vorkriegszustand, Grundriß, Erdgeschoß

Während die Beispiele mit Maßwerkschmuck alle zerstört sind, ist der Fächerfries und der
Laubstab heute noch an etlichen Bauten in der Stadt vorhanden. Beim Fächerfries liegt
der Ansatzpunkt des Fächers in der Regel in der Achse der übereinanderstehenden Stän-
der der Stockwerke. Von hier entfaltet er sich halbkreisförmig über Schwellbalken, Stän-
der und die das Gerüst versteifenden Fußwinkelhölzer in den Brüstungsfeldern. Zu sehen
ist diese Schmuckform u.a. noch an den Gebäuden Jakobstraße 2 und auch an dem be-
reits erwähnten Haus Burgplatz 2a. Bei dem Fächermotiv des Hauses Vor der Burg 10
haben die Ansatzpunkte die übliche Beziehung zu den Ständern, Winkelhölzern und Bal-
kenköpfen bereits verloren.
Neben den bisher genannten Schmuckformen, die sich vor allem auf den Bereich der
Stockwerkschwellen, der Knaggen und der Winkelhölzer in den Brüstungsfeldern kon-
zentrieren, kam es, vor allem in der schmuckfreudigen Zeit der ersten Hälfte des 16. Jh.,
zu einer Reihe von überaus prächtigen Fassadengestaltungen. Wohlhabende Bauherren
ließen in dieser Zeit oft die Fassaden ihrer Häuser von handwerklich besonders begabten
Schnitzern ausgestalten, wobei nahezu das gesamte sichtbare Holzgerüst flächig und die
einzelnen Konstruktionselemente negierend, mit phantasievollen Ornamentschnitze-
reien überzogen wurde, einschließlich umfangreicher figürlicher Darstellungen, die, wie
ein szenischer Bilderbogen, die Fassade überziehen. Solche „Drolerien“, Szenen aus
dem Leben des Volkes, sind vor 1944 in unterschiedlich qualitätvoller Ausformung an
mehreren Häusern der Stadt zu sehen gewesen. Das einzige erhaltene und berühmteste
Beispiel der Stadt, ist heute das Huneborstelsche Haus am Burgplatz (Burgplatz 2a), des-
sen Schnitzwerk Simon Stappe zugeschrieben wird, einem Künstler, der in jener Zeit an
mehreren Orten im niedersächsischen Raum als Fassadenschnitzer nachweisbar ist.


Bügelfries (Ende 15. Jh. bis um 1530/40)

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Trapezfries (Ende 15. Jh. bis um 1530/40)


Während die älteren Schmuckformen des Treppen- Trapez- und Bügelfrieses sowie die
Fächerrosette im Laufe des 16. Jh. wieder verschwinden, ist der um 1520 als neuer
Schwellenschmuck auftauchende Laubstab bis in die zweite Hälfte des 17. Jh. zu beob-
achten. Er hat im Laufe dieses Zeitraumes mehrere Abwandlungen und Entwicklungsstu-
fen durchgemacht. Beim Laubstab besteht das Schnitzwerk in einem von Laubranken
umwundenen Stab, der den Schwellbalken vom Anfang bis zum Ende durchläuft. In die-
ser Form findet sich das Motiv, auf einem wiederverwendeten Balken in dem neuen Ge-
bäude Hinter der Magnikirche 2 sowie an der Dachschwelle des Huneborstelschen Hau-
ses (s. Burgplatz 2a). Eine erste Reduzierung zur sog. Astwelle findet bereits um 1560
statt. Gleichzeitig verschwinden Maßwerk- und Fächerornament. Bei der Astwelle erhält
der in der Mitte durchlaufende Stab knorrige Astansätze. Die Laubranken verlieren ihre
Blätter und werden zu zwei schlichten Wellenlinien, die sich um den Stab winden. Blatt




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Entwicklung des Laubstabes zum Diamantband
(Anfang 16. Jh. bis Ende 17. Jh.)

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