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H2 VIII. Bilder aus Leben und Tod. Oie Gräberstraßen
geworden, die Furcht vor gefährlicher Wiederkehr des Toten, vor
seinem geisterhaften Umgehen und seiner Neigung, die Lebenden
zu schädigen, trat mehr zurück, je nach der allmählich steigenden
Kulturhöhe der Hinterbliebenen. Je mehr im Verlauf der Zeit der
Bildungsgrad wieder zurückging oder zurückgeht, um so lebendiger
tritt jene Uroorstellung aus den verborgenen Tiefen des volks-
bewutztseins wieder an die Oberfläche - so noch vielfach im heuti-
gen griechischen Grient. Je mehr diese Furcht nachläßt, um so
mehr auch die andere vor Beraubung des Toten," denn die geord-
neten Rechtsverhältnisse gestiegener Kultur gewährleisten besseren
Schutz, und der Anhalt der Gräber tritt an materiellem Wert zu-
rück, je höher die Vorstellung vom Wesen des Todes, vom Leben
nach dem Tode steigt: eine unbedeutende dem Taten mitgegebene
Nkünze ist die letzte symbolische Ablösung des ihm vorenthaltenen,
auf die Erben übergegangenen Eigentums. Man weiß, daß er im
Jenseits irdische Pracht, irdische Waffen und Schmuck nicht mehr
braucht. Wenn später das geistige Niveau wieder sinkt, so viel-
fach im ausgehenden Altertum, im beginnenden Mittelalter, wird
auch gleich die Totenausstattung wieder reicher.
Im sechsten Jahrhundert v.Lhr. beginnt in der griechischen
Welt das Grab sich der Erdoberfläche wieder mehr zu nähern,
wird der Grabhügel monumentaler, vielfach mit besonderen Vor-
richtungen zur Aufnahme der Spenden ausgestattet,' künstlerisch
verzierte Steinplatten erheben sich an diesen Hügeln, zeigen oft-
mals das Bild oder eine andere individuelle Andeutung des Toten,
und beginnen, von der Ausbildung der Schrift Nutzen ziehend,
Namen und Geschlecht des Toten zu melden. Noch begraben viele
ihre Toten auf ihrem eigenen Besitz, wenn sie solchen haben, oder
senken sie in die großen Gräberfelder außerhalb der Stadtmauer,
so wie es früher Sitte war. Mehr und mehr aber beginnt im
fünften Iahrhunderr das Zusammendrängen der Gräber an den
ebenfalls zu festerer Ausbildung gelangenden Landstraßen. Vie
alten Nymäer ließen sich schon im siebenten und sechsten Jahr-
hundert auf den Grundstücken längs der einzigen „Gräberstraße"
nach N., z. T. schon recht entfernt vom Stadthügel, beisetzen. Je
mehr Menschen sterben, um so mehr Land wird für ihre Bestat-
tung zur Verwendung kommen. Schon einmal für Gräber ver-
wendetes Land nach eingetretener Verwesung zu abermaliger Be-
 
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