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Schulz, Fritz Traugott [Hrsg.]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Hrsg.]; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0017
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3. Christus vor Kaiphas.

Die rechte Bildhälfte nimmt Kaiphas ein, der über
einem Podium auf einem Stuhl sitzt, den ein säulenge-
tragener Baldachin überdeckt. Oberkörper und Antlitz
sind dem Beschauer zu Dreiviertel entgegengewandt, wäh-
rend die Beine dicht nebeneinander nach links hin ge-
stellt sind. Das bärtige Antlitz ist ausdrucksvoll auf den
vor ihm stehenden Erlöser gerichtet. Sein Mund scheint
die auf dem im Bogen über ihm schwebenden Schrift-
band stehenden Worte zu sprechen: «die michi que e
[est] doetna [doctrina] tua». Unter der nach vorne ge-
bogenen Mütze quillt beiderseits das starksträhnige, ge-
wellte Haupthaar hervor. Mit der linken Hand berührt der
Hohepriester den linken Ellbogen Christi. Der kreuz-
schraffierte, durch weiße Punkte wirksam belebte Ueber-
rock ist mit Borden reich besetzt und um die Hüften von
einem mit Ringen verzierten Gürtel zusammengehalten.
Aus dem seitlichen Schlitz tritt das ganz geperlte linke
Hosenbein vom Oberschenkel ab frei hervor. Vor der
vorderen linken Baldachinsäule — die rechte ist fortge-
lassen, um die Figur des Hohenpriesters nicht teilweise
zu verdecken — steht Christus, fast en face gesehen, in
weitem, schwarzem Mantel, den in Linien gereihte weiße
Perlen beleben. Sein Blick ist würdevoll-ernst, der Bart
gelockt. Mitten über der Stirn teilt sich das volle Haupt-
haar, um in Wellenlinien auf die Schultern herabzugleiten.
Das Haupt umrahmt ein Kreuznimbus. Die Hände sind
kreuzweis übereinander gebunden. Links von Christus
bemerken wir einen kahlköpfigen Menschen, dessen um
die Hüften gegürteter Leibrock unten in Zaddeln endigt.
Er holt mit der erhobenen Rechten zum Schlage gegen
den Herrn aus. Der Rock ist kreuzschraffiert und mit
weißen Punkten überhöht. In dem Zwickel zwischen die-
sem Mann und Christus schaut ein Kopf mit nach vorn
gekrümmter Mütze hervor. Weiter nach links wird ein
Krieger mit Eisenhut fast in ganzer Figur sichtbar. Den
übrigen linken Hintergrund füllen vier mit Eisenhüten be-
deckte Köpfe von weiteren Kriegern. Jeder der Krieger
trägt einen Spieß, von dem jedoch nur die Spitze sicht-
bar ist, der am weitesten rechts außerdem noch eine Fahne.
Die Darstellung hebt sich stark plastisch von schwarzem
Grunde ab, der nur oberhalb des Baldachins mit weißen
Arabesken belebt ist. Der Boden ist mit Fliesen belegt,
die von rechts nach links diagonal geteilt und oben weiß
ausgespart, unten schwarz belassen sind. Die Fliese in
der linken unteren Ecke zeigt ein Loch für den Nagel
zum Befestigen auf einer Holzplatte. Als Einfassung dient
eine schwarze Linie, die durch Beschneiden des Blattes
teilweise zerstört ist, im übrigen aber an verschiedenen
Stellen den unzweifelhaft von einer Metallplatte herrüh-
renden scharfen Kanteneindruck erkennen läßt. 10,2 cm Ii,
7,6 cm br.

Technisch betrachtet ist unser Blatt eine annehm-
bare Leistung. Es ist mit Fleiß und Sorgfalt durchgeführt.
Die Stichelarbeit ist von minutiöser Feinheit. In allem ist
mit sicherer Schärfe operiert. Dazu ist der Abdruck ein
sauberer. Aber auch in künstlerischer Beziehung steht es
nicht auf minderer Höhe. Einige Härten abgerechnet, ist
die Zeichnung eine ansprechende. Mit weisem Bedacht

I sind Licht und Schatten zur Erzielung plastischer Effekte
verteilt. Die Gesichter der beiden Hauptfiguren dürfen als
charaktervoll angesprochen werden.

Das in drei Tönen spielende Kolorit ist frisch und

j erhöht die Wirkung des Blättchens um ein Beträchtliches.
Verwandt sind ein helleres Gelb, ein schmutziges Braun
und ein saftiges Grün.

Auf der Rückseite des Blattes befindet sich ein oben
und unten fragmentarischer, handschriftlicher Text in der
Kurrentschrift des 15. Jahrhunderts, sich beziehend auf
die entsprechende Illustration zu «Christus vor Pilatus». Er
ist wortgetreu mitgeteilt von W. u. Z. unter Nr. 341. Der
Dialekt klingt alemannisch. Das Blättchen war also
scheinbar einer Handschrift eingefügt.

Bei der Auktion der Weigeliana am 27. Mai 1872
erzielte das Blättchen einen Preis von 18 Tlr, (Inv.-Kat.

j 1794.)

1450-60.

W. u. Z. Nr. 341. — Schreiber 2262. — Fr. X.
Stöger, zwei der ältesten deutschen Druckdenkmäler,
München 1833, S. 62. — Lehrs, Katalog der im Germa-
! nischen Museum befindlichen deutschen Kupferstiche des
15. Jahrh., S. 13. — Weitere Literatur siehe bei Schreiber
unter Nr. 2500.

Das Blättchen gehörte mit zwei weiteren des Ger-
manischen Museums (siehe Nr. 7 u. 8), nämlich Aufer-
i stehung und Christus in der Vorhölle, wie Lehrs dargetan
j hat, einer vierten Ausgabe der zwanzigblättrigen, viel-
; leicht in Bayern entstandenen Passionsfolge an, welche
vollständig nur in einer um 1460 wahrscheinlich von
Pfister in Bamberg gedruckten Inkunabel der Münchener
Hof- u. Staatsbibliothek erhalten ist. Diese vierte Aus-
gabe unterscheidet sich dadurch von den andern, daß
sie weder Text noch Bild auf der Rückseite zeigt (siehe
Lehrs a. a. 0.). Nach Lehrs ist es wahrscheinlich, daß
zu der gleichen Ausgabe noch eine Gefangennahme und
Pieta im Dresdener Kabinett und ein Schweißtuch (Bouchot
154) sowie eine Kreuztragung (Bouchot 28) im Pariser
Kabinett gehören. Nach seinem Dafürhalten ist die Pas-
sionsfolge schwerlich vor 1450 entstanden, sondern wahr-
scheinlich später. Bouchot setzt sie weit früher an, näm-
lich ums Jahr 1440, und glaubt an einen burgundisch-
flandrischen Ursprung. Erst von dort sollen die Blätter
in die Hände eines deutschen Druckers gelangt sein, um
als Illustrationen zu einem in Bayern herausgegebenen
I Buch zu dienen. Siehe seine Ausführungen zu Nr. 11 u.
 
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