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Duhn, Friedrich
Ein Ritt durch den nördlichen Peloponnes vor vierzig Jahren — Stuttgart, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.43815#0002
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Gegenwart hineinragt und der Pulsschlag der neuen Zeit noch wenig verspürt
wird. Diplomaten, die das Land und seine Bewohner kaum und nur indirekt
kennen, Kaufleute, die nur auf Gelderwerb eingestellten Vertretern des dafür
besonders veranlagten Volkes begegnen, Politiker, die nur die ſchwärenden
Wunden vor Augen sehen, die eine vorſchnell dem noch unreifen Lande von
den Mächten, welche sich des guten Verſuchsobjekts freuten, gegebene ullraliberale
Verfassung geſchlagen hat und noch schlägt — vgl. die früheren Nebergriffe des
Offiziersbundes und die verhängnisvolle Tätigkeit eines Venizelos , Reisende,
die, ohne die Sprache zu kennen, ein bequemes Opfer levantiniſcher Ausbeutung
und Tücke werden, sie alle sprechen gern abschäzig von den heutigen Griechen
und verallgemeinern ungerechterweiſe ihre beschränkten Erfahrungen und Mei-
nungen. Mit beredten Worten hat vor einiger Zeit ein wirklicher Kenner des
Landes, der erste Sekretär unsers archäologiſchen Instituts in Athen, Georg
Karo, seine Stimme erhoben und betont, man möge über Land und Leute auch
die Archäologen hören, die seit einem Jahrhundert alle Winkel von Hellas
durchſtöbern, „ſich oft lange und wiederholt überall aufhalten, ohne persönlichen
Zweck, die das Leben des Volkes teilen, seine Sprache beherrschen, Menschen
jeglichen Standes in ihrem Milieu, in ihrer Familie beobachten können und im
Laufe der Jahrhunderte die Griechen, bei Ausgrabungen und auf Reisen, als
Untergebene kennen lernen: wohl die ſicherſte Art, in die Volksseele einzu-
dringen. Da wird es denn doch nicht zufällig sein, daß ſich gerade unter
den Archäologen aller Länder die wärmsten Freunde Griechenlands findenn..
Man dürfe behaupten, sagt Karo, „daß kein Fremder das griechiſche Volk so
gut kennen lernt wie der Archäologe" („Südd. Monatshefte" 1912, S. 430
bis 439).

Die alte Wahrheit, daß Mitleid Liebe erzeuge, wird auch wohl manchem,
der früher unter dem Bann jener oben bezeichneten oberflächlichen oder ein-
seitigen Beobachtung stand, ſich jetzt aber der Zeit des verblendeten, durch un-

ſagbare Lügen. aufgepeitſchten Haſſes gegen Deutſchland gern umſchaut naeh

denen, die zu uns halten möchten, die Neigung erwecken, seine frühere Ansicht
über die Griechen zu revidieren, vielleicht sogar jener deutſch- griechiſchen Ver-
einigung freundlich näherzutreten, die es ſich zur Aufgabe gemacht hat, Ketten
zu ſchlingen, die fester halten sollen, als so manches aus dem Augenblick ge-
borene politiſche Bündnis. Müſsſen wir doch das Volk bewundern, das unter
unerhörtem, jeden einzelnen treffendem Druck in seiner überwältigenden Mehrheit
treu und dankbar zu seinem König hält, der es als zielbewußter und glücklicher
Jeldherr durch schwierigste Lagen zum Siege brachte und mit größter, durch
die Verfaſſung nicht wenig erſchwerter Besonnenheit es jetzt vor den Schreck-
nissen eines für Griechenland völlig sinnloſen Krieges zu bewahren ſtrebt.

So mag denn erzählt sein, wie unsereins durch das Land ritt, als es noch
keine Bahnen ~ außer den 8 Kilometern zwiſchen Athen und dem Piräus ~
gab, außer in Athen und wenigen andern Städten keine Gaſthöfe, wenigstens
im europäischen Sinne, und alles, was Reiseverkehr anging, noch so war, wie
 
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