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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 2): Die Baukunst der Etrusker, die Baukunst der Römer — Darmstadt, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.2021#0284
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276

Wir können im alten Rom, genau wie in unferen modernen Grofsftädten,
dreierlei Arten von Wohnungen unterfcheiden:

1) Solche, die aus Laden (Taberna) und Werkftätte mit einem Zimmer im
Obergefchofs beftanden;

2) die Miethwohnung für Einzelne und Familien in den Obergefchoffen (Cena-
cula) — vielfach mit eigenem Ausgang nach der Strafse und befonderen Treppen;

3) die Familien- oder Herrfchaftswohnung.

Das Gefchofs zu ebener Erde blieb immer das bevorzugte. Beim Anwachfen
der Bedürfniffe und der Anfprüche an das Leben liefs man es aber bei den ein-
fachen räumlichen Erweiterungen des Haufes nicht bewenden; in der Ausftattung
und Einrichtung der Wohnung machte fich mit der Zeit, namentlich unter den
Notablen, ein Luxus geltend, der fich in das Unglaubliche fteigerte und unter Nero
feinen Höhepunkt erreichte. Bei diefen reichen Häufern treten dann noch weitere
Räume als: Gemäldezimmer (Pinacotheca), Spielzimmer (Spkaerißerium), Bade-
zimmer (Nymphaeum), die mit Säulen und Galerien gefchmückten grofsen Salons
(Oeci), offene Converfations-Zimmer (Exedrae), Hausaltäre mit den Bildern der
Hausgötter (Lararium) oder kleine Kapellen (Sacellum, SacrariumJ und in der
Wirthfchaftsabtheilung ein Backhaus mit Mühle (Piflrinum) etc. hinzu. Keller
(Hypogaea) gehörten zu den Ausnahmen; fie find wenigftens in Pompeji feiten.
280. Ein klares Bild von der Eintheilung eines mittelgrofsen bürgerlichen Wohn-

bü"4rikhes haufes giebt die fog. Cafa de capilelli figurati zu Pompeji in Fig. 254, II, das eines
Wohnhaus, ganz kleinen in Fig. 2 54,1.

Der Fufsboden des Erdgefchoffes ift um zwei aufserhalb der Thür gelegene
Stufen höher, als der Bürgerfteig. Die Thür liegt nicht unmittelbar an der Strafse,
fondern ift etwas zurückgerückt und läfft fo einen kleinen Vorplatz (Veflibulum)', in
welchem der Eintretende bis zum Oeffnen der Thür, gefchützt gegen Wetter und
gegen das Gedränge auf der Strafse, warten konnte. Es liegt in diefem Vorräume
eine Reminiscenz an jene grofsen Veftibule der Notablen - Häufer, welche am ge-
wöhnlichen Bürgerhaufe zwecklos waren und dann mit dem Verfalle des Inftitutes
der Clientel überhaupt keinen Sinn mehr hatten. Der Eingang ift architektonifch
bedeutfam geftaltet; Pilafter mit reichen Kapitellen und Gefimfen umrahmen den-
felben; Malereien, gute Sprüche, der Name des Befitzers, »eine fymbolifche Ver-
zierung von Unglück abwehrender Kraft« fchmücken die Wände; die Schwelle trägt
den Grufs für den Eintretenden: Salve.

Zumeift hölzerne, zwei- und mehrflügelige (Klappflügel-) Thüren öffnen fich
nach dem Inneren und führen in einen Flur, in dem der Haushund an-der Kette
lag oder auch nur mit der warnenden Umfchrift -»cave canem« mufivifch auf dem
Boden oder gemalt an der Wand dargeftellt war. Hier hielt fich auch der Pförtner
(Oßiarius, Janitor) auf, der nebenan fein befonderes Gelafs hatte, das mit einem
kleinen Schlitzfenfter nach der Strafse zu verfehen war. Der gegen das Atrium durch
ein Velum abgefchloffene Flur enthielt auch (in den meiften Häufern noch im
IV. Jahrhundert n. Chr.) hinter der Hausthür den Schutzgott (Lar, Tntela) des
Haufes; mit der Zeit erhielten übrigens die Laren im inneren Theile des Haufes
ein eigenes Sacrarium.

Das Atrium, das ungefähr den dritten Theil der Hausfläche (ausfchl. Perißyl)
einnimmt, ift als tuskifches fäulenlos, das Impluvium klein im Verhältnifs zur ganzen
Bodenfläche des erftgenannten. Es ift ein von profilirten Steinen eingefafftes, recht-
 
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