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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 2): Die Baukunst der Etrusker, die Baukunst der Römer — Darmstadt, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.2021#0194
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i87 ■

Incruftation des zweiten Gefchoffes war fchadhaft geworden, wurde 1747 durch den päpftlichen Archi-
tekten P. Pofi entfernt und durch die jetzige Stuckbekleidung erfetzt. Bei diefera Gefchäfte muffte die
Mauer blofsgelegt werden, und es konnte alfo kaum ein Irrthum unterlaufen fein. Zwifchen den durch-
fetzenden dreifachen Bogen AA fpannen fich kleinere Doppelbogen, welche die Laft des darüber flehenden
Kuppelmauerwerkes aufnehmen und auf erftere, welche fich auf die Nifchenwandzungen auffetzen, übertragen
(Fig. 160).

Nach dem Vorgange der Kuppel des Toffia-Grabes bei Tivoli kann nun die Pantheon-Kuppel aus
einer einzigen Schale beliehen, und die Caffetten-Rippen find eine über die andere durchgehend bis zum
Lichtring durchgeführt und durch breite horizontale Gurtbänder verfteift. In der oberen glatten Zone
können noch einzelne Plattenringe eingefchoben fein. Die Füllungen, welche diefes Rippenwerk aus Back-
fteinen umfchliefst, wurden mit Gufsmauerwerk ausgefetzt, das in der oberen Zone mit den Rippen die
gleiche Dicke hatte, in den 5 unteren Felderreihen aber auf ftaffelförmige Lehrhaften aufgefchüttet wurde,
um fo in einfachfter Weife die Caffetten zu erhalten. Um beim Nachlaffen oder Wegnehmen der Lehrbogen
diefe hölzernen Lehrkaflen für die Caffetten leicht loslöfen zu können, wurden die horizontalen Caffetten-
Wände nicht winkelrecht zur Wölbungslinie hergeftellt; fondern fie fcheinen im Grundplane nach dem
Mittelpunkt zu laufen. Mit einem optifchen Experiment hat diefe Anordnung um fo weniger etwas zu
thun, als fie nicht die fertige Form giebt. Aufserdem wirkt fie jetzt unfchön (die unteren Flächen er-
fcheinen zu breit und die oberen verkümmert, wenn man nicht gerade in der Mitte des Raumes fleht);
fie ifl nur von einem Punkte, vom Centrum des Grundplanes aus, für einen einzigen Befchauer ge-
niefsbar.

Möglich ifl es auch, dafs der Gang und die Verfpannung der Rippen und Gurten nach dem Licht-
kranz in der von Piranefi angegebenen Weife ftatt hatte, mit dem Unterfchiede, dafs die Hälfte (14) der
aufsteigenden Gurten gegen den Scheitel geführt und der glatte Theil nach der im Grundplane in Fig. 160
rechts angegebenen Weife ausgefpannt war. Dabei ift unterftellt, dafs das Gewölbe aus einer einzigen
Schale befleht.

Verwerthen wir die Angaben Piranefi'?, fo voll als möglich, fo bleibt nichts übrig, als eine doppel-
fchalige Kuppel anzunehmen und den Römern die Priorität der Erfindung von Doppelkuppeln zu über-
laffen. Vortrefflich im Gedanken und praktifch ausführbar ifl, was Fig. 159 im Schnitt und Grundplan
zeigt. Nach der Erhärtung der inneren Caffetten-Kuppel auf dem Lehrgerüfle konnte diefe als Gerüft
für die äufsere Schutzkuppel dienen; man konnte fo mit geringem und leichtem Holze für die Rüftung aus-
kommen. Durch die Uebermauerung erhielt das Gewölbe ftärkeren Halt und vermehrte Stabilität und
durch die Abdeckung mit Bronze-Ziegeln Schutz gegen die Witterung. Der bald zweitaufendjährige Beftand
ifl ein Zeugnifs für die Qualität der Conflruction und der Ausführung98).

Der Vorwurf eines fchwerfälligen Unterbaues oder einer zu maffigen Widerlager-Conftruction wird
doch etwas niedergehalten, wenn man erwägt, dafs wir es eigentlich nur mit einer l,8om dicken Umfaffungs-
mauer aus Gufsgemäuer zu thun haben, aus der 8 gekuppelte oder im Ganzen 16 Strebepfeiler 4,5 m weit
hervorragen, welche die ganze grofsartige Kuppel-Conftruction aufnehmen. Die aus Quadern conflruirten
Strebepfeiler des Cölner Domes ragen nicht viel weniger weit aus der Umfaffungsmauer vor; diefe nach
aufsen, jene am Pantheon nach innen.

Für die ftatifche Beurtheilung von Gewölbe, Widerlager und Ausfpannung der
concentrifchen Ringmauer geben die Schnitte in Fig. 161 wohl den beften Auf-
fchlufs. Durchmeffer und Höhe des Raumes find einander gleich; fie verhalten fich
wie 1:1, gleich wie am Dome in Cöln; auch die wirklichen Mafse diefer beiden
Bauten (im Querfchnitt genommen) decken fich nahezu, wie das Diagramm zeigt.
Der Vorfprung der Strebepfeiler vor der Umfaffungsmauer beträgt 1/n der Spann-
weite, die Stärke der Strebepfeiler einfchl. Umfaffungsmauer ift 1/7,5 derfelben und
die Dicke der Umfaffungsmauer beträgt I/24.

e) In die Claffe der Grofs-Conftructionen ift auch die Rotunde der Caracalla-
Thermen mit 35 m lichtem Durchmeffer zu rechnen. Tambour und Gewölbe beftehen
auch hier aus Gufsmauerwerk mit Backfteinblendung; die letztere ift am Gewölbe,
fo weit dies noch vorhanden, im Inneren durchgeführt.

98) Vergl. hierüber auch: Viollet-le-Düc Dictionnaire rai/onne de Varchitecture eic. Band 4. {Paris 1875).
S. 347: Artikel »caiipole*.
 
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