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Schulz, Fritz Traugott [Hrsg.]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Hrsg.]; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0025
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Stellung. Um so mehr ist darum der Grabstichel zu
seinem Recht gekommen, und zwar teils in derber teils
in minutiöser Weise, je nachdem es die Umstände er-
heischten. Das Untergewand Gott Vaters und der Fuß-
boden sind in unregelmäßiger Art weiß punktiert. Ein
Vergleich in der Technik mit dem Blatt zuvor spricht
für eine innige Verwandtschaft zwischen beiden, und die
Annahme ein und derselben Hand wird sich schwer ab-
weisen lassen, zumal auch die Größenverhältnisse überein-
stimmen.

Die sinnreiche, in der Tradition wurzelnde Kompo-
sition ist in ergreifender Weise zum Vortrag gebracht.
Durch die naturalistisch gestimmte Umrahmung und die
wirkungsvolle Belebung der den Thronsitz umhüllenden
Luft ist eine künstlerisch ansprechende Geschlossenheit
erzielt worden. Mit Bewußtsein geht der Künstler in die
Tiefe, ohne allerdings schon das Richtige zu treffen; denn
die Perspektive des Thronsitzes ist entschieden eine ver-
fehlte. Viel besagend ist der Gesichtsausdruck im Ant-
litz Gott Vaters. Mit kühnem Schwung, aber in natür-
licher Weise werfen sich die Falten des schweren Mantels.
Trotz der Zierlichkeit der Figur Christi ist eine Charak-
terisierung seines Antlitzes, soweit es die geringe Fläche
gestattete, nicht unversucht gelassen. Sehr nebensäch-
lich behandelt sind die kleinen Engel auf den vorderen
Pfosten des Thrones. Die würdevolle Schlichtheit des
vorigen Blattes spiegelt sich in diesem wieder. Auch hier
ist eine seelisch-tiefe Auffassung deutlich wahrnehmbar.

Angewandt sind zur Kolorierung die gleichen Farben
wie beim Blatt zuvor. Gelb finden wir in mehr oder
minder starker Ausprägung an der portalartigen Um-
rahmung, am Thronsitz, am Kreuz und Haupthaar Christi,
an den Strahlen der Nimben, an den Kerzen, Flügeln
und Haaren der Engel. Die Antlitze, Hände und der
Körper Christi sind in blassestem Rot ganz dünn, nur
andeutend, laviert. Die Schrift, der Reif und die obere
Blume beim Nimbus Gott Vaters weisen rote Punkte
auf. Beim Mantel Gott Vaters und am Boden kehrt die
grünliche Tönung wieder, die links unten am Dornen-
reif des großen Kranzes beim vorigen Blatt begegnete.

Auf der Auktion der Weigeliana am 27. Mai 1872
erzielte das Blatt einen Preis von 12 TIr. (Inv.-Kat.
Nr. 1800.)

2. Hälfte des 15. Jahrhunderts.

W. u. Z. 380. — Schreiber 2439.

Schreiber macht darauf aufmerksam, daß die portal-
artige Umrahmung unseres Blattes sehr derjenigen auf
dem Wiener Blättchen der mit dem Kinde thronenden
Madonna (Schreiber 2491) gleicht, und neigt der Ansicht
zu, daß beide den Meister des h. Michael in Berlin
(Schreiber 2709) zum Urheber haben. Letzteres Blatt
datiert er als um das Jahr 1470 entstanden, und zwar
in Mitteldeutschland. Von dem gleichen Meister stammen

nach ihm ferner die Kreuztragung in Berlin (Schreiber
2466), die er jedoch für Elsaß oder Lothringen in An-
spruch nimmt und um 1475 ansetzt, und das Blatt mit
den zehn Geboten und den zehn Plagen Aegyptens
(Schreiber 2756). Hinzu kämen dann noch nach meinen
Feststellungen das zuvor beschriebene Blatt «Das Haupt
! Christi mit den Leidenswerkzeugen» und höchst wahr-
wahrscheinlich unsere Blätter der h. Gertrud und des
h. Hubertus.

11. Maria mit dem Kinde in der Strahlen-
glorie.

Ueber einem mit der inneren Seite nach oben gerichteten
Halbmond, in welchem ein menschliches Antlitz, steht
die Gottesmutter, den linken Fuß mit der Spitze nach
vorn gerichtet, den rechten quer über die Stirn des

I Antlitzes gestellt. Die Last des Körpers ruht auf dem
rechten Bein; die rechte Hüfte ist demgemäß wenig
herausgedrückt. Auf dem rechten Arm trägt sie das
nackte Jesuskind, das sie zugleich mit der Linken an
seinem rechten Unterschenkel faßt. Der Knabe hat den
linken Arm um den Hals der Mutter geschlungen. Seine
Rechte liegt untätig über dem Schoß. Das Haupt um-
spannt ein Strahlennimbus mit vierpaßförmiger Gliederung.
Maria entbehrt der Krone. Das Haar wird über der
Stirn von einem schlichten Reif zusammengehalten, unter
dem es in welligem Fluß, bis zur Mitte des Körpers
herabreichend, hervorquillt. Der ihr Haupt umziehende

, Nimbus zeigt als äußere Begrenzung zwei weiße Linien
und über dem schwarzen Innenraum kurze weiße Strahlen
in radialer Anordnung. Der Kopf ist dem Kinde zuge-

I neigt. Das Untergewand liegt am Oberkörper eng an,
um dann in röhrenartigen Vertikalfalten auf die Füße

! herabzugleiten, woselbst es eine schwarze, durch weiße
Kreuze belebte Borde ziert. Darüber liegt ein von gleicher
Borde ringsumsäumter Mantel, der über der Brust von
einer runden Schließe zusammengehalten wird. Mit dem
linken Unterarm angerafft, fällt er beiderseits, das Unter-
gewand in der Mitte frei lassend, in großen Wellenlinien
herab. Die Gruppe wird von einer ovalen Strahlenglorie
rings umschlossen. Der Boden ist leicht schräg schraffiert,

: die Luft weiß belassen. Als Einfassung dient eine kräftige
schwarze Linie, über welche das mäßig starke, gelbliche
Papier wenig vortritt. 6 cm h., 4,4—4,3 cm breit.

Kräftigere Behandlungsweise wechselt in wohltuen-
dem Gegensatz mit feinerer Manier ab. Die Strahlen
der Glorie sind in derben Linien gerissen, Mantel und
Untergewand der Maria in zartesten Kreuzschraffuren ge-

i gliedert. Die Falten sind durch feste schwarze Linien

I bezeichnet und durch seitwärts anschließendes Schwarz

'' noch deutlicher hervorgehoben. Die dadurch erzielte
Plastik macht sich augenfällig bemerkbar. Wenn auch

I die Luft im allgemeinen weiß gedacht ist, so fehlen doch
 
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