II.
Idealistische Grundlagen.
Der Idealismus der gotischen Kunst. Was ist darunter
zu verstehen?
Verschieden vom Idealismus der klassischen Kunst hatte
er im Spiritualismus der christlichen Weltanschauung seinen
Ursprung und beruhte auf dem Siege einer abstrakt ideellen
Bedeutsamkeit über formale Vollendung, auf der Herrschaft
des Geistes über die Materie. Die war allerdings nicht auf
die Gotik beschränkt, sondern gilt für das ganze Mittel-
alter, ja, älter als dieses, war sie ein charakteristisches Pro-
dukt der spätantiken Geistesentwicklung und gehörte zu
den Brücken, die das Christentum mit der klassischen Kul-
tur verbunden haben. Ein rein semitisches, d. h. jede Ver-
bindung zwischen der Gottesidee und bildlichen Vorstel-
lungen bekämpfendes Christentum wäre bei den Mittelmeer-
völkern ebenso undenkbar gewesen, wie der materielle An-
thropozentrismus der griechisch-hellenistischen Kunst vom
Christentum nicht einfach akzeptiert werden konnte. Da
bot aber die neoplatonische Philosophie und die neue illu-
sionistische Kunst den erwünschten Ausgleich und ermög-
lichte es, auch auf dem Gebiete der Kunst den neuen reli-
giösen Gedanken mit der klassischen Kulturwelt zu ver-
binden. Eine Kunst, die die Körper nur als unendlich
fließenden und wandelbaren optischen Eindruck kennt, das
reale Sein immer mehr zum Spiegelbilde der subjektiven
Sensation gestaltet, konnte leicht auch nach einer anderen
Idealistische Grundlagen.
Der Idealismus der gotischen Kunst. Was ist darunter
zu verstehen?
Verschieden vom Idealismus der klassischen Kunst hatte
er im Spiritualismus der christlichen Weltanschauung seinen
Ursprung und beruhte auf dem Siege einer abstrakt ideellen
Bedeutsamkeit über formale Vollendung, auf der Herrschaft
des Geistes über die Materie. Die war allerdings nicht auf
die Gotik beschränkt, sondern gilt für das ganze Mittel-
alter, ja, älter als dieses, war sie ein charakteristisches Pro-
dukt der spätantiken Geistesentwicklung und gehörte zu
den Brücken, die das Christentum mit der klassischen Kul-
tur verbunden haben. Ein rein semitisches, d. h. jede Ver-
bindung zwischen der Gottesidee und bildlichen Vorstel-
lungen bekämpfendes Christentum wäre bei den Mittelmeer-
völkern ebenso undenkbar gewesen, wie der materielle An-
thropozentrismus der griechisch-hellenistischen Kunst vom
Christentum nicht einfach akzeptiert werden konnte. Da
bot aber die neoplatonische Philosophie und die neue illu-
sionistische Kunst den erwünschten Ausgleich und ermög-
lichte es, auch auf dem Gebiete der Kunst den neuen reli-
giösen Gedanken mit der klassischen Kulturwelt zu ver-
binden. Eine Kunst, die die Körper nur als unendlich
fließenden und wandelbaren optischen Eindruck kennt, das
reale Sein immer mehr zum Spiegelbilde der subjektiven
Sensation gestaltet, konnte leicht auch nach einer anderen