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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 2): Die Baukunst der Etrusker, die Baukunst der Römer — Darmstadt, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.2021#0243
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236

221.

Qualität
der

Die Donau-Brücke des Trajan, welche aus Geradholz und Bohlenbogen con-
ftruirt war, läfft uns ja die Römer als Meifter im Zimmerhandwerk erfcheinen 124).

Die Qualität der Arbeiten ift, wie fchon früher gefagt wurde, bei allen gröfseren
Werken meift eine vorzügliche; fie hält nicht immer gleichen Schritt mit der Ent-
Ausiuhrung. wickelung oder dem Verfall der künftlerifchen Formen, indem wir auch der Ver-
fallszeit noch manche fchöne, technifch vollkommene Ausführung verdanken. Princip
blieb von Anfang bis zu Ende beim Quadergemäuer, fowohl bei den lothrecht
emporfteigenden Umfaffungs- oder Theilwänden, als auch bei den Gewölben: die
forgfältigfte Schichtung, Bearbeitung und Fügung der Stofs- und Lagerflächen der
Quader, die Vermeidung von Mörtel, aber die Zuhilfenahme von Eifen oder Holz
zur engeren Verbindung einzelner Stücke.

Beim Backftein-Rohbau finden wir ebenfalls forgfältigfte Schichtung, möglichft
gerades und dünnes Material bei nicht zu ftarken Mörtelfugen. Letztere verhalten
fich an den beften Ausführungen diefer Art zu den Backfteindicken, wie 1 : 3 oder
1 : 4 [Antphiiheatrum caßrenfe in Rom) oder 1 : 6 {Sedia del Diavolo in Rom). In
der fpäteren Zeit werden die Mörtelfugen gleich dick, wie die Backfteine gemacht,
. und bei geringeren oder mit anderem Materiale verblendeten Mauern wird die

Mörtelfuge oft dicker, als der Stein felbft.

Trotz diefer forgfältigen, technifchen Vorrichtungen und der Routine, welche
durch die vielen und grofsen Ausführungen gewonnen werden muffte, liefsen fich
auch an römifchen Monumenten fo gut Curvaturen der Horizontalen nachweifen, wie
an griechifchen, mittelalterlichen (vergl. den Dom in Pifa m) und an jenen der Re-
naiffance (Palaft Farnefe und Farnefina in Rom und zahllofe andere) und der aller-
neueften Zeit (an allen Orten), obgleich an den letzteren nicht immer Erdbeben
und Pulver-Explofionen gerüttelt haben und fie fo wenig abfichtlich find oder auf
einer hyperfeinen Theorie beruhen, als in Rom oder anderwärts.

Die Curvaturen nützen nichts und fchaden nichts bei der Feftftellung des künftlerifchen Werthes
eines Bauwerkes; höchftens berühren fie etwas fatal, wenn das Auge fie erkannt hat; der Genufs an einem
Bauwerke, fei es in Ruinen oder noch neu, ift dem Verfaffer wenigftens durch deren Vorhandenfein noch
nie erhöht worden.

Märtens »fieht 126) gerne von den bekannten, für jeden praktifchen Architekten gänzlich unnützen
Streitfchriften über horizontale Curvaturen ab«, die nur Unheil geftiftet hätten — und wir wollen fie hier
defshalb nicht um ein Blatt vermehren, da die Anflehten des Verfaffers in diefem Punkte im vorhergehenden
Bande diefes »Handbuches« u.a. O. niedergelegt find und er trotz neuerer Einwürfe keine Veranlaffung
hat, von den früheren Darlegungen abzugehen. Für Schriftgelehrte, Techniker der Schule und Phantaften
werden fie defshalb immer noch willkommene, discutirbare Themata bleiben.

Koftenvoranfchläge und Bauverträge wurden verlangt und ausgeführt, letztere
oft bis in das kleinfte Detail verfolgt und ausgearbeitet, wovon in der mehrfach
genannten Lex Puteolanä ein intereffantes Beifpiel erhalten geblieben ift.

Dafs man in den Koftenvoranfchlägen dem Architekten gegenüber ein Einfehen
hatte, beweist Vitruv (Lib. X, Vorw.), indem er demfelben einen Spielraum von
25 Procent zugefteht. Er nennt es »ein hartes, aber nicht ungerechtes Gefetz«,
wenn in Ephefus die Techniker bei einer Ueberfchreitung des Anfchlages um mehr
als 25 Procent mit ihrem Vermögen (fo fie welches hatten) haftbar gemacht wurden.
Bei der Uebernahme eines Baues mufften fie bis zur Vollendung deffelben mit ihrem

222.

Koften-
voranfchläge

und
Bauverträge.

12*) Vergl. Fröhner, W. La colomie Trojane etc. Paris 1872—74. Bd. IV. PI. 129.

125j In: Rohaült, G. DE Fleury. Les monuments de Pi/e an -rnoyen äge. Paris 1864. PI. XII: Ligne des petits
matiriaux, welche die ähnliche Krümmung zeigt, wie die Horizontalen des Thefeion.
126) In: Der optifche Mafsftab. 2. Aufl. Berlin 1884.
 
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